Mein Vater und mein Sohn

Komödie | Türkei 2005 | 117 Minuten

Regie: Çagan Irmak

Ein Journalist, der durch den Putsch des türkischen Militärs 1980 seine Frau verlor und durch Folterhaft schwer erkrankt ist, bringt seinen siebenjährigen Sohn in sein Heimatdorf zurück, wo er auf seine chaotisch-groteske Verwandtschaft trifft, aber auch auf seinen Vater, der immer noch einen Groll gegen ihn hegt. Erst am Krankenbett des Sohns kommt es zur Aussöhnung. Mischung aus Melodram und Komödie, die die politische Entwicklung in der Türkei der 1980er-Jahre als Hintergrund einer Familiengeschichte nutzt, die der Toleranz und dem Verzeihen gewidmet ist. Ein diskussionswerter Film, auch wenn Albernheiten und grob gezeichnete Personen zunächst vom Thema ablenken. (O.m.d.U.) - Ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
BABAM VE OGLUM
Produktionsland
Türkei
Produktionsjahr
2005
Produktionsfirma
Avsar Yapim
Regie
Çagan Irmak
Buch
Çagan Irmak
Musik
Evanthia Reboutsika
Darsteller
Çetin Tekindor (Hüseyin) · Fikret Kuskan · Hümeyra (Großmutter) · Serif Sezer (Teyze) · Yetkin Dikinciler (Salim)
Länge
117 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 6; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Komödie | Melodram
Externe Links
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Diskussion
Eine „kulturelle Brücke zwischen Europa und der Türkei“ will der Maxximum-Verleih bauen. Mit dem antiamerikanischen Actionfilm „Tal der Wölfe – Irak“ (fd 37 504) provozierte die Firma jüngst jedoch das pure Gegenteil; mit „Mein Vater und mein Sohn“ kommt nun aber wieder ein Film in die Kinos, die sehr viel geeigneter ist, eine kulturelle Annäherung zu befördern. Die Handlung setzt am Vorabend des Militärputschs von 1980 ein. Der Sturz der türkischen Regierung spielt zunächst nur insofern eine Rolle, als der damit verbundene Ausnahmezustand auf den Straßen Istanbuls zum Tod von Sadiks Frau führt. Sie verblutet bei der Geburt ihres Sohnes Deniz, den sie ohne medizinische Unterstützung zur Welt bringen muss. Sieben Jahre später beschließt Sadik, den Jungen zu seinen Eltern aufs Land zu fahren. Sadik wurde einst von seinem Vater verstoßen, weil er sich während des Studiums politisch engagierte. Das Militärregime warf den kritischen Journalisten ins Gefängnis und misshandelte ihn schwer. Nun kehrt er todkrank in sein Heimatdorf und auf den elterlichen Gutshof zurück, um Deniz dem Schoß der Familie anzuvertrauen. Die Freude ist groß unter der ziemlich durchgeknallten Verwandtschaft, als der verlorene Sohn endlich heimkehrt. Sadiks schrille Mutter Nuran, sein tumber Bruder Salim oder seine kratzbürstige Tante Gülbeyaz sind vor lauter Begeisterung vollkommen aus dem Häuschen, was sich bei der weiblichen Verwandtschaft in durchdringendem Dauergerede niederschlägt. Einzig Vater Hüseyin schmollt noch immer. Den wahren Grund seines Kommens verschweigt Sadik, um seine Familie zu schonen. Der fantasiebegabte Knabe gewöhnt sich indes schnell an das aufregende Leben inmitten einer Großfamilie und erobert alle Herzen im Sturm, einschließlich das des ruppigen Großvaters. Sadik geht der alte Hüseyin weiterhin aus dem Weg. Der verstockte Patriarch hat erst ein Einsehen, als Sadik zusammenbricht. Endlich hält die Familie zusammen und bangt gemeinsam um Sadiks Leben. In der Türkei hat „Mein Vater und mein Sohn“ bereits dreieinhalb Millionen Besucher in die Kinos gelockt, womit der Film zu den großen nationalen Erfolgen der letzten Jahre zählt. Außerhalb der Landesgrenzen haben es türkische Kassenschlager aber schwer, ein Publikum zu finden, da ihre grob gezeichneten „Typen“, derben Scherze und sentimentalen Elemente häufig als albern, kitschig und überzogen empfunden werden. Doch obwohl dies auch für „Mein Vater und mein Sohn“ zutrifft, verfügt die Mischung aus Melodram und Komödie über ein Potenzial, das auch westeuropäische Zuschauer anspricht. Denn bei aller sentimentalen Überdrehtheit erzählt Drehbuchautor und Regisseur Cagan Irmak die anrührende Geschichte mit Ernsthaftigkeit und einem starken Gespür für wahrhaftige Situationen und Gefühlszustände. Das dunkle Kapitel des brutalen Militärregimes wird nicht ausgespart, wenngleich es in diesem sommerlichen Familiendrama nur am Rande um die Auswirkungen der Politik auf die familiären Strukturen geht. Im Vordergrund stehen zwei Konflikte, die sich jeweils zwischen Vater und Sohn abspielen: Während Hüseyin und Sadik lernen müssen, sich gegenseitig zu tolerieren und zu verzeihen, haben sich Sadik und Deniz dem schmerzhaften Prozess der Abnabelung zu stellen. Die durchaus tränenselige Familiengeschichte ist dabei von gelegentlichen Ausflügen ins Fantastische durchsetzt, wenn Deniz in seinen Tagträumen Indianern, bösen Hexen oder berittenen Helden begegnet. Diese Einsprengsel sehen manchmal deutlich nach Fasching oder billiger Computeranimation aus, können jedoch das Vergnügen an der ansonsten sorgfältigen Ausstattung und den „sonnenstichig“ überbelichteten Bildern ausgedörrter Felder und weiß getünchter Häuser kaum schmälern. Den sommerlich trägen Landschaften steht kontrapunktisch ein starkes Aufgebot überkandidelter, wild grimassierender oder hysterisch plappernder Figuren entgegen, das manche Nebenrolle zur Karikatur geraten lässt. Die zentralen Figuren aber überzeugen durch glaubwürdiges Schauspiel. Eine schöne Hommage an das Medium Film und zugleich eine Metapher für das Erwachsenwerden liefert die überraschende Schlusswendung, die auf dem Höhepunkt des Schmerzes das Filmemachen als Rettung propagiert: Deniz bekommt eine kleine Kamera geschenkt, um damit seine Träume „wirklich werden zu lassen“, aber vor allem, um zu lernen, in seinem Leben selbst die Regie zu führen.
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