Dokumentarfilm | Deutschland 2008 | 90 Minuten

Regie: Volker Koepp

Einmal mehr porträtiert der Dokumentarfilmer Volker Koepp eine Landschaft im ehemaligen Ostpreußen. Genau und höchst poetisch erkundet er die Textur der Naturlandschaft im Memelland und verzahnt diese mit den inneren Landschaften der Bewohner, die er aufsucht. Indem er sie geduldig und aufmerksam zu Wort kommen lässt, offenbaren sich ihre Vergangenheit, ihre momentane Lebenswirklichkeit und ihre Erwartungen. So entsteht die sich in ruhigen Einstellungen über die verschiedenen Zeitebenen entfaltende Chronik einer von Krieg und Abwanderung geprägten Grenzregion. - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2008
Produktionsfirma
Vineta Film (für SWR)
Regie
Volker Koepp
Buch
Volker Koepp
Kamera
Thomas Plenert
Musik
Rainer Böhm
Schnitt
Beatrice Babin
Länge
90 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 0 (DVD)
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Dokumentarfilm
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Heimkino

Verleih DVD
Salzgeber (1.78:1, DD2.0 dt. & litau.)
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Doku über die Menschen und die Natur im Memelland.

Diskussion

Jedes Wort, das er sagt, klingt absolut überzeugend: Es ist eine nahe liegende Vorstellung, dass Ceslovas erfolgreicher Inhaber einer der größten – und ersten – Werbeagenturen in Litauen ist. Schon seine Beschreibung, wie er auf einer Bootsfahrt das Memelland für sich entdeckt hat, wie der Nebelvorhang aufriss und den Blick freigab, könnte genau so auf der Homepage für das Hotel werben, das der sympathische Fast-Aussteiger mit seiner Familie am Kurischen Haff gebaut hat.

Vielleicht wären seine Worte für eine Homepage aber doch ein bisschen zu sentimental und vor allem zu poetisch; und so werden sie zum ergänzenden Kommentar der Arbeit des Dokumentarfilmemachers Volker Koepp in „Memelland“. Denn Koepps Poesie ist sehr leise; wenn er und sein langjähriger Kameramann Thomas Plenert sich Bilder wie das Beschriebene erlauben, dann bleiben diese Einstellungen lange stehen, wie zur Vergewisserung. Nur das Wasser bewegt sich.

Die Nähe zu den Menschen

Mit der Kamera scheinen Koepp und Plenert – vollkommen unaufdringlich – jeweils genau die Nähe zu den Menschen zu suchen, die diese zulassen, vielleicht auch die Nähe, die sie brauchen, um zu erzählen: von ihrem Leben, der Vergangenheit, der Gegenwart, der Zukunft und von ihrer Heimat natürlich, ihrem Heimatgefühl, das stark von der sie umgebenden, wilden Natur geprägt ist.

Volker Koepp ist ein Chronist der Erinnerung, er entdeckt vergessene Landschaften, Erinnerungslandschaften. Seit mehr als zehn Jahren zieht es den Filmemacher vor allem in die Landschaften des ehemaligen Ostpreußens, nach Masuren in „Schattenland – Reise nach Masuren“, in die Gegend um Kaliningrad in „Holunderblüte“ und „Kurische Nehrung“, aber auch in die ehemalige preußische Provinz Pommern, in „Pommerland“ – Koepp wurde in Stettin geboren.

Im Memelland war Koepp sogar schon einmal, vor 37 Jahren, kurz nach seiner Festanstellung als Dokumentarfilmer bei der DEFA im Jahr 1970: für den Kurzfilm „Grüße aus Samartien“. Der Regisseur hatte damals den alten Fischer Erdmann Jurgenaitis porträtiert. In „Memelland“ trifft er Kazimieras Banys, einen Freund von Erdmann. Die Alten sprechen manchmal noch Deutsch, der Seniorchef der Vogelwarte, der mit vom allgegenwärtigen Wind gebeutelten Hosen am Himmel Seeadler entdeckt, oder die drei unverheiratet gebliebenen Schwestern Edith, Erna und Gerda, die zusammen einen kleinen Bauernhof bewirtschaften – obwohl sie selbst untereinander litauisch sprechen.

Die Geschichte der Region

Klein-Litauen wird die Gegend von ihren Bewohnern liebevoll genannt, der Oberlauf der Memel, der dann ein Delta bildet und ins Kurische Haff mündet. Auf der anderen Seite liegt die russische Exklave Kaliningrad, ehemals Königsberg. Aus den Erzählungen der Menschen ersteht auch die bewegte Geschichte der Region – eine Geschichte von Grenzen, Kriegen und Abschied. „Nach der Wende gab es eine dritte Welle, aber jetzt bleiben die Leute hier“, sagt Roza Siksniené, Direktorin am Heimatmuseum von Silute, dem ehemaligen Heydekrug.

Die wirklich interessanten Geschichten in „Memelland“ haben, naturgemäß, die älteren Leute zu erzählen. Roza Siksniené berichtet von der Deportation ihrer Mutter nach Sibirien und der Rückkehr ins Memelland. So viele junge Leute sind auch gar nicht mehr da, „fast nur Rentner“, wie eine der drei Schwestern erzählt. Die Jüngeren, bis auf die blond gelockte, optimistische BWL-Studentin Viktorija Savickaité meist Zugezogene, kommen dennoch zu Wort, wie Ceslovas und seine Frau Asta, die Aussteiger aus Vilnius, oder der Chef der Vogelwarte, ein Ornithologe aus Leidenschaft.

Eine lange Kamerafahrt

Wie sollte es anders sein: Die erste, sehr lange Kamerafahrt zu Beginn von „Memelland“ ist eine Bootsfahrt, vorbei an rauschenden Laubbäumen, neugierigen Pferden, geduckten Holzhäusern und kleinen Fischerbooten.

 

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