Der schönste Tag in meinem Leben
Tragikomödie | Italien 2002 | 104 Minuten
Regie: Cristina Comencini
Filmdaten
- Originaltitel
- IL PIU BELLO GIORNO DELLA MIA VITA
- Produktionsland
- Italien
- Produktionsjahr
- 2002
- Produktionsfirma
- Cattleya/RAI Cinemafiction/The Producers Films
- Regie
- Cristina Comencini
- Buch
- Cristina Comencini · Lucilla Schiaffino · Giulia Calenda
- Kamera
- Fabio Cianchetti
- Musik
- Franco Piersanti
- Schnitt
- Cecilia Zanuso
- Darsteller
- Virna Lisi (Irene) · Margherita Buy (Sara) · Sandra Ceccarelli (Rita) · Luigi Lo Cascio (Claudio) · Marco Baliani (Carlo)
- Länge
- 104 Minuten
- Kinostart
- -
- Fsk
- ab 6; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 14.
- Genre
- Tragikomödie
- Externe Links
- IMDb | TMDB | JustWatch
Heimkino
Zurückhaltend und doch mit großer Sensibilität vor allem für die Frauen wirft Comencini in ihrem siebten Film den Blick auf einen sich in Auflösung begriffenen Familienverband. Zentraler Schauplatz ist ein alter Familienbesitz am Stadtrand von Rom, wo drei Generationen einer weit verzweigten Sippschaft zu Besuchen und Familienfesten eintreffen. Dort residiert auch die Großmutter Irene, eine Matriarchin, die vergebens auf traditionelle Familienwerte pocht und sich beklagt, dass ihre drei erwachsenen Sprösslinge nicht öfter vorbeischauen. Ihre zwei Töchter und ihr einziger Sohn sind auf Distanz zu ihr gegangen. Kein Wunder. Was nicht in die Vorstellung einer Musterbildfamilie passt, blendet Irene aus, etwa die Homosexualität ihres Sohnes Claudio, Anwalt wie ihr verstorbener Ehemann. Auch die Vereinsamung ihrer ältesten Tochter Sara nimmt sie nicht zur Kenntnis. Diese lebt seit dem Tod ihres Mannes zurückgezogen, einzig darauf bedacht, ihren pubertierenden Sohn nicht zu verlieren. Dass die jüngste Tochter Rita in ihrer scheinbar perfekten Ehe unglücklich ist, käme der Nonna nicht in den Sinn. Schließlich habe sie mit ihrem Mann nie einen Orgasmus gehabt und dennoch die Familie über die eigene sexuelle Erfüllung gestellt. Seit der Geburt ihres zweiten Kindes ist Ritas Ehe in Gefahr, und längst hat sie sich in ein Verhältnis mit einem Tierarzt verrannt.
Die Tochter und oftmalige Mitarbeiterin von Luigi Comencini schildert die emotionalen Defizite und Lügengebilde mit viel Sinn für Situationskomik. Vordergründig erscheint ihr zart-bitterer Film wie eine Soap Opera über eine wohlhabende italienische Familie: Ehekrisen, Abtreibung, Selbstmord, Homosexuellen-Diskriminierung – kein Konfliktstoff wird ausgelassen. Hinter der bürgerlichen Fassade geht es trist zu. Immer wieder kreist der Film um Sexualität, ob bei den Jungen oder Alten, und den Zwängen, die bis heute aus der katholisch- patriarchalischen Erziehung erwachsen. Besonders erstaunt, dass auch die sexuelle Frustration einer Mutter zu Wort kommt, ein im italienischen Kino seltener Umstand. Die Protagonisten kommen allesamt mit ihrem privilegierten Leben nicht zurecht, und das, obwohl sie eigentlich alle Voraussetzungen haben, um glücklich zu sein. Diesen Widerspruch erkennt auch Irenes Enkelin Chiara. Sie bittet Gott, ihrer Familie zu helfen, die Wahrheit zu erkennen. Als Gott sich an die Erfüllung ihres Wunsches macht, zieht sie ihr Gebet entsetzt zurück, denn die Familie scheint in all dem emotionalen Wirrwarr endgültig auseinander zu brechen.
Dass die Tragikomödie bei aller Emotionalität berührt und nicht sentimental wirkt, verdankt sich dem differenzierten Spiel der drei Hauptdarstellerinnen sowie der Bitterkeit und Verlorenheit, die hinter jeder Szene aufschimmern. Ganz nebenbei ist es auch ein Film über die vielen Erscheinungsformen der Liebe – über erste und neue Liebe, die verbotene, gebotene und homosexuelle Liebe. Am Ende ist es nicht mehr ironisch, wenn zum Vorschein kommt, dass der „schönste Tag des Lebens“ derjenige von Chiaras Kommunion ist. Das Mädchen hält die Feier mit der Videokamera fest und schafft so eine Art Bestandsaufnahme der familiären Krise. Ausgerechnet am Tag der ersten Vereinigung mit Gott erkennt sie desillusioniert, dass kein Gebet mehr ihre Familie zusammenhalten kann. So stellt sie am Ende resigniert fest, dass sie wohl niemals heiraten wird – und wenn doch, dann gleich auf immer und ewig. Womit die „famiglia italiana“ doch nicht tot zu kriegen wäre.