Ein einsamer, arbeitsloser 200-Kilo-Mann beschließt, Sumo-Ringen zu lernen, um an der Weltmeisterschaft in seiner ostdeutschen Heimatstadt Riesa teilzunehmen. Dabei müssen er und seine Freunde, allesamt Verlierer und Träumer, nicht nur gegen ihre Trägheit ankämpfen, sondern auch gegen Gangster und die triste Realität. Schön fotografierte Tragikomödie mit märchenhaften Elementen, aber allzu klischeehaft angelegten Figuren in einer Handlung voller Ungereimtheiten. Die "Botschaft" der für deutsche Verhältnisse ungewöhnlichen Erfolgsgeschichte ist eher schlicht: Es kommt lediglich darauf an, zu kämpfen, wenn man im Leben etwas erreichen will.
- Ab 14.
Sumo Bruno
Tragikomödie | Deutschland 2000 | 99 Minuten
Regie: Lenard Fritz Krawinkel
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Filmdaten
- Produktionsland
- Deutschland
- Produktionsjahr
- 2000
- Produktionsfirma
- Babelsberg Film/Studio Babelsberg Independents/Senator Film
- Regie
- Lenard Fritz Krawinkel
- Buch
- Marius del Mestre · Jan Berger · Lenard Fritz Krawinkel
- Kamera
- Piotr Lenar
- Musik
- Biber Gullatz · Eckes Malz
- Schnitt
- Adam Boome
- Darsteller
- Hakan Orbeyi (Bruno) · Oliver Korittke (Kalle) · Julia Richter (Anna) · Martin Seifert (Akashi) · Thomas Drechsel (Timo)
- Länge
- 99 Minuten
- Kinostart
- -
- Fsk
- ab 0; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 14.
- Genre
- Tragikomödie
- Externe Links
- IMDb | TMDB | JustWatch
Heimkino
Diskussion
Lächelnd schwebt ein dicker Mann in einer riesigen Seifenblase vorbei. Wie ein lustiger Wichtel sieht er aus mit seiner Pudelmütze. Auch das einsame Bahnwärterhäuschen, in dem er wohnt, passt noch in das märchenhafte Bild. Doch spätestens wenn man Bruno, den arbeitslos gewordenen Schrankenwärter mit 200 Kilo Lebendgewicht, da sitzen sieht, wie er Chips isst und sich selbst bemitleidet, dann ist die Wirkung des spielerisch-leichten Beginns verflogen, und ist Bruno nur noch ein trauriger Verlierer, der sich von seinem geschwätzig-geschäftigen Freund Kalle herumkommandieren lässt. Kalle hat die Idee, dass Bruno an der Sumo-Weltmeisterschaft teilnimmt, die zufällig in ihrer Stadt ausgetragen wird. So könnten sie zu Geld kommen, denn Kalle sitzt ein Kredithai im Nacken und Bruno der Gerichtsvollzieher. Brunos Begeisterung hält sich in Grenzen, Sport ist nicht seine Sache. Der Anstoß, es doch zu tun, kommt von außen. Bruno beobachtet einen dicken Jungen, der sich auf die Bahngleise legt. In der bewegendsten Szene des Films, als er ihn rettet und sich mit dem Jungen unterhält, der genauso einsam ist wie er, sagt Bruno dem Zehnjährigen spontan, dass er bei der Meisterschaft mitmachen wird - damit der kleine Timo lernt, dass Dicksein allein nichts Schlimmes ist, sondern es drauf ankommt, aus seinem Leben etwas zu machen. Wäre die Geschichte in diesem Duktus weitererzählt, hätte sie einiges vom Charme dieser Schlüsselszene bewahren können. Leider aber geht es in typisch deutscher, plakativer Komödienmanier weiter: Der Junge wird Brunos Assistent, Kalle sein Manager, der in Optik und Attitüde ganz auf Japaner getrimmte deutsche Besitzer eines Sushi-Restaurants sein Trainer. So rennt der halb nackte Bruno herum, macht im mühsam selbstgebauten Dojo (dem Sumo-Kampfplatz) nach Anleitung erste Sumo-Übungen und verliebt sich in Timos Mutter, die mit einem üblen Macho liiert ist. Die Story entwickelt sich so, wie man es erwartet. Schließlich schafft Bruno es tatsächlich, sich für die WM zu qualifizieren und ins Finale zu kommen - und trotz seiner finalen Niederlage etwas zu gewinnen, mit dem er nicht gerechnet hatte: Anerkennung und eine Familie.
Die Figur des einsamen Außenseiters, der sich aus seiner Lethargie aufrappelt, um einem kleinen Jungen Lebensmut zu geben, ist ein schöner Ansatz. Aber Lenard Fritz Krawinkel hat in seinen ersten Spielfilm zu viel auf einmal hinpacken wollen: die zuweilen sehr fotogene Tristesse im sächsischen Riesa, wo der Film spielt (dort wurde 1999 wirklich eine Sumo-WM ausgetragen), Kleingangster, die sich furchtbar aufspielen, eine gepeinigte Tänzerin, die in plumpen Kostümen als Nummern-Girl in einer Disco arbeitet, einen kleinen schüchternen Jungen, der langsam immer munterer wird, und einrn prolohaften Möchtegern-Geschäftsmann, der es nie zu etwas bringen wird. Jede dieser klischeehaften Figuren ist auf eigene Art naiv, oft auch dümmlich, und jede träumt von einem besseren Leben. Bruno und Timo gelingt es immerhin, ihrem Ideal ein bisschen näher zu kommen, und auch Timos Mutter Anna schafft den Absprung von ihrem dominanten Freund. Man muss kämpfen, wenn man etwas erreichen will, lautet die schlichte Botschaft, dann kommen Erfolg und Anerkennung. Solche aus dem realen Leben gegriffenen Erfahrungen vertragen sich nicht so recht mit dem verspielt-irrealen Ambiente, das im Produktionsdesign und in den Dialogen zum Durchbruch kommt, und auch nicht mit den langen Meisterschaftsszenen, die wie Action-Wettkämpfe im drittklassigen B-Picture aussehen, oder den fernsehmäßig behäbig inszenierten Ausflügen in die Disco-Welt. Überall gibt es Brüche, die nicht aufgelöst werden und die Handlung nicht voranbringen.
Wenn diese Tragikomödie stellenweise doch beeindruckt, dann liegt dies an manchen ungewöhnlichen Einstellungen mit Bruno, wenn er im Training einfach umfällt, im Regen am Boden kauert oder vor dem entscheidenden Kampf kurzerhand abhauen will. Hakan Orbeyi („Kanak Attack“) spielt Bruno als einsamen, aber stets liebeswürdigen Menschen, der durch seine Naivität und Gutmütigkeit immer wieder in den Bann zieht. Als Nervensäge ist Oliver Korittke einmal mehr überzeugend; doch die einzige wirklich witzige und zugleich tragische Figur gibt Martin Seifert als deutscher Pseudo-Samurai, der japanischer als die Japaner sein will und sich in den Augen der anderen Stadtbewohner noch lächerlicher macht als Bruno. Um am Ende in einer Seifenblase davon zu schweben, ist er viel zu ernst.
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