Wenn Adrienne Shelly regelmäßig in einer Nebenrolle auftaucht, hat das einen gespenstischen, ungewollt traurigen Effekt; denn die New Yorker Regisseurin, Drehbuchautorin und Darstellerin wurde, kaum dass sie ihren dritten Spielfilm fertig gestellt hatte, Opfer eines Mordes. Der tragische Beigeschmack, den „Jennas Kuchen“ unter diesen Umständen annimmt, will freilich nicht zum Ton passen, den die Filmemacherin offenkundig im Sinn hatte: Ihr kleiner Independent-Film zelebriert die Schrullen seiner Figuren und kombiniert schnoddrigen Dialogwitz mit sentimentalen Anflügen. Jenna, die Hauptfigur, gilt unter ihren Kolleginnen als „Kuchengenie“, weil sie jeden Tag mit einer neuen Backkreation aufwartet, die in dem Diner, in dem sie kellnert, auf der Speisekarte landet. Folgerichtig ist die junge Frau regelmäßig beim Ausprobieren neuer Rezepte zu sehen, wobei schnell klar ist, dass sie beim Hantieren mit Schneebesen und Rührschüssel die Widrigkeiten des Alltags verarbeitet. Während sich in Großaufnahme und moderater Zeitraffung eine Backform nach der anderen füllt, teilt Jenna aus dem Off jeweils die Namen mit, die sie ihren kulinarischen Neuschöpfungen verleiht, so der „Das-Baby-schreit-sich- mitten- in-der-Nacht-die-Seele-aus-dem- Leib-und-ruiniert-mein- Leben“- Kuchen. Der Film beginnt abrupt damit, dass Jenna im Beisein zweier Kolleginnen das Ergebnis eines Schwangerschaftstests abwartet, der positiv ausfällt, aber von ihr ausgesprochen negativ aufgenommen wird. So ist „Jennas Kuchen“ nach „Beim ersten Mal“
(fd 38275) bereits der zweite amerikanische Film in diesem Jahr, in dem die Handlung von einer unerwünschten Schwangerschaft angetrieben wird, deren Abbruch nie zur Debatte gestellt wird. Das Wort „Abtreibung“ fällt nicht, und Jennas Gynäkologe gibt diskret zu verstehen, dass „das“ in seiner Praxis nicht gemacht werde. Aber wie eine wegwerfende Geste klarmacht, hat seine Patientin daran ohnehin nie gedacht. Angesichts des kleinstädtischen Milieus im amerikanischen Süden erscheint diese Haltung durchaus glaubhaft und steht nicht im Widerspruch zum mürrischen Sarkasmus, den Jenna sonst an den Tag legt.
Hauptdarstellerin Keri Russell gewinnt Sympathiepunkte, indem sie darum nicht buhlt: Sie blickt zumeist missmutig, außer in einer Sequenz, in der sie dusselig vor Verliebtheit durch die Straßen ihrer Kleinstadt zu schweben scheint. Sie fängt nämlich mit Dr. Pomatter, dem Gynäkologen, eine stürmische Affäre an, obwohl sie zuvor eine neue Backkreation „Ich-kann-keine-Affäre-haben-weil-das-falsch-ist-und-ich-nicht-will-dass-mein-Mann-mich-umbringt“-Kuchen getauft hat. Angesichts Jennas resoluten Eigensinns erscheint es freilich abwegig, dass sie an solch einen rüden Idioten wie ihren Ehemann Earl geraten konnte. Earl ist eine lächerliche Figur, die auf die Nachricht von Jennas Schwangerschaft mit dem Befehl reagiert, dass sie das Baby weniger lieben müsse als ihn selbst. Während der Film dazu einlädt, diese Witzfigur im gleichen Maße zu verachten, wie Jenna es insgeheim tut, will er andererseits nahe legen, alle anderen Nebenfiguren charmant zu finden. Shelly hat jedenfalls das gesamte Personal des Diners mit ausgesucht kuriosen Schrullen ausgestattet – was ebenfalls im Widerspruch zum stoischen Missmut der Hauptfigur steht. Deshalb kann man, um im Bild zu bleiben, finden, dass die Rezeptur der Filmemacherin letzten Endes überhaupt nicht aufgeht; was umso mehr gilt, als Shelly zuletzt auch an Zucker und Schmalz nicht spart. Freilich sind Geschmäcker verschieden, und aus dem soliden Erfolg der bescheidenen Produktion an der US-Kinokasse kann man schließen, dass der Film den Geschmack seines Zielpublikums getroffen hat.