Takeshi Kitanos Dolls

Liebesfilm | Japan 2002 | 114 Minuten

Regie: Takeshi Kitano

Drei im modernen Japan angesiedelte Liebestragödien, deren einzelne Episoden durch ein Bettlerpaar verbunden werden. Es geht um die Verleugnung der Liebe, deren mutwillige Zerstörung und einen Mann, der sich blendet, damit die Angebetete nicht befürchten muss, er könne ihr durch einen Unfall entstelltes Gesicht sehen. Geschichten von tragischen Irrtümern und der Macht des Schicksals, entworfen als mächtiges Bildpoem voller Melancholie. Ein ebenso betörendes wie manchmal befremdendes Meisterwerk, an dessen visueller Schönheit man sich kaum satt sehen kann. - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
DOLLS
Produktionsland
Japan
Produktionsjahr
2002
Produktionsfirma
Bandai Visual/Tokyo FM/TV Tokyo/Office Kitano
Regie
Takeshi Kitano
Buch
Takeshi Kitano
Kamera
Katsumi Yanagishima
Musik
Jô Hisaishi
Schnitt
Takeshi Kitano
Darsteller
Miho Kanno (Sawako) · Hidetoshi Nishijima (Matsumoto) · Tatsuya Mihashi (Hiro) · Kyôko Fukada (Haruna Yamaguchi) · Tsutomu Takeshige (Nukui)
Länge
114 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Liebesfilm

Heimkino

Die Standardausgabe (Sunfilm) enthält keine erwähnenswerten Extras. Das Mediabook (DVD + BD) enthält indes u.a. ein "Hinter den Kulissen"-Feature (18 Min.), längere Interviews mit Takeshi Kitano (29 Min.) und Yohji Yamamoto (10 Min.), auf BD den abendfüllenden "Bonus"-Film "Takeshis'" (R: Takeshi Kitano, Japan 2005, 107 Min., [16:9, 1.85:1, dts-HDMA jap.]) sowie ein 24-seitiges Booklet zum Film. Das Mediabook ist mit dem Silberling 2015 ausgezeichnet.

Verleih DVD
Sunfilm (16:9, 1.85:1, DD5.1 jap./dt., dts dt.) Capelight (16:9, 1.85:1, DD5.1 jap./dt.)
Verleih Blu-ray
Capelight (16:9, 1.85:1, dts-HDMA jap./dt.)
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Diskussion
Der Film beginnt mit der Aufführung eines Bunraku- Theaterstücks im Nationaltheater von Tokio. Mit etwa ein Meter großen Puppen, die von jeweils drei Spielern bewegt werden, wird das Stück „Der Bote der Unterwelt“ von Monzaemon Chikamatsu, dem Meisterdramatiker des stilisierten Puppentheaters aus dem 18 Jahrhundert, gespielt. Am rechten Rand der Bühne sitzt der Erzähler. Er kommentiert das Geschehen und spricht alle Rollen. Dazu die Musikbegleitung durch eine dreiseitige Laute. In der gezeigten Szene beschließen die Kurtisane Umega und ihr Liebhaber, gemeinsam davonzulaufen. Damit ist der Grundton des Films gesetzt: das Leben als Puppentheater. Regisseur Takeshi Kitano hatte die Vorstellung, vom Leben der Menschen aus der Sicht der Puppen zu erzählen. Ähnlich streng stilisiert wie in der traditionellen japanischen Theaterform erzählt der Film drei tragisch endende Liebesgeschichten. Die „aneinander gebundenen Bettler“, ein Paar, das mit einem roten Seidenseil fest miteinander verknüpft ist, durchschreitet den Film, verbindet auch die Episoden miteinander und ist gleichzeitig das Personal der ersten Geschichte. Matsumoto und Sawako waren einst ein ideales Paar, füreinander die eine wahre und große Liebe. Natürlich wollten sie heiraten, doch Matsumoto beugte sich dem elterlichen Druck und beschloss, aus Karrieregründen die Tochter seines Chefs zu ehelichen. Sawako unternahm daraufhin einen Selbstmordversuch, der zwar misslang, bei ihr aber einen bleibenden Gehirnschaden hinterließ und ihr das Gedächtnis raubte. Auch an ihre Liebe kann sie sich nun nicht mehr erinnern. Matsumoto bläst die bevorstehende Hochzeit ab und ist zu ewiger Wanderschaft mit Sawako verdammt. So nah seiner Liebe und doch so fern.

Auch Yakuza-Boss Hiro – am Ende seiner Verbrecherkarriere und dem Tode geweiht – erinnert sich an seine größte Liebe, die er mutwillig aufs Spiel gesetzt hat. Als er noch ein kleiner erfolgloser Arbeiter war, brachte ihm seine Geliebte immer das Essen in den Park. Bei der Trennung schwor sie, dass sie auch in Zukunft jeden Samstag auf ihn im Park warten würde. Nach 30 Jahren der Hast und der Unruhe treibt ihn nun die nostalgische Sehnsucht nach der großen Liebe, die er verriet, immer wieder in den Park. Sie wartet noch immer, aber auch diese beiden Liebenden können nicht mehr zueinander kommen. Die letzte Episode erzählt von einem Popstar und seinem Fan. Nach einem Autounfall ist die schöne Sängerin Haruna entstellt. Ihr Gesicht ist bandagiert, ihre Schönheit dahin. Trotzdem lässt sie den treuen Fan Nukui nur widerwillig in ihre Nähe. Der Mann beschließt, sich selbst zu blenden, damit Haruna nicht befürchten muss, dass er ihr entstelltes Gesicht sieht.

Ein Bündel melodramatischer Liebesgeschichten also, die von tragischen Irrtümern und von der Macht des Schicksals erzählen, präsentiert Takeshi Kitano in diesem Film, in dem er einmal nicht auch vor, sondern nur hinter der Kamera steht. Das von dem japanischen Regisseur sonst so brillant beherrschte gewalttrunkene Genre der Yakuza-Filme ist fern, ebenso wie es die leichte Heiterkeit von „Kikujiros Sommer“ (fd 33 965) und die sarkastischen Scherze aus „Brother“ (fd 34 668) sind. Die kurze Handlungsskizze lässt einen starken melodramatischen Akzent vermuten. Aber „Dolls“ ist etwas ganz anderes geworden: ein mächtiges Bildpoem, das oft an die Malerei des Allround-Talents Kitano erinnert. In den Liebestragödien versteckt sich außerdem eine – freilich extrem stilisierte – Beschreibung des Alltagslebens im urbanen Japan unserer Tage. Man vermag sich kaum satt zu sehen an diesem Film, dringt tief ein in die Bildwelten der Melancholie: Kirschblüten im Frühling, ein leuchtendes Meer im Sommer, rote Laubblätter im Herbst und makelloser Schnee im Winter. Werden und Vergehen – die Ewigkeit der großen Liebe und das Drama der falschen Entscheidung, Schuld und Sühne – all diese Themen werden angespielt, aber man kann auch einfach schwelgen in diesen prächtigen Kinofarben, die Kostüme von Stardesigner Yoji Yamamoto staunend betrachten und die Poesie dieses einzigartigen filmischen Gedichts auf sich wirken lassen. Ein betörendes und manchmal befremdendes Meisterwerk ist dieser Film allemal.

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