5 x 2 - Fünf mal zwei

Drama | Frankreich 2004 | 91 Minuten

Regie: François Ozon

In seinem Ehedrama will sich François Ozon nicht damit abfinden, dass die Trauer über eine erloschene Liebe überwiegt. So dreht er den Lauf der Zeit um und erzählt vom Ende zurück bis zum Anfang: In fünf Episoden läuft die Geschichte des Paares rückwärts ab, vom Schmerz und von der Trauer nach der Scheidung, dem von unausgesprochenen Enttäuschungen geprägten Ehealltag, der Geburt des Kindes, der Heirat bis zum ersten Verliebtsein. Eine subtile Reflexion über Missverständnisse und Unsicherheit der Einsamkeit zu zweit und die Zerbrechlichkeit der Gefühle bis zu Momenten starker Sehnsucht und Zärtlichkeit, Hingabe und Lust, detailreich inszeniert, hervorragend gespielt. - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
5 x 2 CINC FOIS DEUX
Produktionsland
Frankreich
Produktionsjahr
2004
Produktionsfirma
Fidélité Productions
Regie
François Ozon
Buch
François Ozon · Emmanuèle Bernheim
Kamera
Yorick Le Saux
Musik
Philippe Rombi
Schnitt
Monica Coleman
Darsteller
Valeria Bruni-Tedeschi (Marion) · Stéphane Freiss (Gilles) · Géraldine Pailhas (Valérie) · Françoise Fabian (Monique) · Michael Lonsdale (Bernard)
Länge
91 Minuten
Kinostart
21.10.2004
Fsk
ab 16; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Drama | Liebesfilm
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
Paramount (16:9, 1.85:1, DD2.0 frz./dt.)
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Diskussion
Der Anfang ist das Ende: der brutale Akt einer (körperlichen) Liebe, die zunächst erkauft zu sein scheint, dann vom Mann gewaltsam erzwungen wird. Die Frau und der Mann, die sich nahezu sprachlos in einem schmucklos-anonymen Hotelzimmer einfinden, erscheinen einander fremd, doch dann fallen wenige Bemerkungen, die erkennen lassen, dass sie sich einmal gekannt haben – sehr gut sogar. Genau das macht sie jetzt noch mehr zu Fremden, die sich ungeschickt, nahezu schüchtern verhalten. Doch während die Frau vor dem Sex zurückschreckt, die Situation als unsinnig bezeichnet und sie abbrechen will, fordert er den Geschlechtsakt immer drängender, rücksichtsloser. Dass sie sich wehrt, schreit, weint und schließlich verstummt, scheint ihm gleichgültig zu sein. Nichts ist gewonnen, nichts ist verloren, es ist einfach zu Ende, konstatiert die enttäuschte, erniedrigte und missbrauchte Marion, bevor sie das Hotelzimmer verlässt. Dabei war es kein Fremder, mit dem sie zusammen war; die Erkenntnis, dass Marion und Gilles einmal miteinander verheiratet waren, drängt sich mehr indirekt durch die spärlichen Dialoge ins Bewusstsein, und man will es angesichts der würde- und gefühllosen Beischlafszene dieses Filmbeginns auch gar nicht richtig wahrhaben.

Nicht minder schockierend, zumindest aber gehörig irritierend ist das Erklingen einer unangemessen heiter-melancholischen Tango- Musik italienischer Provenienz, als Marion den Hotelflur entlang geht; als sie den Fahrstuhl erreicht, wird die Szene abgeblendet – und zum ersten von insgesamt fünf Mal reist man in der Zeit zurück zu einer früheren Epoche aus dem Leben von Marion und Gilles. Wie Häute einer Zwiebel schält François Ozon fortan die Episoden ab, um bis zu jenem Moment zurückzuschreiten, in dem für Marion und Gilles ihr gemeinsamer Weg begann. Zunächst sieht man sie als berufstätige junge Eltern, die am Abend, leicht gehetzt, den kleinen Sohn versorgen und sich auf Besuch vorbereiten. Gilles’ homosexueller Bruder kommt mit seinem Geliebten, man isst und plaudert, trinkt und tanzt – und unter der schönen Oberfläche gutbürgerlicher Saturiertheit werden bald Spannungen und Risse spürbar: versteckte Anspielungen, Spitzen und Provokationen; es kriselt hinter der Fassade, Marion und Gilles reden miteinander stets auch auf einer Metaebene, auf der sie still ihre Enttäuschung und Unzufriedenheit mit dem Partner artikulieren. Noch ist das Kind eine Fluchtburg, Haltepunkt einer Beziehung, die auseinanderdriftet. Ein weiterer Schlager und eine weitere Abblende führen zurück in die Zeit der Geburt des Kindes, als Marion im Krankenhaus, flankiert von ihren zankenden Eltern, vergeblich auf Gilles wartet; ein Gespräch der beiden erfolgt lediglich mittelbar übers Telefon. Ob da Angst, tiefe Unsicherheit oder schon das Wissen einer gescheiterten Beziehung in Gilles’ unaufrichtigem Verhalten mitschwingen? Wieder geht es zurück in der Zeit, zur Hochzeit, zu der gegenseitigen Verpflichtung zur Lebensgemeinschaft, der ausgelassenen Feier, der misslungenen Hochzeitsnacht: Gilles schläft ein, Marion gibt sich einem Fremden hin, um voller zärtlicher Liebesbekundungen zu Gilles zurückzukehren. Dann die letzte Etappe: nach Italien, wohin einen die Schlager-Musik schon die ganze Zeit führte, wo sich das Paar während eines Pauschalurlaubs verliebt. Bereits hier sprechen sie in doppeldeutigen Sinnbildern: „Gehen wir schwimmen?“ – und das trotz der gefährlichen Strömungen im scheinbar ruhigen Meerwasser. Lange bleibt die Kamera auf dem Paar, sucht das Happy End im Anfang, der so weit zurück liegt.

Die verkehrte Chronologie einer Liebe: Trennung, Schmerz und Leid, davor Ernüchterung und Frust, Enttäuschung und Einsamkeit, Betrug und Selbstbetrug. Wobei ganz zu Beginn, unter der Sonne Italiens, alles so einfach, problemlos und idyllisch erschien – die Liebe als abenteuerliches Spiel des Eroberns und Erobertwerdens, fernab von Verantwortung, Verbindlichkeit und der schweren Bürde eines ehrlichen Miteinanders auch im Alltag. Ozon entfaltet ein abgründiges Geflecht voller subtiler Details, Brüche und Irritationen, das sich bei weitem nicht im bloßen „Gag“ einer rückwärts erzählten Liebesbeziehung erschöpft; zahllose Anspielungen und Details lassen das Geflecht weit differenzierter und komplexer erscheinen, als es zunächst den Anschein hat. Nicht von ungefähr pendelt das Maß der Sympathierverteilung höchst raffiniert je nach erzählerischer Nuance: Marion mag überwiegend als still duldendes Opfer erscheinen, Gilles dagegen als „dumpfer“, Trieb gesteuerter Macho – wäre da nicht sein unerwartetes Aufschluchzen in der Hochzeitsnacht, wäre da nicht seine tiefe Verstörtheit angesichts der Geburt des gemeinsamen Kindes. Wann scheiterte die Beziehung denn nun wirklich, wann gab es wirklich glückliche Momente des Miteinanders? Alles ist in Frage gestellt, alles ist fließend und weit uneindeutiger als der erste Blick glauben lässt.

Ozons Diskurs über die (vermeintliche) Illusion der Liebe ist dabei stets auch eine Reflexion über das Kino: ein höchst sinnlicher Kommentar zum Wandel der filmischen Darstellung im französischen Beziehungsmelodram, das Ozon nachdenklich und pointiert von der Naturalistik „freizügiger“ Filme von Cathérine Breillat, Patrice Chéreau oder Virginie Wagon zurückführt über die Entlarvung bürgerlicher Fassaden bei Claude Chabrol bis zur melodramatisch-naiven Pop- Art Claude Lelouchs („Ein Mann und eine Frau“, fd 14 383), die einst viel Hoffnung auf die Zukunft ausstrahlte und bei aller Banalität doch dem ganz nahe kam, wonach man heute verzweifelt sucht: nach dem „Gefühl“ zwischen zwei Menschen. Dafür, dass Ozons Studie kein trockener Gedankenfluss ist, sondern ein anrührendes, bewegendes und berührendes Drama, sorgt neben der virtuos gehandhabten Detailverliebtheit des Regisseurs das höchst eindrückliche Spiel der Darsteller: atemberaubend versinnbildlichen Valéria Bruni-Tedeschi und Stéphane Freiss durch subtile äußere Veränderungen, aber auch durch Blicke und winzige Gesten den Wandel zweier Persönlichkeiten: ihr Altern ebenso wie ihre Desillusionierung angesichts der Erkenntnis, dass etwas von Beginn an fehlte: bedingungslose Aufrichtigkeit.

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