Sakuran - Wilde Kirschblüte

- | Japan 2006 | 111 Minuten

Regie: Mika Ninagawa

Eine junge Frau, die während der Tokugawa-Zeit als Mädchen an ein japanisches Nobelbordell verkauft wurde, steigt zur teuren Edel-Prostituierten mit einer Fülle von Rechten und Privilegien auf. Der in Luxus und Farben schwelgende Film strebt kein Sittengemälde an und ersetzt eindeutigen Naturalismus durch einen reizvollen Schwebezustand zwischen Sinnlichkeit und inszenatorischer Intelligenz. Daraus resultiert ein einfallsreiches Stil-Feuerwerk, das die ganze poetische Kraft des Kinos aufbietet, um Vergnügen und Erkenntnis zugleich zu bereiten. (O.m.d.U.) - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
SAKURAN
Produktionsland
Japan
Produktionsjahr
2006
Produktionsfirma
Fellah Pic.
Regie
Mika Ninagawa
Buch
Yuki Tanada
Kamera
Takuro Ishizaka
Musik
Ringo Shiina
Schnitt
Hiroaki Morishita
Darsteller
Anna Tsuchiya (Kiyoha) · Kippei Shiina (Kuranosuke) · Yoshino Kimura (Takao) · Hiroki Narimiya (Sojiro) · Miho Kanno (Shohi)
Länge
111 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Externe Links
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Heimkino

Die Extras umfassen u.a. ein Feature mit im Film nicht verwendeten Szenen (8 Min.) sowie ein ausführliches "Making of" (63 Min.).

Verleih DVD
REM (16:9, 1.85:1, DD5.1 jap./dt.)
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Diskussion
Fallende Kirschblüten und hochgezüchtete Goldfische sind die ersten Bilder – und die beiden konstant und treffend eingesetzten zentralen Symbole in „Sakuran“. Der auf einem Manga basierende Film ist in der Tokugawa-Zeit angesiedelt, jenem japanischen Ancien Regime, das von 1603 bis zum Beginn der Öffnung zum Westen 1868 reichte; eine Epoche blühender urbaner Kultur, in der so viele japanische Kostümfilme spielen. „Sakuran“ erzählt von einem Mädchen, das an ein Nobel-Bordell verkauft wird. Zweimal ändert es seinen Künstlernamen, und diese Namenswechsel sind jeweils Symbol eines Sprungs auf der Karriereleiter, die es schließlich zur höchsten Vollendung führt: Die junge Frau ist eine Oiran; diese höchstmögliche Stufe des Kurtisanentums war nur wenigen vorbehalten. Nicht allein körperliche Schönheit, sondern vor allem Bildung, Manieren und Anmut, also ein „Kulturvorsprung“, zeichneten die Oiran aus. Zwar boten auch sie wie gewöhnliche Prostituierte Sex für Geld, allerdings für ungeheuer viel Geld und obendrein nach strengen Ritualen, die sie den Männern, mit denen sie verkehrten, gleichstellten, die ihnen eine autonome, freilich prekäre Machtposition gaben, und ihnen erlaubten, wählerisch zu sein. Dieses Machtspiel und die Ökonomie der Anmut sind Hauptthemen von „Sakuran“. Der Film stellt seine Figuren nicht als Handwerker, sondern als Künstler der Liebe vor: „Ich kann nicht erklären warum, aber ich weiß genau, was ich tun muss“, bringt es eine von ihnen auf den Punkt. Nie macht der Film einen Hehl daraus, dass die Hauptfigur gegen ihren Willen ins Bordell kam, als Gefangene in einem goldenen Käfig lebt und trotz allen Luxus’ täglich davon träumt, ausbrechen zu können. Ihre Karriere als Oiran und der damit verbundene Freiheitsgewinn sind eine ihrer wenigen Chancen, sich zu befreien. Die Welt sei „ein Tal der Tränen“, sagt sie. Doch tut „Sakuran“ umgekehrt auch nicht so, als hätte dieses Leben nicht seine schönen und überaus vergnügten Seiten, und – noch wichtiger – seinen Alltag. Der ist geprägt von der Rivalität der Kurtisanen untereinander, die mit allen Waffen, mit Schönheit und Verführungskunst, grober Sprache und weiblicher Härte ausgetragen wird – ein ständiger Wettbewerb um Popularität. Je länger der Film dauert, umso deutlicher wird, dass das historische Setting trügt: Es geht Regisseurin Mika Ninagawa ganz um die Gegenwart. Eine Gegenwart, die ebenso von einem neuen Klassensystem geprägt ist wie von der Macht der Unterhaltungsindustrie. Auch hier hat man es mit einer Traumfabrik zu tun, die künstliche Paradiese, ihre eigenen Helden und eine scheinbare, verlogene Gleichheit produziert. Die Oiran waren tatsächlich, nicht nur im verfremdenden Blick Ninagawas, Mega-Stars ihrer Zeit. Ihre Mode wurde in Zeichnungen in der Oberschicht verbreitet und galt für höchste Kreise als vorbildlich. Formal wird der historische Rahmen schon früh gebrochen: Ninagawa, zuvor Fotografin, setzt auf prächtige Farben an der Grenze zum Pop. So ausgefeilt die glamourösen Kimonos und die übrigen Kostüme auch sind, sie sind doch historisch kaum exakt. Der Schnitt wechselt ständig den Rhythmus, die Kamera fließt und hält doch immer wieder in kurzen Ansichten unmittelbarer Schönheit inne. Die zentrale Stil-Entscheidung dieses hochstilisierten Films liegt aber vor allem in der Wahl der Musik: Shiina Ringos vibrierender, in dieser Form noch nie gehörter Mix aus Pop, Jazz und moderner Klassik bricht nicht nur mit allen denkbaren Klischees, er wird zum eigenen Kommentar des Films. Die 1972 geborene Regisseurin setzt sich in diesem faszinierenden, selbstbewussten Debüt deutlich von den Traditionen der japanischen Filmgeschichte ab und zeigt etwas Neues: eine Hauptfigur voller Individualität, die energisch und überlebensfähig ist, weit entfernt von der Darstellung der Kurtisanen durch männliche Regisseure, die diese gern als leidend, edel und moralisch idealisieren – und am Ende des Films sterben lassen. Ninagawas Ansatz ist eher mit dem vergleichbar, was Sofia Coppola in „Marie Antoinette“ (fd 37 865) unternahm: Kino als optischer Genuss, Widerstand gegen Naturalismus und riskanter Schwebezustand zwischen Sinnlichkeit und Intelligenz. „Sakuran“ ist ein virtuoses, gut gelauntes, einfallsreiches Stil-Feuerwerk, das dem Zuschauer Vergnügen und Erkenntnis bereiten will und dabei auf die Neugier des Betrachters setzt, seine Lust am Ausbruch aus dem Biedermeier des Kinos. Einmal heißt es: „So zu tun, als sei nichts dahinter, wenn etwas dahinter ist – das nennt man Stil.“ Dies ist auch das künstlerische Credo von „Sakuran“. Wie ein Besuch bei einer Oiran ist auch dieser Film ein ästhetischer Ausnahmezustand.
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