Zwei Teenager-Brüder, von denen der ältere durch ein traumatisches Kriegserlebnis verstummt ist und der jüngere ein berühmter Hochspringer werden möchte, werden von ihren Eltern aus der unsicheren Heimat im Mittleren Osten nach Europa vorausgeschickt, landen aber nicht wie geplant in Frankfurt, sondern in Stockholm. Spannendes Drama um Migration und Flüchtlingsdasein, um Familienbande und Freundschaft, das sich auf die Perspektive seiner Hauptfigur, des jüngeren Bruders, einlässt und dank eines präzisen Drehbuchs, exzellenter Darsteller und einer eleganten Inszenierung zum Mitfiebern und Nachdenken anregt.
- Sehenswert ab 8.
Hoppet - Der große Sprung ins Glück
Drama | Schweden/Norwegen/Deutschland 2006 | 89 Minuten
Regie: Petter Naess
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Filmdaten
- Originaltitel
- HOPPET
- Produktionsland
- Schweden/Norwegen/Deutschland
- Produktionsjahr
- 2006
- Produktionsfirma
- Happy Zingo/Cinenord/Schmidtz Katze Filmkollektiv
- Regie
- Petter Naess
- Buch
- Moni Nilsson · Kurt Öberg
- Kamera
- Marius Johansen-Hansen
- Musik
- Nils Petter Molvaer · Nizamettin Aric
- Schnitt
- Inge-Lise Langfeldt
- Darsteller
- Ali Ali (Azad) · Peter Stormare (Hotdog-Verkäufer) · Mariwan Tofik (Raman) · Richard Jarl (Markus) · Ronas Gemici (Tigris)
- Länge
- 89 Minuten
- Kinostart
- -
- Fsk
- ab 6; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Sehenswert ab 8.
- Genre
- Drama | Kinderfilm
- Externe Links
- IMDb | TMDB | JustWatch
Heimkino
Diskussion
Zunächst scheint die Kindheit schon Azad und Tigris, die mit ihrer Familie in einer ländlichen Gegend im Mittleren Osten wohnen, ziemlich normal. Zwar stößt ihre Begeisterung für Hochsprung und die schwedische Sportlerin Kajsa Bergqvist auf Unverständnis; doch hält das die Brüder, die ein Herz und eine Seele sind, nicht davon ab, weiter an ihrem Traum zu arbeiten: Azad will ein berühmter Hochspringer werden, und Tigris steht ihm als Trainer und Mutmacher zur Seite. Doch dann dröhnt das Geräusch von Explosionen zu den beiden herüber. Sie flüchten sich vor dem Fliegerangriff in eine große Rattankiste und liegen dort zusammengekauert, während es um sie kracht, der Boden wackelt und die Kiste vom Druck der Bomben über den Boden geschleudert wird. Als das Grauen vorbei ist und Mutter und Vater sie finden, sind sie zwar körperlich unversehrt, Tigris aber hat der Schreck im wahren Sinne des Wortes die Sprache verschlagen. Noch Jahre später, als er 14 ist und Azad zwölf, ist er stumm. Als zwei Militärpolizisten grob Azads Geburtstagsfeier stören und ihnen drohen, hat der Vater, ein liberaler Schriftsteller, genug: Die Familie soll das Land verlassen. Deshalb schicken die Eltern ihre Söhne nach Europa; mit Bekannten aus dem Dorf sollen sie nach Stockholm und von dort nach Frankfurt fliegen, die Eltern wollen nachkommen. Doch auf der Reise geht alles schief. Die Jungen werden betrogen und bleiben als falsche Söhne bei ihren nicht gerade sympathischen Reisebegleitern in der schwedischen Metropole hängen. Während ihre Gastfamilie auf eine Aufenthaltsgenehmigung wartet, beginnt Azad, sein neues Umfeld zu erkunden.
Wie in seinem Film „Elling“ (fd 35 384) thematisiert Petter Næss auch in „Hoppet“ das Bemühen eines eingeschworenen Männer- bzw. Jungen-Paars, sich in einem fremden, oft unverständlichen Umfeld, in dem sie aus Außenseiter dastehen, zurechtzufinden. Wie er sich in „Elling“ auf die Lebenswelt seiner psychisch gestörten Hauptfiguren einließ, so verschreibt er sich auch hier radikal der Perspektive der Hauptfigur, des kleinen Azad, der mittels Gedanken-Voice-Over den Zuschauer an seinem Innenleben teilhaben lässt: Politische Zusammenhänge, die der Zwölfjährige nicht durchschaut und die ihm auch nicht weiter wichtig sind, kann man sich allenfalls zusammenreimen; das Verhalten der Erwachsenen, das Funktionieren der Behörden geben Rätsel auf. Um so stärker ist die Identifikation mit dem willensstarken jungen Helden, für den die Reise nach Schweden zum beängstigenden Abenteuer wird: Wenn auch der jüngere der Brüder, fühlt er sich doch verantwortlich, den stummen Tigris zu beschützen. Bei seinen Pflegeeltern stößt er auf ebenso wenig Zuneigung wie bei den Mitschülern in der Schule, in der er Schwedisch lernen soll. Am schlimmsten aber ist die Verzweiflung darüber, von den Eltern im Stich gelassen, „abgeschoben“ worden zu sein; denn Azad kann die Motive des Vaters nicht verstehen. Zum Glück gibt es einen Hot-Dog-Verkäufer, der immer ein offenes Ohr und einen guten Rat für Azad hat; und es gibt die hübsche Sama, das einzige liebenswerte Mitglied seiner Gastfamilie. Schließlich schafft es Azad, seinem Traum vom Hochspringen ein Stück näher zu kommen und Freunde zu finden, deren Hilfe er bald dringend nötig hat.
Krieg und Migration, Flüchtlingsdasein und Heimweh, Familienbeziehungen und Freundschaft, Sport, Sportidole und erste Liebe: Es sind ziemlich viele Themen, die Petter Næss in seinen Film packt. Dass das Ganze nicht ausfranst, verdankt er zum einen seinem hervorragenden Drehbuch, das jede Melodramatisierung und gefühlige Auswalzung meidet und das pointiert und knapp Konflikte und Figuren zu charakterisieren versteht, ohne sich zu verzetteln. Zum anderen profitiert der Film von hervorragenden Darstellern, die selbst kleine Rollen lebhaft und eindrücklich gestalten, wie etwa der wunderbare Peter Stormare als schrulliger Hot-Dog-Verkäufer. Die Inszenierung ist trotz der Fülle der Erzählung elegant und flüssig, findet bei aller Spannung immer wieder Zeit für poetische Bilder, die Azads kindlich-neugierige Wahrnehmung seiner Umwelt sinnlich vermitteln. Ein rundum gelungenes, eindringliches Drama, das nicht nur junge Zuschauer zum Mitfiebern und Nachdenken anregen dürfte.
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