Als vor zwei Jahren „Die Bourne Identität“
(fd 35 603) in die Kinos kam, widersetzte sich der Stoff auffallend dem Zeitgeist. Während die öffentliche Debatte gerade vom Schreckensbild des terroristischen Schläfers dominiert war, bot der Film eine, wie es schien, völlig unzeitgemäße Variation desselben Motivs: Statt Geistesverwandte eines Mohammed Atta zu sein, machten die Schläfer des Films ausgerechnet als willenlose CIA-Killer Europa unsicher. Robert Ludlums Vorlage zu „Die Bourne Identität“ stammte aus den Zeiten des Kalten Krieges; in die Gegenwart übertragen, artikulierte sich in dem anachronistischen Szenario indes ein diffuses, spezifisch europäisches Unbehagen angesichts der neuen globalen Hegemonie der einzigen verbliebenen Supermacht. Ähnlich widersprüchliche Bezüge auf die aktuelle wie vergangene Weltlage lassen sich auch in dem Sequel ausmachen. Als Vorlage diente ein weiterer in der Zeit des späten Kalten Krieges angesiedelter Roman Ludlums, dessen Handlungsgerüst erneut großzügig der Gegenwart angepasst wurde. So ist der russische Ölmagnat, der den Plot vorantreibt, ganz offenkundig jenen berüchtigten „Oligarchen“ nachempfunden, die dieser Tage im Zentrum Moskauer Machtkämpfe stehen.
Protagonist Jason Bourne, der immer noch unter Amnesie leidet, nun aber immerhin weiß, dass er einst zum willenlosen CIA-Killer ausgebildet wurde, mischt sich wiederum, wenn er Verfolger abschütteln will, unter globalisierungskritische Demonstranten. Die protestieren auf dem Alexanderplatz gegen die Privatisierung von Bildung und schwenken eifrig attac-Fahnen. Gerade der zentrale Handlungsort Berlin erscheint aber wie in Spionagefilmen längst vergangener Jahre als triste Mauerstadt, die in novemberliches Grau-in-Grau gehüllt ist. Von einer Hommage an die für Ludlum typischen Schauplätze des Kalten Krieges spricht Produzent Frank Marshall: „Berlin ist die Stadt der Spione.“ Der Film lässt denn auch keinen Zweifel, dass die CIA vor Ort unvermindert aktiv ist. Gleich zu Beginn wird eine groß angelegte Aktion unter Leitung der Agentin Pamela Landy eingeleitet. Als ein russischer Bombenleger dazwischen funkt und den Verdacht auf den untergetauchten Bourne lenkt, ist das wiederum Grund für eine weitere, noch umfangreichere Operation: Nun geraten Bourne und seine mysteriöse Identität ins Visier der beharrlichen Landy, auch wenn deren schroffer Kollege Ward Abbott darauf drängt, die Vergangenheit ruhen zu lassen. Bourne tritt derweil auf den Plan, weil derselbe russische Unruhestifter ihn auf der indischen Insel Goa ausfindig gemacht hat, wohin er sich mit Marie, seiner Zufallsbekanntschaft und späteren Freundin aus dem ersten Teil, zurückgezogen hat. Dass dieses Hippie-Refugium keine Sicherheit versprach, war der nervösen Unruhe der Kamera schon in der ersten Szene anzuse hen. Es gebe immer eine alternative Wahlmöglichkeit, betont bald darauf Marie, als Bourne seinem Verfolger mit den Mitteln eines Killers begegnen will. Tatsächlich kommen ihm, als er sich auf die Suche nach seinen ominösen Widersachern – und seiner Vergangenheit – macht, einige Fähigkeiten gelegen, die er seiner Ausbildung zum CIA-Killer verdankt. Doch wenn er schließlich dem zweiten Schurken des Stücks gegenüber tritt, wird er sich der Worte Maries erinnern.
Mithin ist der verantwortliche Umgang einer unfreiwilligen Kampfmaschine mit den eigenen mörderischen Fähigkeiten und mit deren einstmaliger, nunmehr von Amnesie umhüllter Anwendung das Thema. Jedenfalls vordergründig. Denn in der Hauptsache ist „Die Bourne Verschwörung“ eine sehr solide Aneinanderreihung von Verfolgungsszenen. Deren spektakulärste findet abschließend in den Straßen der russischen Hauptstadt statt, die in Farben entsättigten Bildern noch deprimierender und unwirtlicher wirkt als die deutsche Kapitale (wenngleich auch die Moskauer Szenen großteils im Berliner Osten gedreht wurden). Nicht nur in dieser aufwändigen Verfolgungssequenz sind Kamera und Montage technisch und ästhetisch ganz „en vogue“, wobei eine neue Apparatur eingesetzt wurde, die es der Kamera erlaubt, noch unbeschränkter ins furiose Geschehen einzutauchen. Diesen Effekt unterstreichen Stakkato- Schnitte, die mit erfreulichem Gespür für Rhythmus gesetzt sind. Trotzdem wünscht man sich, dass der Film auch formal in gewisser Hinsicht so altmodisch wäre, wie es sein Stoff punktuell ist. Dass eine Verfolgungsjagd filmästhetisch auf der Höhe der Zeit ist, heißt nämlich auch hier, dass die Filmemacher gar nicht mehr beabsichtigen, dem Publikum einen Überblick über den rasanten Ablauf zu vermitteln.