Es sind die Jahre der großen amerikanischen Depression, und auch für Frauen mit Vergangenheit brechen härtere Zeiten an. Nachdem man ihr den letzten Kredit gekündigt hat, verlässt Mrs. Erlynne, eine Lebedame auf Kosten reicher Herren, ihre Heimat und schifft sich nach Europa ein. An der italienischen Riviera trifft sie auf eine bessere Gesellschaft, wie sie wohl nur in der alten Welt existieren konnte und auch dort nur in der dramatischen Fantasie von Oscar Wilde. Der epigrammatische Witz triumphiert hier noch über jeden Anflug einer sozialen Realität, und eine gescheite Replik, gepaart mit einer gewissen Noblesse im Auftritt, vermag einem jede Tür zu öffnen. Auf diese Weise navigiert sich die Zugereiste binnen kurzer Zeit in die Mitte der vorwiegend welken Sommerfrischler, wobei ihr Augenmerk scheinbar Robert Windermere, einem Landsmann und vermögenden Flitterwöchler gilt. Tatsächlich dreht sich die Handlung jedoch um dessen bezaubernde junge Frau und ein von Mrs. Erlynne wohl gehütetes Geheimnis.
Einen seltsamen Titel hat Howard Himelstein seiner Adaption von Oscar Wildes „Lady Windermere‘s Fan“ gegeben: „A Good Woman“ heißt der Film im englischen Original, der deutsche Verleih hat noch die Zeit- und Ortsbestimmung „Ein Sommer in Amalfi“ hinzugefügt. Warum Himelstein seiner Mrs. Erlynne die charakterliche Unbedenklichkeitserklärung bereits im Vorfeld ausstellt, bleibt einigermaßen rätselhaft. Schließlich hat Wilde seine Figur nicht nur mit einer moralischen Zwielichtigkeit von damals seltener Modernität ausgestattet, sondern auch mit genug Witz und Intelligenz, um es spielend mit jedem kleinkarierten Gegenüber aufzunehmen. So jemand kann im Wildeschen Wertekosmos nicht wirklich tief gesunken sein, und tatsächlich entpuppt sich die Eigendynamik des Verdachts als die eigentliche Bedrohung in dieser im Grunde vorwiegend melancholischen Komödie. Aller Fabulierlust zum Trotz befindet man sich in einer Welt, welche den guten Ruf einer Frau immer noch als ihr vornehmstes gesellschaftliches Kapital betrachtet.
Mit seinem umjubelten Theaterdebüt gelang es Oscar Wilde zu seiner Zeit, der Komödientradition des „well made plays“ neues Leben einzuhauchen. Leider kehrt Howard Himelstein diese Entwicklung wieder um. Selten wirkte Wildes Pointendrechselei so altmodisch wie in „Good Woman – Ein Sommer in Amalfi“, und das, obwohl Himelstein die Handlung der Gegenwart um einige Jahrzehnte angenähert hat. Doch gerade die Verlegung des Stücks in die 1930er-Jahre mitsamt seines angedeuteten „clash of civilizations“ macht das Fehlen einer inszenatorischen Idee nur noch schmerzlicher bewusst. Wenn Himelstein zeigen wollte, wie amerikanischer Individualismus auf europäische Traditionen trifft, hätte er besser gleich Henry James verfilmt; wenn ihn das Drama seiner feministischen Untertöne wegen interessierte, merkt man es dem fertigen Film nicht an. Vermutlich ist die Wahrheit sehr viel schlichter: Himelstein hat an Wildes Sprachkunst dasselbe fasziniert wie an der pittoresken Naturkulisse des faschistischen Italiens: das rein Dekorative. Dabei wäre die historische Dimension dieses betulichen Ausstattungsstücks nun wahrlich ein lohnendes Sujet gewesen: der Untergang des alten Europa und seine Auferstehung aus dem Geist des amerikanischen „pursuit of happiness“. Die politische Blindheit der Gesellschaft von Amalfi ist vor allem die ihres Regisseurs.