Die Rebellion (2001)

- | Italien 2001 | 100 Minuten

Regie: Vincenzo Terracciano

Eine turbulente Geschichte, bei der die Lust am Essen mit der Angst vor der Diagnose konkurriert: Vom Personal mit ausweichenden Antworten hingehalten und schikaniert, bereiten sich vier Männer heimlich in der Krankenhausküche ein nächtliches Festbankett. Die Lust am Essen, das Leiden an der gefängnisartigen Situation, falsches Pflichtgefühl als Ursache von Verdauungsbeschwerden und das Recht auf Selbstbestimmung sind Bausteine einer Tragikomödie, zu deren Gelingen eine Leichtigkeit im Schweren beiträgt, die dem liebevoll ausgeklügelten Sujet ebenso wie dem hervorragenden Hauptdarsteller zu eigen sind. (O.m.d.U.) - Sehenswert ab 16.
Zur Filmkritik

Filmdaten

Originaltitel
RIBELLI PER CASO
Produktionsland
Italien
Produktionsjahr
2001
Produktionsfirma
Mediatrade/Kublai Khan
Regie
Vincenzo Terracciano
Buch
Laura Sabatino · Vincenzo Terracciano
Kamera
Paolo Carnera
Schnitt
Marco Spoletini
Darsteller
Giovanni Esposito (Professor) · Antonio Catania (Adriano) · Renato Scarpa (Armandno) · Franco Javarone (Don Ciro) · Tiberio Murgia (Vincenzo)
Länge
100 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Externe Links
IMDb | TMDB

Diskussion
Den Namen muss man sich merken: Vincenzo Terracciano. Zum zweiten Mal hat er – zusammen mit der Drehbuchautorin Laura Sabatino – einen Spielfilm realisiert. Ihr erster Wurf, „Per tutto il tempo che ci resta“ („Acts of Justice“), lief 1998 mit Erfolg auf dem Festival in Palm Springs. Jetzt wechselte das Duo vom Freundschaftsdrama zum Komödienfach und gewann prompt den Publikumspreis der Filmtournee „Cinema Italia“ 2002. Dass man über den 1964 in Neapel geborenen Cineasten hierzulande noch nichts gehört hat, mag daran liegen, dass sich Terracciano nach Abschluss seines Regiediploms in Rom zunächst mehr der Zeitschrift „Cinemasessanta“ zugewandt hat. Ein Polizeikommissar muss vier Frauen in ein Krankenhaus bestellen und ihnen erklären, dass sich ihre kranken Männer in ihrem Zimmer verbarrikadiert haben, um sich bei einem heimlichen Festbankett mit Pasta, Prosciutto, Crema und gekochten Eiern womöglich tot zu essen. Vielleicht, so die Hoffung, können die Frauen die Männer überreden, mit dem Essen aufzuhören. Der Zufall hat die Patienten in der inneren Abteilung eines neapolitanischen Krankenhauses zusammengeführt; verbunden fühlen sie sich durch die lieblose Behandlung durchs Krankenhauspersonal und ihre Lust am Essen. Das klingt recht abstrus, und doch handelt es sich weder um den Stoff für eine Krankenhaus-Soap noch um den für eine Parodie. „Die Rebellion“ ist eine abgründige Komödie mit feinen Zwischentönen, die die schwierige Balance zwischen todernst und komisch garantieren. Nach einer guten halben Stunde sind die Protagonisten eingeführt, und das Festmahl artet in eine Belagerung aus, die der von den Ärzten zu Hilfe gerufene genervte Kommissar schließlich mit einer Spitzhacke zu beenden versucht, während sich die zunehmend gutgelaunten Patienten ihrer Rechte bewusst werden und mit einem letzten Tanz Abschied von falschen Verpflichtungen nehmen. Hauptperson ist Adriano, der auf seine Untersuchungsergebnisse wartet und zum Anwalt für die Kranken wird. Wenn ihn seine beiden erwachsenen Töchter besuchen, schickt er sie wieder fort, weil er es nicht erträgt, dass sie ihn so hilflos erleben. Sein Zimmer teilt er mit dem pensionierten Banker Armando, dem engagierten Lehrer Guido und Ciro, dem Gemüsehändler, der Höllenqualen leidet, weil er wegen seiner entzündeten Bauchspeicheldrüse nichts essen darf. Als ein wahrer Tyrann entpuppt sich der arrogante Oberarzt Dr. Sorvino, der seine Patienten wie unmündige Kinder behandelt, sie beschimpft und beleidigt und tagelang über wichtige Untersuchungsergebnisse im Ungewissen lässt. Als Dr. Sorvino den Lehrer wegen dessen angeblicher Ungeduld und Ciro wegen seiner Essleidenschaft demütigt, schlägt Adriano seinen Leidensgenossen zum Trost das Festessen vor, dass er selbst in der Krankenhausküche zubereitet. Aus dem Stoff für einen Kochfilm entwickelt sich eine abgründige Reflexion über verpasste Lebenschancen. Deutlich wird dies vor allem, wenn Adriano erkennt, dass er unheilbar an Krebs erkrankt ist und dem Arzt erklärt, dass er sich von niemandem vorschreiben lasse, wie er den Rest seiner Lebenszeit zu verbringen hat. Terraccianos Film lebt von seinem zurückhaltenden Humor, der mit klugen Wendungen die Geschichte vorwärts treibt; beispielsweise wenn aus den Eingeschlossenen „Belagerer“ werden, die eher unfreiwillig ihre „Forderungen“ formulieren und neben klaren Diagnosen und einer freundlichen Behandlung ein Video mit der Darmspiegelung des kerngesunden Oberarztes verlangen. Oder nach einem kurzen Flashback, wenn Adriano den anderen von einer lange zurückliegenden Begegnung mit John Ford erzählt. Natürlich ist auch die Liebe Thema. So scheinen alle vier mit ihren Frauen nicht ganz im Reinen zu sein: Ciro liegt wegen seiner Esslust mit seiner selbst übergewichtigen Frau im Dauerstreit; aus einem Ablenkungsmanöver – Guido, der Lehrer, muss die Krankenschwester Maria von der Küche fernhalten – entspinnt sich eine zarte Annäherung zwischen den beiden. Nachdrücklich prägt sich Antonio Catania ein. Der 1952 in Sizilien geborene Mime blickt bereits auf eine lange Laufbahn als Schauspieler zurück; in Terraccianos Film gilt es, den Charakterdarsteller neu zu entdecken. In den beklemmendsten Momenten legt er eine Leichtigkeit an den Tag, die zuvor nur Marcello Mastroianni auf die Leinwand zu zaubern vermochte.
Kommentar verfassen

Kommentieren