Herbst 1939. Während eine politische Katastrophe in der Luft liegt, beherrschen ganz andere Nachrichten die öffentliche Diskussion in Königtum Navarra. Der junge König persönlich und drei seiner Hofherren planen die Umformung seines Hofs zu einer Art wissenschaftlichem Utopia: Wöchentliches Fasten, täglich drei Stunden Schlaf und vor allem der Ausschluss von Frauen sollen für drei Jahre für ein Klima ungestörten Studierens garantieren. Allen Einwänden des eher pragmatisch orientierten Biron zum Trotz leistet das Quartett schließlich den gemeinsamen Eid auf die Einhaltung dieser Regeln. Der Enthusiasmus wird auf eine ernste Probe gestellt, als die Prinzessin von Frankreich das Land in offizieller Mission besucht. Zwar bietet der von ihr überbrachte Vertragsentwurf in schwieriger Zeit die Chance zu einer Entspannung im belasteten Verhältnis zwischen beiden Ländern, doch der König bleibt seinen Prinzipien treu: Die Prinzessin und ihre drei Hofdamen werden außerhalb des Schlosses empfangen, und nur dort dürfen sie - allen diplomatischen Gepflogenheiten zum Trotz - auch ihr Lager aufschlagen.Die um 1592 entstandene Komödie „Love’s Labour’s Lost“ zählt zu William Shakespeares unbekannteren, weil weniger häufig gespielten Werken. Dafür mag einerseits eine ganze Reihe von „tagesaktuellen“ Anspielungen auf Geschehnisse der Entstehungszeit verantwortlich sein (die Kenneth Branagh konsequent gestrichen hat); andererseits entwickelt sich die Geschichte (trotz einiger hübscher Nebenfiguren und Verwicklungen) letztlich recht geradlinig und vorhersehbar: Natürlich werden die verschworenen Anhänger der reinen geistigen Bildung durch die pure Anwesenheit ihres reizenden „Staatsbesuchs“ schnell auf den Boden ihrer Gefühle zurückgeholt. Wie der Skeptiker Biron zu Recht vermutete, ist die Liebe stärker als es Schwüre und hehre Ideale sind - auch wenn jeder der Vier sich alle erdenkliche Mühe gibt, vor den anderen zu verbergen, worum seine Gedanken in Wirklichkeit kreisen. Da es überdies auch bei den Französinnen längst „gefunkt“ hat, steht dem Happy End schon sehr früh kaum etwas im Wege. Ein bisschen krankt das Stück daran, dass kaum einer der immerhin acht Liebenden als Charakter wirklich Kontur gewinnt - neben dem König und der Prinzessin von Frankreich ist es eigentlich nur Biron, dessen erdverbundene und impulsive Lebenslust in den schönsten Passagen des Textes ihren Ausdruck findet.Kein Wunder, dass Kenneth Branagh sich ausgerechnet bei diesem Stück seinen bislang freiesten Umgang mit einem Shakespeare-Stoff gestattet. Mit einem knappen Dutzend Tanz- und Gesangsnummern nämlich erweist „Verlorene Liebesmüh’“ nicht nur dem Dichter, sondern in gleichem Maße dem klassischen Hollywood-Musical seine Reverenz. Songs unter anderem von Irving Berlin, Cole Porter, George & Ira Gershwin fügen sich mehr oder weniger nahtlos ins Geschehen ein, geht es doch - so Branagh - in den Songs wie bei Shakespeare darum, „wie albern und wundervoll und dumm es ist, verliebt zu sein“. Konsequenterweise ist denn auch das Geschehen in bonbonfarbene Studiokulissen eingebettet, die ihre Künstlichkeit niemals leugnen. Branaghs Navarra wird zum eskapistischen Traumland, sein Film zur Hommage ans pure Entertainment - dessen schwächste Stelle ganz am Ende liegt, wenn Branagh das ausgelassene Spiel durch Dokumentaraufnahmen des Zweiten Weltkriegs überflüssigerweise „erden“ zu müssen meint. (Der von Shakespeare vorgegebene Tod des Königs von Frankreich, der für die Liebenden ein Jahr der Trennung nach sich zieht, erfüllt diese Funktion weitaus adäquater.) Ansonsten erweist sich der Regisseur als bemerkenswert maßvoll. Gesangs- und Tanznummern sind so dosiert, dass sich der Charme des Nicht-ganz-Professionellen (immerhin betreten einige der Darsteller hier persönliches Neuland) auch zum Ende hin nicht abnutzt. Zu den Höhepunkten zählen Geraldine McEwans anrührend melancholische Version von „The Way You Look Tonight“ und die brillant inszenierte Szene in der höfischen Bibliothek, in der sich König und Hofherren gegenseitig ungewollt ihre Gefühle offenbaren. Nicht zuletzt gewinnen auch die im Shakespeare-Text weniger konturierten Figuren in den Musik-Nummern an Profil. In seiner Konzeption verhält sich Branaghs „Verlorene Liebesmüh’“ wie ein selbstironisch altmodisches Gegenstück zu Baz Luhrmanns „Romeo & Julia“
(fd 32 429): Betonten dort Action-Elemente, aktuelle Popmusik und rasante Schnitte die Aktualität des Shakespeare-Dramas, so „entführen“ hier Swing-Musik, fingierte Wochenschau-Einsprengsel und Studiodekors das Stück in eine entspannt-nostalgische Traumwelt. Beide Filme mögen auf unterschiedliche Kinobesucher-Generationen zielen; beide betonen die vielzitierte „Zeitlosigkeit“ Shakespeares auf ihre Weise.