Größtenteils aus Found Footage (Aufnahmen der NASA, Unterwasseraufnahmen einer Antarktis-Expedition) montiertes Science-Fiction-Fantasy-Essay, das seine Geschichte in gegenläufigen Erzählsträngen entwickelt. Ein Außerirdischer, dessen Heimatplanet unbewohnbar wurde, muss feststellen, dass sich auf der Erde der Vernichtungsprozess fortsetzt; derweil träumen die Menschen davon, andere Planeten zu kolonisieren. Ein mit betörender Musik unterlegter Film über die Schönheit der Natur, eine Liebeserklärung an die Erde und zugleich ein augenzwinkernder Nachruf auf die Menschheit. (O.m.d.U.)
- Ab 14 möglich.
The Wild Blue Yonder
- | USA/Deutschland/Großbritannien/Frankreich 2005 | 81 Minuten
Regie: Werner Herzog
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Filmdaten
- Originaltitel
- THE WILD BLUE YONDER
- Produktionsland
- USA/Deutschland/Großbritannien/Frankreich
- Produktionsjahr
- 2005
- Produktionsfirma
- Werner Herzog Filmprod./West Park Pictures-Tetra Media (für BBC/France 2)
- Regie
- Werner Herzog
- Buch
- Werner Herzog
- Kamera
- Henry Kaiser · Tanja Koop · Klaus Scheurich
- Musik
- Ernst Reijseger
- Schnitt
- Joe Bini
- Darsteller
- Brad Dourif (Alien)
- Länge
- 81 Minuten
- Kinostart
- -
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 14 möglich.
- Externe Links
- IMDb | TMDB
Diskussion
Eine Beschreibung der Erde aus der Perspektive eines Heimweh kranken Alien, ein Film über Schönheit und Verfall: Werner Herzog hat bereits mehrfach aus Zivilisationsmüll Science-Fiction-Essays montiert, zunächst in „Fata Morgana“ (fd 17 677), später in „Lektionen in Finsternis“ (1991), teilweise auch in „Grizzly Man“ (2005). „The Wild Blue Yonder“ basiert zu großen Teilen auf Found Footage aus NASA-Beständen, die Herzog in einem entlegenen Archiv entdeckte. Ergänzt wird das Weltraum-Material durch magische Unterwasseraufnahmen, die aus einer Antarktis-Expedition der National Science Foundation und vom Musiker Henry Kaiser stammen. Der Film besteht aus zwei Erzählsträngen, die einander ergänzen und kommentieren. Da ist der von Brad Dourif gespielte Außerirdische, der von seinem untergegangenen Heimatplaneten „The Wild Blue Yonder“ sowie den vergeblichen Versuchen der Aliens erzählt, auf der Erde eine (andere, vielleicht alternative) Gesellschaft zu errichten. Er resümiert: „Those of us who arrived here just sucked. The aliens all suck. We’re all failures. I guess we’re just failures.“ Es geht auch darum, dass der Planet aufgegeben werden musste, weil die natürlichen Ressourcen erschöpft waren. Dieser selbstdestruktive Umgang mit dem natürlichen Lebensraum wiederholt sich nun zum Erstaunen und Entsetzen des Außerirdischen auf der Erde, was wiederum den Weltraum ins Spiel bringt. Der zweite Erzählstrang erzählt nämlich vom alten Menschheitstraum zu fliegen, die Erde zu verlassen und andere Planeten zu kolonisieren. Folgt man Herzog, liegt diesem Traum die Vorstellung zugrunde, man könne auf einem anderen Planeten noch einmal „von Null“ beginnen, nachdem man aus seinen Fehlern gelernt hat. Dieser Erzählstrang erzählt mit NASA-Bildern (das Originalmaterial stammt aus Arbeitszusammenhängen der „Galileo“-Mission 1989) von einer Expedition der Menschen zum Heimatplaneten der Aliens. Nach langer Zeit im All können die Astronauten nicht mehr auf der Erde landen. Ein Krieg? Eine Umweltkatastrophe? Alternative „Häfen“ gibt es nicht, im gesamten bekannten Universum existiert kein anderer bewohnbarer Ort. Als die Astronauten 820 Jahre später doch auf der Erde landen können, finden sie eine „primitive Schönheit“ vor; die Zivilisation wurde ausgelöscht.
Einmal mehr fantasiert Herzog einen fremden Blick auf die Erde aus der Perspektive eines Astronauten. Er hat den Film als „Science-Fiction-Fantasy“ untertitelt und bezeichnet ihn als „Gedicht“. Seine Kraft erhält „The Wild Blue Yonder“ vor allem durch die archaische Musik des Cellisten Ernst Reijseger: eine betörende Musik, die die Stimme des Senegalesen Mola Sylla mit der Polyphonie eines sardischen Schäfer-Chors mischt und dem Film einen ordentliche Dosis des Sakralen injiziert. So erhalten die Bilder eine Erhabenheit, die Herzog einst mit den Klängen der mystischen Krautrocker von Popul Vuh erzeugte. Zugleich greift er das Thema Mensch/Natur auf: Der Mensch ist ein Eindringling in die Welt, die (vielleicht) schöner wäre, wenn seine Spuren erst von der Erdoberfläche getilgt sind. Zugleich ist das filmische „Requiem For A Dying Planet“ (Kapitelüberschrift) eine radikale Absage an manche mit modernen Technologien verknüpften Fluchtfantasien der Gattung – und eine Liebeserklärung an den blauen Planeten, dessen Schönheit bislang noch nicht komplett zerstört wurde. „The Wild Blue Yonder“ wäre ein radikales filmisches Manifest für ein ökologisches Umdenken, käme es nicht einige Jahrzehnte zu spät. Jetzt ist der Film ein (nicht humorloser Nachruf) auf die Gattung Mensch.
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