Mondovino - Die Welt des Weins
Dokumentarfilm | USA/Frankreich/Argentinien 2004 | 135 Minuten
Regie: Jonathan Nossiter
Filmdaten
- Originaltitel
- MONDOVINO
- Produktionsland
- USA/Frankreich/Argentinien
- Produktionsjahr
- 2004
- Produktionsfirma
- Goatwork Films/Les Films de la Croisade/Diaphana Films/Ricardo Preve Films
- Regie
- Jonathan Nossiter
- Buch
- Jonathan Nossiter
- Kamera
- Jonathan Nossiter
- Schnitt
- Jonathan Nossiter
- Länge
- 135 Minuten
- Kinostart
- -
- Fsk
- ab 0; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Sehenswert ab 14.
- Genre
- Dokumentarfilm
- Externe Links
- IMDb | TMDB
Heimkino
Hubert de Montille und Robert Mondavi sind nur zwei von mehr als 30 Antipoden, die Jonathan Nossiter auf seiner (in jeder Hinsicht) ausgedehnten Abenteuerreise durch die Welt des Weins zu Wort kommen lässt. Dabei geht es zwar sehr explizit, über weite Strecken aber doch nur vordergründig um edlen Rebensaft. Vielmehr gestaltet sich der Disput zwischen alter und neuer Welt, Tradition und Moderne fast schon als eine Art Kultur- und Glaubenskrieg, wobei die Risse nahezu durch alle Weinbaugebiete der Welt verlaufen und selbst vor alteingesessenen Familien nicht halt machen. So macht de Montilles Sohn Etienne keinen Hehl daraus, was er von den poetischen Betrachtungen seines Vaters hält. Für ihn ist Weinanbau in erster Linie ein Geschäft und harte Arbeit. Es sind nicht zuletzt diese kleinen, eher privaten Geschichten am Rande, die für den Unterhaltungswert der Dokumentation sorgen. Dabei gelingt es dem Filmemacher (und als Ex-Sommelier ausgewiesenen Kenner der Materie) auch, die Global-Players der Branche durchaus lebendig zu zeichnen. So etwa den Star-Önologen Michel Rolland, der sich von seinem Chauffeur in der Luxuslimousine von einem Weingut zum anderen kutschieren lässt, sich jovial gibt und die eigenen Sätze gern mit einem ansteckenden Lachen kommentiert. Dabei ist der weltweit agierende Rolland, selbst aus dem Burgund, für viele Winzer der Retter aus wirtschaftlicher Not, für andere so etwas wie der Totengräber des traditionellen Weinbaus. Mit Verfahren wie der Mikro-Oxydation beschleunigt Rolland den Reifungsprozess der Weine, verhilft ihnen zu einem „runderen“ Geschmack und macht die Winzer ein Stück unabhängiger von den Launen der Natur. Das Ergebnis sind jene „easy-drinking-wines“ mit Vanille-Aromen, wie sie vor allem in den USA und Japan geschätzt werden – und nicht zuletzt von Robert Parker, der natürlich nicht fehlen darf. Schließlich ist der Amerikaner nicht nur der mächtigste Weinkritiker der Welt, sondern auch ein guter Freund von Michel Rolland. Und es soll Fälle geben, in denen ein edler Tropfen von Parker vergleichsweise schlecht beurteilt wurde, der Winzer dann Rolland zu Hilfe holte und der nächste Jahrgang vom amerikanischen Weinpapst prompt mit Bestnoten gewürdigt wurde.
Jonathan Nossiter verkneift sich dazu eine explizite Stellungnahme, wie sein Film überhaupt ohne jeden Off-Kommentar auskommt. Ganz auf die schlichte Dramaturgie von Spieler und Gegenspieler vertrauend, lässt er seine Akteure ihre Sicht der Dinge darlegen. Dennoch ist klar, dass die Sympathien des Filmemachers den Winzern vom alten Schlag gehören, wobei man ihm bereitwillig folgt: weil man beim Kampf Groß gegen Klein meist zu den Davids hält; weil die einen vorwiegend als gewiefte Manager in Erscheinung treten, während die anderen zwischen ihren knorrigen Rebstöcken stehen und so reden, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist. Typen wie Aimé Guibert, Winzer aus dem Languedoc, der mit einem kommunistischen Bürgermeister den Versuch der Mondavis vereitelt hat, sich im großen Stil in den regionalen Weinbau einzukaufen, weshalb ihn Rolland als verschrobenen Hinterwäldler tituliert. Der US-Konzern konzentrierte seine europäischen Aktivitäten danach auf die Toskana und schürte dort die Rivalitäten zwischen zwei Wein-Dynastien.
All diese Geschichten und Scharmützel lässt Nossiter seine Figuren so anschaulich wie unterhaltsam schildern. Dennoch ist seine „Tour de Vin“ im Zeitalter der Globalisierung, die auch nach Sardinien, Argentinien und Brasilien führt, nicht der pure Genuss, was vornehmlich damit zu tun hat, dass Nossiter als sein eigener Kameramann offenbar selten ein Stativ dabei hatte. So erscheinen seine Protagonisten vor gnadenlos wackeliger Handkamera, und unmotiviert überrissene Schwenks legen bisweilen den Verdacht nahe, dass da vor dem Dreh ordentlich gebechert wurde. Letztlich freilich ist das Material so stark, dass es selbst durch die fragwürdige Ästhetik kaum an Brisanz und Unterhaltungswert verliert. Am Ende hat man fernab eines snobistischen Duftnoten-Gefasels unendlich viel über Wein erfahren. Nur die Frage, warum jeder Winzer (mindestens) einen Hund an seiner Seite hat, bleibt offen.