Ein junger Afrikaner vertreibt den Nebel, der sich existenzbedrohend über sein kleines Fischerdorf gelegt hat. Doch weil sich nach seiner Rückkehr vom Meer das schönste Mädchen des Dorfes in ihn verliebt, wird er von seinem besten Freund ermordet. Eine in einfachen Bildern eindringlich erzählte Legende von Mut und Eifersucht, Schuld und Vergebung, in der nicht zuletzt die Frauenfiguren eine herausragende Rolle spielen. Durch die Gestalt eines Erzählers weist der Film auf die Verwandlung des Realen ins Symbolhafte, des Authentischen ins Mythologische. Der Regisseur besetzte sein Debüt neben Berufsschauspielern mit vielen Laien aus dem Volk der Lebu, was der Geschichte eine ganz besondere Authentizität verleiht.
- Sehenswert ab 14.
Le Prix du Pardon - Der Preis der Vergebung
- | Senegal/Frankreich 2001 | 90 Minuten
Regie: Mansur Sora Wade
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Filmdaten
- Originaltitel
- LE PRIX DU PARDON
- Produktionsland
- Senegal/Frankreich
- Produktionsjahr
- 2001
- Produktionsfirma
- Kaany Prod./Canal Horizons/Les Films du Safran/TPS Cinéma/Hubert Bals Fund
- Regie
- Mansur Sora Wade
- Buch
- Mansur Sora Wade · Nar Sene
- Kamera
- Pierre-Olivier Larrieu
- Musik
- Wasis Diop · Loy Ehrlich · Youssou N'Dour
- Schnitt
- Christian Billette
- Darsteller
- Hubert Koundé (Yatma) · Rokhaya Niary (Maxoye) · Gora Seck (Mbanik) · Alioune Ndiaye (Amul Yaakaar) · Nar Sene (Peer)
- Länge
- 90 Minuten
- Kinostart
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- Pädagogische Empfehlung
- - Sehenswert ab 14.
- Externe Links
- IMDb | TMDB
Diskussion
Timbering, ein kleines Fischerdorf an der Atlantikküste, ist fast verschluckt vom Nebel, „der es nicht mehr erlaubte, Himmel und Wasser zu unterscheiden“. Schamanen werden aufgeboten, um den Bann zu brechen. Doch erst als Mbanik, einer junger Fischer und der Sohn des weisen, schwer kranken Dorfältesten, in einem selbst gebauten Boot in See sticht, erhält der Himmel seine alte Farbe zurück. So beginnt der erste Langspielfilm des senegalesischen Regisseurs Mansur Sora Wade: eine Legende von Mut und Eifersucht, Schuld und Vergebung. Mitgeteilt wird sie durch einen greisen Erzähler, dessen sonore Stimme über dem Film liegt und dessen Gesicht in einer der Anfangseinstellungen auch zu sehen ist. Der alte Mann gibt sich später als Amul zu erkennen, der die Geschichte als Kind selbst erlebte und sie nun von Generation zu Generation weiter vermittelt. Mit dieser Figur, die in der Romanvorlage von Mbissane Ngom nicht enthalten ist, weist der Film auf die Verwandlung des Realen ins Symbolhafte, die Metamorphose des Authentischen ins Mythologische. Optisch bleibt „Le Prix du Pardon“ dabei weitgehend einem realistischen Erzählprinzip verbunden; die wenigen überhöhten Szenen – etwa jene Totale, in der die Dorfbewohner zu dem verdorrenden Baum ziehen, unter dem Mbaniks Vater begraben liegt – ragen wie Tableaus aus dem Erzählfluss heraus.
Mit seinem Film führt Mansur Sora Wade in die Lebens- und Sagenwelt seines eigenen Volkes, der Lebu. Die Vertreibung des Nebels bildet dabei nur den atmosphärischen Auftakt, die zum Kern der Geschichte – einer Art Brudermord und dessen Folgen – hinführt. Der vom Meer zurückkehrende Mbanik wird nämlich von seinem besten Freund Yatma getötet; dieser hatte es nicht verkraftet, dass Maxoye, das schönste Mädchen des Dorfes, sich Mbanik zuwendet und nicht ihm. Über den heimtückischen nächtlichen Mord wird im Dorf später kaum geredet, obwohl jeder um die Zusammenhänge weiß. Erst nach Jahren ist es Mbaniks Mutter, die mitten auf der Dorfstraße, angesichts Dutzender männlicher Honoratioren, öffentlich über die Tat reflektiert. Die Frau bricht mit der Tradition des Schweigens, erhebt sich so über die klassischen Verhaltensmuster. So, wie es eine andere Frau,- Maxoye,- ist, die Mbanik auf ihre ganz eigene Weise rächt.
Mansur Sora Wade überspringt Jahre und hebt dabei bestimmte entscheidende Momente in der Beziehung zwischen Yatma und Maxoye heraus. Zunächst, nach dem Tod Mbaniks, scheint es höchst erstaunlich, wie schnell Maxoye in die Heirat mit Yatma einwilligt. In der Hochzeitsnacht, als sie sich ihrem Mann verweigert, wird dieser Entschluss jedoch begreifbar: „Jeden Tag deines Lebens“, erklärt das Mädchen dem verdutzten Bräutigam, „wirst du das Kind erziehen von dem, den du getötet hast. Das ist der Preis der Vergebung.“ Schon zu diesem Zeitpunkt spiegelt sich auf Yatmas Gesicht, wie sehr er das, was er getan hat, bereut. Bis Maxoye ihm schließlich vergibt, wird es noch Jahre dauern. Den Akt des Verzeihens bereitet Mansur Sora Wade mit einem Tanz vor, bei dem Yatma vor versammelter Dorfgemeinschaft einen Löwen darstellt und Maxoye durch seine Bewegungen ein erstes zartes Lächeln abringt. Diese Vergebung stellt allerdings nicht das versöhnliche Finale des Films dar. Yatma hat sich nämlich selbst nicht verziehen, und es drängt ihn, sich im Kampf dem Hai zu stellen, der Inkarnation des toten Freundes. „Le Prix du Pardon“ verzichtet auf äußere Dramatik und vergröbernde Spannungselemente. Die Spannung erwächst aus den Beziehungen der Figuren, deren Gesichter, oft in Großaufnahme, den Film prägen. Dabei ist es mehr die Stille als der Schrei, die Mansur Sora Wade favorisiert; und es sind Farben, die seinem Film das Gepräge geben: die blauen und roten Hintergründe bei den Erzählungen der Ahnenlegenden, die graue Düsternis des Nebels, das Gelb der Sonne und des Sandes. Eine kraftvolle traditionelle Musik unterstreicht den Märchencharakter des Films, für den der Regisseur neben einigen wenigen professionellen Schauspielern auf zahlreiche Laiendarsteller zurückgriff. Es bleibt die Hoffnung, dass neben „Le Prix du Pardon“ auch weitere neue afrikanische Filme ins deutsche Kinoprogramm gelangen: Arbeiten wie „Sia, le Reve du Python“ aus Burkina Faso oder „Si Gueriki, la Reine Mère“ aus Benin lohnen, über einschlägige Filmfestivals hinaus für ein größeres Publikum entdeckt zu werden.
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