Der fliegende Händler
Komödie | Frankreich 2007 | 96 Minuten
Regie: Eric Guirado
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Ein junger Mann kehrt nach dem Herzinfarkt seines Vaters in sein südfranzösisches Heimatdorf zurück, um dessen Krämerladen und den mobilen Kleintransporter-Kaufladen zu übernehmen. Aus der anfänglichen Skepsis entwickelt sich allmählich eine Liebe zum Land und zu seinen Menschen, die auch zu Veränderungen im persönlichen Leben beiträgt. Eine Sommerkomödie mit faszinierenden Landschaftsaufnahmen, die mit überzeugenden Darstellern eine Rückbesinnung auf die eigentlichen Wurzeln beschreibt und ohne verklärenden Blick die Schönheiten des einfachen Lebens beschwört.
- Ab 14.
Filmdaten
- Originaltitel
- LE FILS DE L'EPICIER
- Produktionsland
- Frankreich
- Produktionsjahr
- 2007
- Produktionsfirma
- TS/Rhône-Alpes Cinéma
- Regie
- Eric Guirado
- Buch
- Eric Guirado · Florence Vignon
- Kamera
- Laurent Brunet
- Musik
- Christophe Boutin
- Schnitt
- Pierre Haberer
- Darsteller
- Nicolas Cazalé (Antoine Sforza) · Clotilde Hesme (Claire) · Jeanne Goupil (Antoines Mutter) · Daniel Duval (Antoines Vater) · Stéphan Guérin-Tillié (François, Antoines Bruder)
- Länge
- 96 Minuten
- Kinostart
- -
- Fsk
- ab 0; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 14.
- Genre
- Komödie
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- IMDb | TMDB
Heimkino
Diskussion
Das abgeschiedene Landleben in der französischen Provence: Ein vornehmlich von Rentnern und Touristen gepflegter Traum von malerischen Dörfern, hilfsbereiten Nachbarn und frisch-frugaler Selbstverpflegung – und ein sehr persönlicher Albtraum für den 30-jährigen Antoine, der der erstickenden Provinz-Idylle schon in jungen Jahren den Rücken kehrte, um im Großstadtleben mit anderen jugendlichen Landflüchtlingen hektisch nach seinem Glück zu suchen. Ein unbeständiger Job als Kellner, unausgepackte Umzugskartons in einer möbellosen Lebensabschnitts-Bleibe und eine unausgereifte Beziehung zu seiner hübschen Nachbarin Claire sind die bisherige urbane Ausbeute, als Antoine unerwartet ins Hospital beordert wird. „Er lebt doch noch“, entgegnet er trocken seiner aufgelösten Mutter und weigert sich vehement, bis zum Krankenbett seines durch einen Herzinfarkt niedergestreckten Vaters vorzudringen. Doch mit der folgenden Arbeitsunfähigkeit des von Antoine zum Tyrannen deklarierten Familienoberhaupts muss sich der verstockte Ausbrecher dem schon lange schwelenden Konflikt zwischen Selbstverwirklichung und familiärer Verantwortung stellen. Ohne seinen Einsatz würde der väterliche Familienbetrieb, ein kleiner Tante-Emma-Laden mit motorisierter „Außenstelle“ in Form eines überdimensionalen Kleinkrämer-Mobils, mitsamt der überalternden Dorfbevölkerung buchstäblich auf dem Trockenen sitzen. Da sich allerdings auch Antoines finanzielle Situation alles andere als günstig darstellt und zudem Claire, die mitten in Examensvorbereitungen steckt, etwas Ruhe vertragen könnte, kommt Antoine seiner Verpflichtung nach und begibt sich mit seiner heimlichen Liebe auf eine Landpartie – selbstredend unter amourösem und zeitlichem Vorbehalt.
Wenn sich der rollende Händler Antoine mit seiner überbreiten Karosserie auf den engen Gassen der verträumten Dörfer, auf den grün und gelb umsäumten Feldstraßen und Serpentinen durch die von Sonne durchfluteten Weinberglandschaften schlängelt, dann meint man die Herzen von Regisseur Eric Guirado und Kameramann Laurent Brunet durch die Leinwand einen Ton höher schlagen zu hören. Wie aus Bildbänden entnommene Landschaftstotalen kontrastieren die auch emotional detaillierten Nahaufnahmen des vorerst verhinderten Liebespaares: wenn Claire zum Beispiel einen sinnbildlichen Riss in der Wand des Familienanwesens nachdenklich mit ihrem Finger nachzeichnet oder gemeinsam mit Antoine des nachts das Händlermobil blasphemisch bunt verschönert. Guirado, der sich bereits 2006 mittels dreier Dokumentarfilme über ländliche Wanderberufe dem französischen Hinterland und seinen Bewohnern annäherte, bezieht hier deutlich Position für einen der zwei Lebensentwürfe, wie sie diametraler nicht aufeinander prallen könnten: Antoines gewinnorientiert-ungeduldige Verkaufsstrategie trifft dabei genauso auf die singulären Konsumwünsche der vereinsamten Alten in den Bergdörfern wie sein großstädtischer Egoismus das Blut des daheim gebliebenen, depressiven Bruders zum Kochen bringt, dessen Ehe ebenso zerrüttet ist wie seine mentale Stabilität. Man mag Guirados bisweilen in leisem Humor ausfransende Argumentationslinie im Kampf von Tradition und Moderne als konservativ oder nostalgisch empfinden; die Probleme des Landlebens mit seiner Isoliertheit, der zunehmenden Vergreisung und dem nur vordergründigen Schein familiären Zusammenhalts blendet der Film indes nicht aus. Langsam und unaufgeregt wie die Provence-Bewohner verlegt sich Antoines Liebe allmählich von sich selbst auf die vormals verhasste Heimat – und auf Claire, die über das erstarrte Leben der Kunden und den Zorn des fliegenden Händlers wie ein Sommerwind streicht. Mit einem ausgewogenen Blick für seine Figuren, ihre Umgebung und widerstreitenden Gefühle hat Eric Guirado ein umgekehrt zur Filmtradition verlaufendes, nämlich stadtflüchtiges Coming-of-Age-Porträt gezeichnet, das sich erfrischend unkitschig, mal zaghaft, mal kraftvoll in ein heimeliges Landschaftsbild einschmiegt.