King Kong (2005)

Abenteuer | Neuseeland/USA 2005 | 187 Minuten

Regie: Peter Jackson

Spektakuläres Remake des Fantasy-Filmklassikers "King Kong und die weiße Frau" aus dem Jahr 1933, das sich eng an die alte Drehbuchvorlage hält. Zwar werden eindrucksvoll die neuesten tricktechnischen Möglichkeiten genutzt, zugleich aber fühlt sich der Film ganz dem Charme der Vorlage verpflichtet. Dadurch wird zwar der eigene kreative Spielraum eingeengt, der Kern der Fabel von der tabuisierten Liebe einer schönen Frau zu einem Untier aber um so pointierter hervorgehoben. - Sehenswert ab 14.
Zur Filmkritik

Filmdaten

Originaltitel
KING KONG
Produktionsland
Neuseeland/USA
Produktionsjahr
2005
Produktionsfirma
Big Primate Pic./Universal Pic./Wingnut Films
Regie
Peter Jackson
Buch
Peter Jackson · Fran Walsh · Philippa Boyens
Kamera
Andrew Lesnie
Musik
James Newton Howard
Schnitt
Jamie Selkirk
Darsteller
Naomi Watts (Ann Darrow) · Jack Black (Carl Denham) · Adrien Brody (Jack Driscoll) · Andy Serkis (King Kong / Koch) · Jamie Bell (Jimmy)
Länge
187 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Abenteuer | Fantasy
Externe Links
IMDb | TMDB | JustWatch

Heimkino

Verleih DVD
Universal (1:2.35/16:9/Dolby Digital 5.1)
DVD kaufen

Diskussion
Ein amerikanisches Sprichwort besagt: „Don’t fix it if it ain’t broke“, was in Bezug auf „King Kong“ so viel bedeutet, dass man an einem erfolgreichen Filmscript nicht unnötig herumdoktern sollte. Diesen Vorsatz macht sich „Herr der Ringe“-Regisseur Peter Jackson in seinem Remake zueigen. Er gestaltet die Szenen des Originaldrehbuchs von Merian C. Cooper und Edgar Wallace aus dem Jahr 1933 („King Kong und die weiße Frau“, fd 1760) behutsam aus, intensiviert deren emotionalen Gehalt und bringt die Bildregie auf den neuesten Stand der Technik. Dass die Geschichte um den Riesenprimaten und sein tragisches Ende über den Wolkenkratzern von New York allseits bekannt ist, muss kein Hindernis für einen filmischen Triumph sein, wie das Beispiel „Titanic“ (fd 32 921) belegt. Bei einem detailgetreuen Remake richtet sich der ästhetische Genuss vor allem auf den audiovisuellen Erzählstil und den Grad der emotionalen Manipulation. In beiden Kategorien hat sich Jackson mit der „Herr der Ringe“-Trilogie als Meister seines Fachs empfohlen. Im Gegensatz zu John Guillermins „King Kong“-Verfilmung aus dem Jahr 1976 (fd 20 082) verzichtet Jackson auf eine Aktualisierung der Story. Das New York der frühen 1930er-Jahre in Zeiten der wirtschaftlichen Depression und des tristen Alltags großstädtischer Vereinsamung, Verarmung und Arbeitslosigkeit dient als Projektionsfläche der fantastischen Konfrontation zwischen Mensch und Urtier. Nebenbei fungiert die im Film thematisierte Suche eines besessenen Filmemachers nach dem kommerziell verwertbaren „achten Weltwunder“ als gelungene Metapher für das Flehen der krisengeschüttelten Kinobranche nach einem globalen Blockbuster. Die Exposition im Theaterviertel New Yorks und die anschließende Expedition zum mysteriösen Skull Island tragen deutliche Züge des Erzählstils eines Jules Verne. Entsprechend eindimensional ist der Blick auf das kulturelle Andere. Die dramatische Begegnung mit den Eingeborenen der Insel rekapituliert gewissermaßen die Landnahme Amerikas durch Kolumbus. Es treffen zwei unterschiedliche, von Stereotypen überzeichnete Kulturen aufeinander: die zivilisierte Welt mit ihrem Drang nach ökonomischer Ausbeutung prallt auf ein von fremdartigen Kreaturen umgebenes Naturvolk. Keine Spur von jenen „edlen Wilden“, die einst Jean-Jacques Rousseau zum Idealbild für die Aufklärung stilisierte. Barbarische Rituale, hässliche Deformationen, Extrem-Piercing und übersteigerte Ehrfurcht vor Naturgewalten prägen das kulturelle Andere. Die brutale Gefangenname der „weißen Frau“ durch „schwarze Barbaren“ könnte drastischer und rassistischer kaum in Szene gesetzt werden. Das beeindruckende Set-Design mit der gigantischen Mauer zwischen zerklüfteter Küste und prähistorischem Urwald ist eine Reverenz an die Abenteuerwelten des späten 19. Jahrhunderts, auf die bereits das Drehbuch aus dem Jahr 1933 rekurrierte. Jackson geht auf Tuchfühlung mit diesem legendären Manuskript. Damit nimmt er sich allerdings auch kreativen Spielraum, um in der Erzähldramaturgie neue Akzente zu setzen. So präsentiert sich „King Kong“ durchaus selbstbewusst altmodisch. Die ausgiebigen Kämpfe zwischen den Urzeitgiganten markierten seinerzeit dank der bahnbrechenden Stop-Motion-Animationstechnik von Willis H. O’Brien visuelle Höhepunkte. Sieben Dekaden später verpufft dieser Sensationseffekt; denn „Jurassic Park“ (fd 30 396) mit den Fortsetzungen „Vergessene Welt: Jurassic Park“ (fd 32 664) und „Jurassic Park III“ (fd 34 981) waren schließlich nichts anderes als verkappte Remakes von „King Kong“, die mit Hilfe der digitalen Bildmanipulation Jacksons Vision vorwegnahmen. Das Original verkündete nach 100 Minuten das Ende seiner Geschichte. Doch erst zu diesem Zeitpunkt gelingt es dem Wunderkind aus Neuseeland, seinem Stoff neue Qualitäten von emotional überwältigender Kraft abzugewinnen. Es handelt sich dabei um eine Szene, die bezeichnenderweise 1933 aus der Rohfassung entfernt wurde. Auf der Suche nach der von Kong gewaltsam verschleppten Frau gerät die Film- und Schiffscrew in eine Felsenschlucht, wo sie des Nachts von allerlei Fleisch fressendem Ungeziefer heimgesucht wird. Es entbrennt ein Gemetzel, das fast gänzlich ohne die grundsätzlich belanglose Bombast-Musik James Newton Howards auskommt. In der trügerischen Ruhe vor dem Sturm, angedeutet nur durch ein unheimliches Klangweben, verbindet Jackson Urängste wie die Furcht vor Dunkelheit und Monstern. Schließlich bricht die animalische Urgewalt wie das Jüngste Gericht über die Eindringlinge in die „verlorene Welt“ herein. Selten wurden apokalyptische Wahnfantasien, die an Hieronymus Bosch und Pieter Brueghel gemahnen, so eindringlich auf der Leinwand ausgebreitet. Ein Meilenstein der Animation bildet die Mimik des Gorillas. Sie beschränkt sich nicht nur auf verschiedene Stadien von Aggression, Wut und Hass, sondern oszilliert nuanciert zwischen Sanftmut und Gelassenheit. In den Close-ups des Urzeitaffen entlarvt Jackson seinen animalischen Protagonisten als Chauvinisten mit ausgeprägtem Machismo. Kong schafft sich zunächst mit wildem Brustgetrommel und Kämpfen mit Rivalen Respekt. Das eitle Imponiergehabe gegenüber der „weißen Frau“ schlägt schon bald in sensible Verletzlichkeit um. Hinter dem rohen Machtgehabe steckt in Wahrheit ein schöngeistiger Genießer, der sich der Erhabenheit eines Sonnenuntergangs zu öffnen vermag. Kurz vor dem Showdown findet Jackson Zeit für einen weiteren poetisch dichten Moment. Vor der nächtlich erleuchteten Skyline New Yorks erhalten Schreckgestalt und Schönheit einen Vorgeschmack auf das Paradies. Im Central Park entdeckt Kong die Freuden des ihm fremden Winters. Sitzend dreht er sich mit seiner Liebsten auf der eisigen Seeoberfläche im Kreis, während die Kamera liebestrunken diese zyklische Bewegung aufnimmt – ein Klischee, das durch die ungewöhnliche Konstellation des Paars eine seltsame Magie erhält: Unschuldige Verspieltheit, kindliche Unbekümmertheit und gesellschaftliche Tabus überwindende Zuneigung finden für einen Augenblick zusammen. Mit der Gewissheit, dass der grenzenlose Zorn der moralisch gedemütigten Zivilisation in kurzer Zeit die beiden aus dem Paradies vertreiben wird, entsteht ein Schweben, das den Himmel in greifbare Nähe zu rücken scheint: Hollywood-Kitsch vom Feinsten also. Danach nimmt die Tragödie ihren bekannten Lauf. Kong besteigt das New Yorker Phallussymbol par excellence. Es entbrennt der ungleiche Kampf zwischen Tier und Technik, um schließlich auf der märchenhaften Schlussnote zu enden: nicht das Militär, sondern die Schönheit einer Frau habe das tragische Schicksal der Bestie besiegelt. Jacksons stilistisch grandioses Remake verinnerlicht die ästhetischen und philosophischen Weichenstellungen von Merian C. Coopers und Ernest B. Schoedsacks Original bis ins letzte Detail. Sein „King Kong“ wirft daher keine neuen Fragen auf, belegt aber die ungemeine Modernität des Klassikers. Denn dort sind bereits alle dramatischen Elemente angelegt: die tabuisierte Liebe einer jungen Schönheit zu einem prähistorischen Untier, die Sucht des Filmemachers nach Sensationen um jeden Preis, die Rückkoppelung einer vermeintlichen Hochzivilisation mit dem „primitiven“ Gebaren von Naturvölkern, die Konfrontation zwischen dem Mensch und dessen animalischem Spiegelbild, der moralisch enthemmte Konsumrausch urbanen Lebens und die inhärente Grausamkeit der Doktrin, sich die Erde Untertan zu machen. So lenkt das Remake die Aufmerksamkeit vor allem auf die zeitlose Schönheit des Originals, das trotz technischer Begrenzungen nichts von seiner Ausstrahlungskraft verloren hat.
Kommentar verfassen

Kommentieren