Einem neunjährigen Jungen, der eine intensive Beziehung zu einer Reihe von Heiligen unterhält, fällt aus heiterem Himmel eine Tasche voller Pfundnoten in den Schoß. Er beschließt, damit Gutes zu tun, was sich jedoch als gar nicht so leicht erweist, zumal sich auch der angebliche Eigentümer des Geldes meldet. Überzeugender Familienfilm mit satirischen Einlagen, der die humorvolle Geschichte vom Fluch des Reichtums und der Kraft von Glaube und Fantasie in eindrückliche Bilder verpackt.
- Sehenswert ab 12.
Millions
Familienfilm | Großbritannien 2004 | 99 Minuten
Regie: Danny Boyle
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Filmdaten
- Originaltitel
- MILLIONS
- Produktionsland
- Großbritannien
- Produktionsjahr
- 2004
- Produktionsfirma
- Mission Pic./Pathé Pic./Ingenious Media/BBC Films/Inside Track 2/UK Film Council
- Regie
- Danny Boyle
- Buch
- Frank Cottrell Boyce
- Kamera
- Anthony Dod Mantle
- Musik
- John Murphy
- Schnitt
- Chris Gill
- Darsteller
- Alex Etel (Damian) · Lewis Owen McGibbon (Anthony) · James Nesbitt (Ronnie) · Daisy Donovan (Dorothy) · Christopher Fulford (armer Mann)
- Länge
- 99 Minuten
- Kinostart
- -
- Fsk
- ab 6; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Sehenswert ab 12.
- Genre
- Familienfilm | Komödie
- Externe Links
- IMDb | TMDB | JustWatch
Heimkino
Diskussion
Jeder hat seine eigenen Helden: Vorbilder, die das verkörpern, was man bewundert und denen man nacheifert. Für die meisten Kinder einer Grundschulklasse in einer britischen Kleinstadt sind das die Spieler von Manchester United oder eines anderen Clubs. Der kleine Damian bevorzugt allerdings etwas ausgefallenere Idole. Beispielsweise den heiligen Rochus, der so viel Angst hatte, etwas Schlechtes zu sagen, dass er jahrelang überhaupt nicht sprach, oder die heilige Katharina von Alexandria, eine frühe Märtyrerin, bei deren Folterung das Rad, auf das man sie geflochten hatte, explodierte, wodurch alle ihre Peiniger getötet wurden. Solche (nicht gerade kirchenkonformen) Heiligenlegenden sind Damian so geläufig wie anderen Kindern Harry Potter; außerdem verkehrt er mit den von ihm verehrten Gestalten auf Du und Du. Der heilige Nikolaus, die heilige Clara oder die Märtyrer von Uganda stehen ihm jederzeit mit guten Ratschlägen zur Seite – nur eine heilige Maureen kennt leider keiner von ihnen. Maureen war Damians Mutter; sie ist tot und hat ihn, seinen älteren Bruder Anthony und seinen Vater allein zurückgelassen. Dieser ist mit den Jungen aus der alten Wohnung in ein neues Haus in einem properen Vorort umgezogen; für Trauer bleibt ihm neben dem Job und der Sorge um seine nicht immer braven Söhne offensichtlich nur wenig Zeit. Er und seine Kinder und auch die Brüder untereinander kommen zwar prächtig miteinander aus; jedoch lebt jeder in seiner eigenen Welt. Anthony gibt sich betont cool und versucht, das Leben, so gut es geht, auf nüchterne wirtschaftliche Zusammenhänge zu reduzieren. Damian dagegen findet Halt in seiner von der katholischen Ikonografie inspirierten naiven Fantasiewelt. Als ihm buchstäblich aus dem Himmel eine Tasche voller Pfundnoten in den Schoß fällt, will Damian seinen Vorbildern nacheifern und damit Gutes tun; sein Bruder, den er in den Fund einweiht, insistiert jedoch auf „sinnvolleren“ Investitionen. Beiden bleibt allerdings nicht viel Zeit für Streitereien, um ihre divergierenden Pläne umzusetzen, denn auch auf der Insel soll bald darauf der Euro eingeführt werden. Außerdem meldet sich auch der Eigentümer des Geldes und setzt Damian unter Druck.
Regisseur Danny Boyle lässt sich in „Millions“ ganz auf die Perspektive des kleinen Jungen mit den seltsamen Heiligenvisionen ein. Der Zynismus und schwarze Humor, den vor allem Boyles frühe Werke wie „Kleine Morde unter Freunden“ (fd 31467 ) oder „Trainspotting“ (fd 32 052) aufwiesen, fehlen hier ebenso wie die endzeitliche Düsternis seines letzten Films „28 Days Later“ (fd 35 987); selbst die mitunter drastischen Gewaltdarstellungen seiner Filme bleiben aus. „Millions“ ist ein Familienfilm, eigentlich ein typischer „Weihnachtsfilm“, der nicht nur sein Finale in die Weihnachtszeit verlagert, sondern auch entsprechende Werte wie Glaube, Nächstenliebe und Barmherzigkeit thematisiert und seiner gebeutelten Kleinfamilie zu einem harmonischen Happy End und außerdem zu einer neuen Mutter verhilft. Bei aller adventlicher Gutartigkeit gelingt dies allerdings auf sehr charmante Art und Weise, was primär ein Verdienst des Drehbuchautors Frank Cottrell Boyce ist, der aus dem anrührenden Familienfilm zugleich eine witzige Satire aufs Verhältnis der „Middle Class“ zum lieben Geld macht. Zudem profitiert der Film von Boyles Fähigkeit, poetisch-skurrile Bilder zu entwerfen, die die Wirklichkeitswahrnehmung des kleinen Helden wiedergeben. So erscheint die Lebenswelt des Jungen als bilderbuchbuntes „Suburbia“; die Heiligen, mit denen der Junge verkehrt, treten in traditioneller Montur wie aus kitschigen Heiligenbildern auf, was die heilige Clara jedoch nicht daran hindert, sich erst mal eine Zigarette anzuzünden; und der schmierige Kleinganove, der von Damian die Geldtasche zurückhaben will, wirkt furchterregend wie Darth Vader. Nicht zuletzt gewinnt „Millions“ auch durch die sorgfältige und humoristische Zeichnung von an sich unwichtigen Nebenfiguren, etwa die eines aufdringlichen Polizisten oder jene „frommer“ Mormonen, die Damians Geldspenden in Mikrowellengeräte investieren. Als glücklich erweist sich auch die Besetzung des neunjährigen Alex Etel, der den kleinen Heilssucher ohne Altklugheit oder aufdringliche Sanftmut verkörpert. Durch den Countdown bis zur Euro-Umstellung und den Kleinganoven als unheimlichen Gegner gewinnt die sorgfältig konstruierte Geschichte um die beiden ungleichen Brüder und ihren gestressten Vater an Spannung und Tempo. Ein leichthändig und humorvoll erzählter und in eindrückliche Bilder umgesetzter Familienfilm über die Lockungen und den Fluch des Geldes und um die Kraft von Glauben und Fantasie.
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