Dokumentarische Studie des Principe di Venosa, Carlo Gesualdo, einem Sohn aus gutsituiertem Hause, der einige der ungewöhnlichsten Madrigale des Barock komponierte, zugleich aber auch ein grotesker Exzentriker war und 1590 seine Familie und den Liebhaber seiner Frau auf grausame Weise ermordete. Das fesselnde Porträt eines Menschen zwischen Genie und Wahnsinn, dem sich Werner Herzog in einer überzeugenden Mischung aus klassischer Dokumentation und Musikfilm zu nähern versucht.
- Ab 14.
Gesualdo - Tod für fünf Stimmen
- | Deutschland 1995 | 60 Minuten
Regie: Werner Herzog
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Filmdaten
- Produktionsland
- Deutschland
- Produktionsjahr
- 1995
- Produktionsfirma
- Werner Herzog Filmprod./ZDF
- Regie
- Werner Herzog
- Buch
- Werner Herzog
- Kamera
- Peter Zeitlinger
- Musik
- Francesco D'Avalos · Richard Wagner · Carlo Gesualdo di Venosa
- Schnitt
- Rainer Standke
Heimkino
Diskussion
Über seinen Tod gibt es im Wesentlichen zwei Versionen: Manche sagen, er sei an Asthma gestorben, die anderen vermuten einen Tod unter unsäglichen Folterqualen. Don Carlo Gesualdo, Principe di Venosa, wurde gerade 47 Jahre alt und hatte dennoch ein höchst außergewöhnliches Leben. Als Sohn aus gutsituiertem Hause musste der 1566 bei Neapel geborene Gesualdo nie selbst für seinen Unterhalt sorgen und ehelichte Maria d'Avalo, die als eine der schönsten Frauen Italiens galt. An einem Sommerabend 1590 erfuhr jedoch die ehrenwerte Gesellschaft durch ein Blutbad im Schlafgemach des Adeligen, dass hinter der Fassade eines unscheinbaren Würdenträgers ein grotesker Exzentriker steckte.
Nicht verwunderlich, dass sich bei einer solchen Vita Werner Herzog für Leben und Wirken dieses nur einer eingeweihten Minderheit bekannten Menschen interessierte. Mit einem Kamerateam machte er sich auf, um an dessen Wirkungsstätte auf Spurensuche zu gehen. Erstaunlich viele in und um das Anwesen des Principe di Venosa haben auch heute noch eine dezidierte Meinung über Gesualdo, und selbst entfernte Abkömmlinge wissen noch Abenteuerliches zu berichten. Herzog, der sich schon immer für charismatische Sonderlinge interessiert hat, ist in doppelter Hinsicht auf ein Lieblingssujet gestoßen. Denn Gesualdo metzelte nicht nur aus Eifersucht seine Frau, seine kleine Tochter und den Liebhaber auf ungewöhnlich explizite Weise und blieb für diese Tat ungestraft, er komponierte auch einige der ungewöhnlichsten Madrigale des frühen Barock. In gut einer Stunde entwickelt Herzog ein faszinierendes Porträt aus Indizien und Musik und lässt es sich inszenatorisch sogar nicht nehmen, in einer kleinen Sequenz das Dokumentarische zu verlassen und die unselige Maria d'Avalo als ruhelos umherirrenden Geist „lebendig“ werden zu lassen: In einer kurzen Rolle darf die Chanteuse Milva in den alten Gemäuern umherirren und Gesualdos Liedern huldigen. „Gesualdo – Tod für fünf Stimmen“ ist weder eine klassische Dokumentation noch ein Musikfilm, eher die Skizze eines Regisseurs, der, wäre er zwanzig Jahre jünger und wilder und wäre Klaus Kinski noch am Leben, daraus wohl ein opulentes Biopic über die Symbiose von Genie und Wahnsinn gemacht hätte. So ist es „nur“ ein fesselndes Feature geworden, das Herzog als Sprecher sowohl in deutsch als auch in englisch produziert hat. Gesualdo, der nach seiner Tat noch etliche musikalische Großtaten vollbrachte, aber auch durch Wahnsinn und zügellosen Masochismus hervortrat und unter mysteriösen Umständen verstarb, harrt bis heute der Entdeckung als Filmstoff einer Großproduktion à la „Das Parfum“. Vielleicht gibt die Veröffentlichung des bereits 1995 fürs ZDF entstandenen Dokumentarfilms auf DVD nun die nötigen Impulse.
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