Die Reisen des Santiago Calatrava

Drama | Schweiz 1999 | 80 Minuten

Regie: Christoph Schaub

Porträt des in Zürich lebenden spanischen Star-Architekten Santiago Calatrava, der sich durch Großprojekte in aller Welt einen Namen gemacht hat. Der Film versucht, die Gedankenwelt und Arbeitsweise des bedächtigen Mannes nachvollziehbar und ihn durch seine Bauwerke begreifbar zu machen. Im Wechsel von ruhigen Interviewszenen und grobkörnigem Videomaterial entsteht das Bild eines Künstlers, der stets die Anforderungen seiner Auftraggeber berücksichtigen muss, dabei seine Kreationen aber stets Ausdruck seiner Persönlichkeit bleiben. (O.m.d.U.) - Ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
DIE REISEN DES SANTIAGO CALATRAVA
Produktionsland
Schweiz
Produktionsjahr
1999
Produktionsfirma
T&C Film/DRS
Regie
Christoph Schaub
Buch
Christoph Schaub · Martin Witz
Kamera
Matthias Kälin
Musik
Peter Bräker
Schnitt
Fee Liechti
Länge
80 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Drama
Externe Links
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Diskussion
Wie lässt sich die dreidimensionale Kunstwelt moderner Architektur im zweidimensionalen Medium Film darstellen? Ein Bauwerk als plastisches, vom Architekten entworfenes Ereignis versinnbildlichen und im täglichen Gebrauch zeigen? Diese Fragen stellte sich der schweizerische Dokumentarist Christoph Schaub, als er mit einem Porträt des spanischen Stararchitekten und Wahlzürichers Santiago Calatrava begann. Auch zuvor hatte sich Schaub in einer Reihe kürzerer Filme immer wieder mit Architektur auseinandergesetzt; in „Il Girasole – una casa vicino a Verona“ (1995) beispielsweise, einem filmisches Essay über ein sich drehendes Wohnhaus aus den 30er-Jahren, das er weitgehend mit statischen Aufnahmen porträtierte. In ihren überwältigenden Dimensionen sind auch Calatravas Werke nicht anders zu vermitteln als in ruhigen Aufnahmen und langen, beinahe kontemplativen Einstellungen. Die Wahrnehmung der Architekur als ein räumliches Erlebnis ermöglicht der Film durch seine hohe fotografische Qualität, die der Kunstfotografie nahe kommt. Zudem gelingt es Schaub in Parallelmontagen, eine assoziative, analytische Verbindung zwischen den Bauten und Calatravas Aussagen herzustellen, was Einblicke in die Gedankenwelt und die Arbeitsweise des bedächtigen Architekten ermöglicht. Am Anfang öffnet und schließt sich ein überdimensionales Auge – ein elliptisches Kuppelgebäude mit einer beweglichen Bedachung. „Mein Auge ist das Fenster, das genau die Grenze ist zwischen der materiellen Welt draußen und der biochemischen, die meine subjektive Welt hervorruft“, erklärt Calatrava im Film. Hinter Aussagen wie dieser steckt seine Lebensphilosophie, die sich an organischen Strukturen wie Bäumen oder Wellen orientierten, aber auch am menschlichen Körper. So diente ihm etwa der Winkel zwischen dem Zeigefinger und dem Daumen als Vorlage für die elegant geschwungenen Träger eines Züricher Bahnhofs; für die graziöse Stahlkonstruktion des Bahnhofs Oriente in Lissabon standen Palmen Pate. Dass er die Vollkommenheit der Vorbilder nicht erreichen kann, ist dem Spanier dabei durchaus bewusst, auch, weil ihn die ständigen Veränderungen organischer Gebilde durch Wind oder Wasser faszinieren: Nicht Stabilität, sondern Labilität beschäftigt ihn. Schaub interpretiert diese unorthodoxen Ansichten als Reaktion auf die Stagnation der Franco-Ära, in der der 1951 geborene Calatrava in Valencia aufwuchs. Vielleicht hat es aber auch etwas mit seiner Doppelausbildung als Architekt (in Valencia) und als Bauingenieur (in Zürich) zu tun, dass Calatrava so viel Gespür für skulpturale Räume wie für die Lebendigkeit der Materie hat; für Formen, die sich wie wie eine Blüte öffnen (beispielsweise die Reichstagskuppel in Berlin). Das Resultat sind begehbare Skulpturen, inspiriert von dem Ort, an dem sie errichtet worden sind, für Menschen, die dadurch einen Bezug zu ihrem Wohnort herstellen können. Der weltweite Erfolg hat Calatrava zu einem „Handlungsreisenden“ in eigener Sache gemacht, der neben seinem Firmensitz in Zürich Zweigstellen in Paris und Valencia unterhält. Der Film lokalisiert das Spannungsverhältnis zwischen dem zurückgezogen entwerfenden Künstler und Unternehmer, indem er den Architekten zu seinen Bauwerken begleitet, sich im hektischen Alltag und auf Reisen zwischen Flughäfen, Bahnhöfen, Museen und Brücken an seine Ferse heftet; auch ästehtisch reflektiert sich diese Dualität durch zwei unterschiedliche Bildarten: sorgsam komponierten Interviews, die den kreativen Künstler beim Zeichen in der völligen Abgeschiedenheit seines Pariser Domizils zeigen, und in grobkörnigen Videoaufnahmen von den Baustellen. Auf diese Weise lässt sich der Entstehungsprozeß von der Skizze bis zu der Fertigstellung eines der vielen parallel ausgeführten Projekte nachvollziehen, begleitet von Auseinandersetzungen mit Bauherren und -firmen, die ihre eigenen Vorstellungen realisiert sehen wollen oder schlicht an die Grenzen des Machbaren stoßen.
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