Drama | Österreich 2007 | 122 Minuten

Regie: Götz Spielmann

Die Wege zweier Paare, eines aus dem Wiener Rotlicht-Milieu, das andere aus der österreichischen Provinz, kreuzen sich, als das Wiener Paar in dem Provinzort eine Bank überfällt, was in einer Tragödie endet. Hinterher sinnt der Bankräuber auf Rache, während es in der Ehe des anderen Paars kriselt. In klaren Tableaus entwickelt der Film ein moralisch vielschichtiges und tiefenwirksames Bild der inneren und äußeren Wege seiner Figuren. In kleinen szenischen Details und punktgenauen Dialogen scheinen Veränderungen auf, wobei die Rachegeschichte letztlich hoffnungsvoll-humanistische Züge annimmt. - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
REVANCHE
Produktionsland
Österreich
Produktionsjahr
2007
Produktionsfirma
Spielmannfilm/Prisma Film
Regie
Götz Spielmann
Buch
Götz Spielmann
Kamera
Martin Gschlacht
Schnitt
Karina Ressler
Darsteller
Johannes Krisch (Alex) · Irina Potapenko (Tamara) · Andreas Lust (Robert) · Ursula Strauss (Susanne) · Hannes Thanheiser (der Alte)
Länge
122 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Drama
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Heimkino

Die Extras umfassen u.a. ein ausführliches "Making Of" (36 Min.). Die Edition von Filmladen ist in Österreich erschienen.

Verleih DVD
Filmgalerie451 (16:9, 1.78:1, DD5.1 dt.), Filmladen (16:9, 1.85:1, DD2.0 dt., dts dt.)
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Diskussion

Der Blick aus dem stattlichen Haus ist unverbaut, reicht weit über die sommerlichen Felder. Draußen mäht ein Mann den Rasen. Das Paar scheint glücklich, sie haben ja alles: Robert ist zufrieden in seinem Job als Polizist; seine aufgeschlossene Frau Susanne arbeitet gern im örtlichen Supermarkt. Und doch raunt da Verdrängtes, Ungesagtes; etwas lauert hinter der konfektionierten Schrankwand und der Einbauküche aus dem Möbelhaus. Der österreichische Regisseur Götz Spielmann ist ein Meister moderner Sittengemälde; das hat er schon in seinem düsteren Plattenbau-Triptychon „Antares“ gezeigt. Er verknüpft ganz unterschiedliche Schicksale miteinander, um Abgründe in Beziehungen auszuloten oder dem Leben überhaupt auf die Spur zu kommen. Eine solche episodische Erzählweise kann leicht ins Klischee abrutschen, sich mit oberflächlichen Charakteren begnügen oder im verschränkten Plot erschöpfen. Spielmann gelingt das Gegenteil: ein moralisch vielschichtiges, tiefenwirksames, verdichtetes Bild.

Das antipodische Paar in „Revanche“ siedelt Spielmann in der Stadt an, im Wiener Rotlichtmilieu – denkbar weit von der ländlichen Musterhaus-Idylle entfernt. Alex und Tamara leben eine Amour Fou, deren Schwierigkeiten schnell auf dem Tisch liegen: Die Ukrainerin ist Prostituierte, er arbeitet als Mädchen für alles im selben Bordell, sie hat hohe Schulden, er wenig Geld. Was liegt da näher als ein Banküberfall? Spielmann zitiert das Genremuster eines Thrillers ebenso locker, wie sein Antiheld Alex der Geliebten die Idee erläutert. Er kenne die Gegend, den Ort, die Bank, alles kein Problem. Die Bank befindet sich auf dem Land, nicht weit von Wien, Alex’ Großvater lebt dort und auch das glückliche Paar.

Doch der Überfall geht auf tragische Weise schief. Alex kann nicht zurück in die Stadt, also bleibt er auf dem Land, auf dem spartanischen Bauernhof des Großvaters. Bei der Brotzeit und beim Abendbrot reden die beiden nicht viel; tagsüber hackt Alex Holz, als könne er auf diese Weise das, was passiert ist, ungeschehen machen. Dabei sinnt er auf Rache, anfangs zumindest.

Tableaus unheimlicher Klarheit

Die Schicksale von Alex, Susanne und Robert kreuzen sich. Dass Robert im Dienst einen Menschen erschossen hat, quält ihn. Der Vorfall bringt auch ans Tageslicht, was das Glück des Paares trübt und den beruflich und privat pflichtbewussten Robert zusätzlich belastet. Susanne taucht immer häufiger auf dem Bauernhof auf, sie sucht Alex’ Nähe, obwohl der sie schroff zurückweist. Die Wege, die von den Figuren zurückgelegt werden, sind immer die gleichen: Robert joggt um den Teich im Wald herum und rastet auf der Bank, Alex geht zum Schuppen, um Holz zu hacken, Susanne zum Hof des alten Mannes. Und so, wie es auf ihren Wegen langsam Herbst wird, scheint die Natur den inneren Weg zu spiegeln, den die drei zurücklegen.

Kameramann Martin Gschlacht schafft dabei Tableaus von unheimlicher Klarheit. Manche Bilder wiederholen sich in neuer Zusammensetzung. Einzelne Puzzleteile sind dann verschoben, die Tageszeit ist eine andere, das Personal oder die Atmosphäre hat gewechselt. Die Dialoge des Autors Spielmann stimmen auf den Punkt genau, nie wird zuviel gesagt oder zu wenig. So lakonisch das Verhältnis zwischen Alex und seinem Großvater auch ist, so scheint doch in den wenigen Worten, die beide täglich am Tisch in der Stube wechseln, die fundamentale Veränderung in dieser Beziehung auf: Aus Gleichgültigkeit und Enttäuschung wird Zuneigung, Verantwortung und Respekt. Entsprechend zurückgenommen agieren die Schauspieler, so dass die großen, existenziellen Gefühle nie Gefahr laufen, in der Übertreibung unterzugehen.

Wo „Antares“ ein eher pessimistisches Sittengemälde trabantenstädtischer Entfremdung war, ist „Revanche“ letztlich optimistisch, dem Glauben an das Gute im Menschen verhaftet: einem zutiefst humanistischen Glauben an den Wert zwischenmenschlicher Beziehungen und daran, dass es doch möglich ist, sich zu ändern.

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