Komödie über einsame Großstadt-Singles und eine Methode, sie zusammenzubringen: Speed Dating, bei dem den Teilnehmern nur fünf Minuten zum Kennenlernen bleiben. Trotz des oft beackerten Terrains der Partnersuche angesichts des Single-Überschusses gelingt dem Kinodebütanten eine lebensnahe und nahezu gleichberechtigte Darstellung von 18 Figuren, denen er bei aller genretypischen Vereinfachung mit Gespür und Witz auf den Grund geht. Auch dank der guten Darsteller ein hierzulande außergewöhnliches Vergnügen.
- Ab 14.
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Komödie | Deutschland 2006 | 95 Minuten
Regie: Ralf Westhoff
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Filmdaten
- Produktionsland
- Deutschland
- Produktionsjahr
- 2006
- Produktionsfirma
- Ralf Westhoff Filmprod./DRIFE Prod./BR
- Regie
- Ralf Westhoff
- Buch
- Ralf Westhoff
- Kamera
- Helmfried Kober
- Musik
- Michael Heilrath
- Schnitt
- Uli Schön
- Darsteller
- Sebastian Weber (Jörg) · Anna Böger (Susanne) · Felix Hellmann (Patrick) · Katharina M. Schubert (Isabella) · David Baalcke (Frank)
- Länge
- 95 Minuten
- Kinostart
- -
- Fsk
- ab 0; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 14.
- Genre
- Komödie
- Externe Links
- IMDb | TMDB | JustWatch
Heimkino
Diskussion
18 paarungswillige Großstadtsingles auf der Suche nach einem Partner – das weckt Erinnerungen an die zahlreichen Tiefpunkte jüngeren deutschen Komödienschaffens nach Art von „Suche impotenten Mann fürs Leben“, die das Thema Partnersuche so klischee- und klamaukhaft und zugleich verklemmt illustriert haben, dass kein bisschen Leben mehr darin zu finden war. Kinodebütant Ralf Westhoff, der vorher ein paar mit Festivalpreisen bedachte Kurzfilme gedreht hatte, gelingt es in seiner Exposition auch zunächst nur bedingt, den Zuschauer in die Biografien seiner 18 nahezu gleichberechtigten Figuren hineinzuziehen. Sie beäugen sich im Spiegel, lästern über das andere Geschlecht und sind im Grunde alle einsam – jener vermeintliche Tribut an das sprudelnde Leben in der Großstadt, hier München. Sobald der Film sich aber seinem Kern nähert, blüht das Leben in ihm auf: eine direkte Konfrontation von neun Männern und neun Frauen, die sich in zwei Reihen gegenüber sitzen und sich zum Speed Dating verabredet haben, jener neuen amerikanischen Sitte, dem potenziellen Geschlechtspartner (und sich selbst) nur fünf Minuten Zeit zu geben, als solcher zu reüssieren. Die Regeln sind streng: Ein Wächter und Organisator stoppt die Zeit und pfeift sekundengenau zum Weiterrücken, bis jeder mit jedem gesprochen hat.
Ein großes Plus des Films sind seine Darsteller. Westhoff hat sie sich in althergebrachter Manier auf deutschen Theaterbühnen mühsam zusammengesucht: lauter klassisch ausgebildete Schauspieler, die ihr Handwerk blendend beherrschen und wenn überhaupt nur wenig in Fernsehen oder Kino zu sehen gewesen sind, unverbrauchte Gesichter also zwischen 25 und 40, die der Regisseur mit viel Fingerspitzengefühl für seine Rollen besetzt hat. Nicht alle sind freilich Unbekannte, einige spielen an bedeutenden deutschsprachigen Bühnen oder eben auch in Filmen, wie Matthias Bundschuh, Katharina Schubert, Sebastian Weber oder Tanja Schleiff, aber sie sind frisch genug, um in einer Ensemblearbeit nicht in den Mittelpunkt zu rücken. Eine bewusst breit gefächerte Palette von Typen stellen sie dar, aber man gewinnt nicht das Gefühl, die entsprechenden Klischees würden über das erträgliche und erforderliche Komödienmaß hinaus bedient. Da gibt es den selbstzufriedenen Schönling, der sich als Designerstück bezeichnet und sein Gegenüber als Schnäppchen, dann den Workaholic, der eine Fragenliste mitgebracht hat, in der es auch um Allergien geht, oder das frustrierte Scheidungsopfer, dessen Leidenschaft deutlich sichtbar das Kochen ist. Dann sind da die traurige Krankenschwester, die Schönheit, der ihre Attraktivität zur Last geworden ist, oder auch die Emanze. In den zwangsweise kurzen Dialogen kommt man schnell zur Sache. Trifft der Öko-Fanatiker auf eine Autofahrerin, scheint das Spiel schon gelaufen zu sein. Aber Westhoff gibt sich mit den ersten Eindrücken, auf denen ja dieses Such-Spiel basiert, nicht zufrieden. Hinter den Fassaden von Bockigkeit, Redseligkeit oder Arroganz lauern durchweg komplexere Charaktere, Bedürfnisse, Defizite. Diese anzusprechen, in dann doch recht kurzen und kurzweiligen neunzig Minuten, gelingt dem Film mit spielerischer Eleganz und viel Witz. Hierzu dient vor allem der zweite Teil des Films, denn zum Minidialog gehört auch ein Nachschlag: Die Männer und Frauen können ankreuzen, mit wem sie sich wieder treffen möchten. Schon bei diesen Wiedersehen gibt es einige Überraschungen, denn Intuition und Chemie, die der Film klug andeutet, spielen dann doch eine größere Rolle als die gesprochenen Worte.
Westhoff hat zugehört, zweifellos, er hat den Menschen beim Leben zugeschaut und sich nicht bloß welche ausgedacht wie so viele seiner Kollegen in der Filmautorenzunft. Dabei hat er seine Schauspielprofis fast nicht improvisieren lassen, weil, wie er sagt, das Tempo dabei oft nicht stimmt. Filmisch wirkt „Shopping“ nicht gerade zukunftsweisend, auch wenn nebenbei ein paar nette Ecken von München zu sehen sind, aber der Film überragt die meisten aktuellen deutschen Produktionen, auch die im Fernsehen, gerade in dem, was dort so oft kläglich scheitert: im sensiblen Entwickeln von Charakteren und im respektvollen Umgang mit den Schauspielern.
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