Ein namenloser Mann, der Frau und Geliebte verlassen hat, trifft in einen stillgelegten Fabrikgelände auf eine junge Frau, die in Fäkalien aus Abwasserkanälen nach Spuren menschlicher Existenz sucht. Während die beiden über Gott und die Welt reden, zappt der assoziativ entwickelte Film durch seine von Fernseh-Trash geprägten Erinnerungen und Gedanken. Die auf Avantgarde getrimmte Sinnsuche erweist sich als kruder Mix aus Seelen- und Medienmüll. Die offensichtlich angestrebte satirische Absicht des Films vermittelt sich dabei kaum, weil er vom Gegenstand seiner Kritik längst "infiziert" ist.
Mein Traum oder Die Einsamkeit ist nie allein
Drama | Deutschland 2007 | 104 Minuten
Regie: Roland Reber
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Filmdaten
- Produktionsland
- Deutschland
- Produktionsjahr
- 2007
- Produktionsfirma
- wtp intenational
- Regie
- Roland Reber
- Buch
- Roland Reber
- Kamera
- Jürgen Kendzior · Bene Zirnbauer · Mira Gittner
- Musik
- Wolfram Kunkel
- Schnitt
- Mira Gittner
- Darsteller
- Wolfgang Seidenberg (Mann) · Mira Gittner (Godot) · Marina Anna Eich (Frau) · Antonio Exacoustos (Talkmaster) · Wolfram Kunkel (Großvater)
- Länge
- 104 Minuten
- Kinostart
- -
- Fsk
- ab 16; f
- Genre
- Drama | Experimentalfilm
- Externe Links
- IMDb | TMDB | JustWatch
Heimkino
Diskussion
Wer glaubt, Film habe sich längst als „siebte Kunst“ etabliert, der übersieht, dass bei aller kultureller Dominanz Kino gerade eins nicht besitzt: Kunstfreiheit. Kaum ein Medium wird derart auf stringente narrative Erzählmuster festgelegt wie der Kinofilm. Eine Produktion, die sich nicht an das Erwartete hält, wird als Film verdächtig. Aus den Kinosälen wird sie verbannt auf Vernissagen oder in Filmfestnischen. Ganz pragmatisch sind es Einspielergebnisse und Produktionskosten, die regeln, was Kino sein darf. Nicht zuletzt dieser mediale Diskurs ist es, den Roland Reber („24/7 The Passion of Life“, fd 37 473) in „Mein Traum oder Die Einsamkeit ist nie allein“ einerseits sprengt und andererseits thematisiert. Nein, wirklich unterhaltsam ist Rebers ohne öffentliche Fördergelder finanzierter Film nicht. Eher anstrengend. Authentisch oder realistisch ist er ebenso wenig. Die Figuren bewegen sich in einer artifiziellen Kulissenlandschaft. Sie reden und chargieren, als stünden sie auf einer Theaterbühne. Stilistisch wirkt „Mein Traum“ wie abgefilmtes Theater, nur dass das Set aus mehreren Bühnen besteht und die Montage flexible Schauplatzwechsel erlaubt. Doch wo steht eigentlich geschrieben, dass ein Kinofilm unterhaltsam und authentisch zu sein hat? Reber geht es von vornherein um etwas anderes.
Die „Handlung“ seines Films reduziert er auf ein rudimentäres Gerüst, um in assoziativ miteinander verketteten Episoden die nachmoderne Medien- und insbesondere Fernsehlandschaft zu karikieren und im Dschungel der ebenso aufdringlichen wie inhaltsleeren Zeichen nach einem Sinn zu fahnden. Als Inkarnation dieser Suche fungiert ein namenloser Mann – überzeugend gespielt von einem Protagonisten jener Fernsehkultur, die Reber diskreditieren möchte: dem „Marienhof“-Darsteller Wolfgang Seidenberg. „Ich bin weggegangen“ teilt der Mann gleich zu Beginn mit, und bald lässt sich rekonstruieren, dass er Frau und Geliebte verlassen hat, um sich selbst zu finden. Auf einem stillgelegten Fabrikgelände trifft er auf die junge, mysteriöse Godot, die Fäkalien aus den Abwasserkanälen (wer hier an Fernsehkanäle denkt, dürfte nicht ganz falsch liegen) nach Spuren der menschlichen Existenz durchwühlt.
Während der Mann mit Godot über Gott und die Welt philosophiert, zappt der Film durch seine Erinnerungen und Gedanken, die in Form von trivialen Fernsehshows, Daily Talks, Stand-up-Comedy oder lüsterner Märchenfarcen Gestalt annehmen. Die ungeliebte Geliebte, die unbefriedigte Frau, der unzufriedene Vater, der altdeutsche Opa und ein schlüpfrig witzelnder Freund bedrängen den Mann in diesen surreal-absurden Einspielungen. Die Sinnsuche wird in dem kruden Mix aus Seelen- und Medienmüll, wie es der Talkmaster dieser Albtraumwelt pointiert formuliert, zu einem „Panoptikum des Irrsinns, des Tiefsinns, der Metapher, der Sinnlosigkeit.“ Ohne Antwort entlässt Reber den benommenen Zuschauer. Aber doch mit reichlich Denkanstößen.
Als unbequemer, innovativer Konzeptfilm ragt „Mein Traum“ aus dem wohlfeilen Unterhaltungsbrei des konfektionierten Kinos erfreulich heraus. Allerdings geht das Konzept nur teilweise auf. Die prätenziös auf Avantgarde getrimmte Satire gerät – als hätte sie sich am Gegenstand ihrer Kritik infiziert – oftmals selbst banal und beliebig: mit gesucht bizarren Bildern wie einer Gummipalmeninsel, die in der Kloake treibt, oder mit anstößigen Dialogen voller „Schwänze“ und „Löcher“. Als Quintessenz derart trivialer Provokationen steigt irgendwann der unvermeidliche Hitler aus der Mülltonne und treibt die Medientravestie dann doch noch recht treffend auf die Spitze, wenn er im Führer-Stakkato loswettert: „Der Sinn des Lebens ist es, in den Recall zu kommen.“
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