Kampfhunde fallen übereinander her und zerfleischen sich – 21 Sekunden lang. Gewalt beherrscht auch die menschlichen Beziehungen mitten im Moloch Mexiko-City mit seinen 21 Millionen Menschen. Eine Verfolgungsjagd durch die Stadt endet in einem schweren Unfall; diese alltägliche Tragödie wird zum Schnittpunkt von drei sehr unterschiedlichen Schicksalen. Drei Geschichten aus verschiedenen sozialen Zusammenhängen – Geschichten, in denen es um Einsamkeit, Scheitern, um den Kampf ums Überleben geht. Hunde stehen hier auf ganz unterschiedliche Weise als Platzhalter für verlorene Gefühle und Hoffnungen: Octavio, ein Jugendlicher aus einem armen Stadtviertel, ist in Susana, die Frau seines älteren Bruders verliebt, der ein brutaler Kleingangster ist. Für ihn bedeutet ein Hund den Traum vom sozialen Aufstieg Mit seinem Kampfhund Cofi versucht er sein Glück in illegalen Hundekämpfen – der Kampfhund wird rasch zum Star der kleinen Arena. Das Geld steckt Octavio Susanna zu, gemeinsam träumen sie von Flucht und einem neuen Leben auf dem Lande. Doch ein rivalisierender Hundebesitzer schießt Cofi kampfuntauglich – die anschließende Verfolgungsjagd endet in einem schweren Unfall.
Opfer ist Valeria, ein prominentes Fotomodell – Werbeplakate mit ihrem Körper sind in der ganzen Stadt zu sehen. Der Verleger Daniel hat für sie Frau und Kinder verlassen, eine Wohnung eingerichtet. Mit dem Unfall zerbrechen nicht nur ihre Beine, sondern auch die Illusion dieser oberflächlichen Vereinigung von Geld und Schönheit. Von einer Episode zur nächsten verändert sich der Grundton des Films. Ist es am Anfang noch der Kampf von Jugendlichen, der Traum, vom gesellschaftlichen Rand in die bürgerliche Mitte zu kommen, wirkt die zweite Episode um verlorene Gefühle der saturierten Neureichen fast noch beklemmender, denn nach dem Unfall wird Valeria unerträglich – in ihrem selbst errichteten Puppenhaus lebt sie wie eine Gefangene ihrer zerbrochenen Illusionen – , ihre Beklemmung verwandelt sich in Hysterie und steigert sich ins Unermeßliche, als sich ihr Schosshund im Parkettboden verkriecht und nicht wieder auftaucht. Im Mittelpunkt der dritten Geschichte steht El Chivo, ein älterer Stadtstreicher, der mit seinen Hunden wie ein Gespenst durch die Straßen zieht. Einst war er Revolutionär, Guerrillero. Heute kümmert er sich, wie eine bittere Karikatur seines früheres Engagement, um Straßenhunde. Seine Ideale sind an der Realität zerbrochen; seinen Lebensunterhalt verdient er sich als Berufskiller, dessen Auftragsgeber ausgerechnet jener Polizist ist, der ihn vor Jahren als Guerillero verhaftete. Als er Cofi, den verletzten Kampfhund, zu sich nimmt, muss er realisieren, das das auf Vernichtung programmierte Tier niemals aufhören wird zu töten. Er beschließt, wieder als Mensch zu leben.
„Amores Perros“ („Hundelieben“) ist ein vielschichtiger Film, der trotz zweieinhalb Stunden Laufzeit niemals ermüdet und in seinen überraschenden Wendungen immer neue Perspektiven anbietet. Eine aggressive Bildsprache, der schnelle Rhythmus, eine rohe Handkamera und besonders die Gewalttätigkeit des Films schockieren zunächst, doch es ist keine kokettierende Gewaltdarstellung à la Tarantino, auch keine Gewalt, die sich aufgrund einer bestimmten Mediensozialisation niederschlägt, sondern jene Realität, die den Regisseur seit seiner Kindheit begleitet hat: „...eine Gewalt, die immer schlimmer geworden ist in den letzten Jahren. Mexiko und Mexiko City leben in einer Situation, die sich mit einem Bürgerkrieg vergleichen lässt. Gewalt in einem Film über Mexiko auszuklammern, wäre wirklich Fiktion.“
„Amores Perros“ ist ein Erstlingswerk, ein Meisterwerk, vielleicht eines der wenigen wirklichen Meisterwerke, das in den letzten Jahren im zwischen kommerzieller Konventionalität und lokalem Kostumbrismus schwankenden mexikanischen Film entstanden ist. Er zeichnet sich besonders dadurch aus, dass er über die Darstellung sozialen Elends eine umfassende Vision der mexikanischen Gesellschaft beschwört. „Amores Perros“ ist das Produkt einer sehr fruchtbaren Zusammenarbeit zwischen dem jungen ambitionierten Regisseur Alejandro González Iñárritu und dem brillanten Autor Guillermo Arriaga Jordán, da seine besondere Stärke in der Komplexität der Figuren, in ihren Widersprüchen liegt – ein apokalyptisches Porträt einer trostlosen, entmenschlichten Welt, zerbrochener und kommerzialisierter Illusionen, das doch am Ende einen leichten Hoffnungsschimmer auf eine erneute Menschwerdung zulässt. In dieser Komplexität ist „Amores Perros“ auch ein politischer Film, vielleicht eine der besten Filme des postrevolutionären Lateinamerikas – auf jeden Fall eine kräftige Antwort auf neoliberale Harmoniepropheten.