Es ist eine stürmische Oktobernacht, das Städtchen Rockwell, in dem Hogarth mit seiner Mutter Annie ein abgelegenes Häuschen bewohnt, liegt tief verschlafen an der amerikanischen Küste. Nur ein Fischer versucht noch, den Fang des Tages einzuholen. Da stürzt ein helle Kugel in den aufgepeitschten See. Der alte Mann traut seinen Augen nicht, als sich ein großes Wesen mit leuchtenden Augen vor ihm auftürmt und sein Boot zu rammen droht. Am nächsten Morgen herrscht in dem Diner, in dem Annie als Bedienung arbeitet, Hochbetrieb. Der Fischer erzählt seinen ungläubigen Kollegen von der wundersamen Begegnung mit dem riesigen Ungeheuer. Nur der exzentrische Einzelgänger Dean, der die erhitzte Diskussion am Nebentisch mitbekommt, schlägt sich aus Sympathie für extreme Ansichten auf die Seite des Alten. Auch Hogarth verfolgt die Diskussion mit steigendem Interesse. Was der kaum zu bändigende Fantast zum Leidwesen seiner Mutter schon immer vermutet hat, scheint jetzt mit „stichhaltigen“ Beweisen untermauert zu werden: Wie in den Science-Fiction-Filmen, die er abends heimlich im Fernsehen sieht, planen außerirdische Mutanten die feindliche Übernahme von Amerika und der Welt. Was sich hier in der übersteigerten Fantasie eines kleinen Jungen manifestiert, nährt im fernen Washington ganz andere Wahnvorstellungen. Auch im Pentagon wurde der „Komet“ registriert. In Zeiten eines durch den „Sputnik“-Schock verschärften Kalten Krieges interpretiert man die Vorkommnisse als mögliche physische Bedrohung durch die Sowjets. Indes häufen sich in Maine, rund um das Küstenstädtchen, seltsame Vorkommnisse: Tonnen und Gitter verschwinden, Autos und Fernsehantennen werden „angebissen“ – irgendetwas scheint großen Appetit auf Eisen zu haben. Im Waldstück am Hügel der Stadt macht sich Hogarth, mit Taschenlampe und seinem alten Luftgewehr bewaffnet, mutig auf die Suche nach den ungebetenen Gästen aus dem All. Doch die Entdeckung, die er an der nahe gelegenen Stromverteilungsstelle macht, übertrifft seine kühnsten Erwartungen. Ein 20 Meter hoher Metall-Roboter kämpft mit einer Zaunanlage und verfängt sich dabei in den todbringenden Stromkabeln. Hogarth schafft es in einer kühnen Rettungsaktion, den Strom abzuschalten. Diese Heldentat beschert dem Jungen einen überraschend freundlichen, wissbegierigen und sehr anhänglichen Kameraden, der sich allerdings vor Mutter und den aufgebrachten Bewohnern nicht lange geheim halten lässt. Die Lage eskaliert, als aus Washington ein Regierungsbeamte Kent in der festen Absicht anreist, die mysteriösen, staatsfeindlichen Vorkommnisse aufzuklären. In seiner Hysterie beordert er das schwer bewaffnete Militär nach Rockwell. In Panik geraten, entdeckt der bislang friedliche Gigant zerstörerische, nur schwer zu kontrollierende dunkle Seiten an seiner Existenz. Das Militär ist sogar bereit, im Notfall die als „Wunderwaffe“ gepriesene Atombombe gegen den vermeintlichen Todfeind einzusetzen.Als 1968 das Buch „Der Eisenmann“ von Edward James Hughes in England aufgelegt wurde, sollte seine anrührende Geschichte, die einst die Kinder des Autors über den Verlust ihrer Mutter hinwegtröstete, auch anderen Kindern auf fantastische Weise die Zeit vertreiben. Doch die Erlebnisse des kleinen Jungen mit seinem eisernen Freund erlangten binnen kürzester Zeit auch bei erwachsenen Lesern große Beliebtheit. Unter diesen befand sich der Multimedia-Künstler und „The Who“-Mitbegründer Pete Townshend, der nach dem Vorbild seiner Rock-Oper „Tommy“ einen „Song-Zyklus“ nach dem Kinderbuch realisierte. Dieser fungierte als Vorlage für eine Bühnenversion, die 1993 in London Premiere feierte. Townshend gab auch den Anstoß zu dem nun realisierten Zeichentrickfilm-Projekt. Über Jahre hinweg betreute er diverse Planungsphasen und kam schließlich mit Warner Bros. und dem Trickfilmregisseur Brad Bird („Die Simpsons“) zusammen, die das Projekt realisieren wollten. So entstand ein Film, der in dem von Disney dominierten amerikanischen Zeichentrickfilmmarkt eine formal und inhaltlich kaum zu überschätzende Trendwende markiert. Hatten die jüngsten Disney-Produktionen versucht, durch lebensnahe 3D-Computer-Animationen die Gesetzmäßigkeiten des Genres zu überwinden, um möglichst naturalistische Darstellungen zu erlangen, bekennt sich Birds Film weitgehend zur Zweidimensionalität und setzt lediglich im Maschinendesign des Roboters dezente Computereffekte ein. Dafür verwendeten die Character- und Backround-Designer besonders viel Sorgfalt, um den Figuren in einer detailfreudigen Umgebung ein Höchstmaß an natürlicher Mimik und Gestik angedeihen zu lassen. Ziel war es nicht, ideale menschliche Abziehbilder zu kreieren, sondern Figuren mit Ecken und Kanten, die dem Zuschauer sofort sympathisch sind, ohne dass ihnen der klassische Zeichentrick-Charme der Charaktere gänzlich ausgetrieben worden wäre. Auf den ebenfalls von Disney fest ins Trickfilmgenre implantierten Musical-Touch verzichtete man ebenfalls. Wie im „normalen“ Feature-Film üblich, wurde unter Townshends Gesamtleitung zeitgenössische Rock-Musik aus den späten 50er-Jahren verwendet, während Michael Kamen einen Score komponierte, der auf den Spannungsbogen, nicht auf vordergründige Musikunterhaltung zielt.Fast noch wichtiger als die formalen Komponenten sind die inhaltlichen Besonderheiten des Trickfilms in Abgrenzung zur „normalen“ Disney-Kost. Die Charakter-Typisierung der „menschlichen“ Hauptfiguren widerspricht auch hier deutlich den Genre-Konventionen: Der kleine Hogarth vereint nicht den Durchschnitt aller kindlichen Werte und Unwerte in sich, sondern ist ein eigenständiger Charakter, an dem sich der Zuschauer reiben kann. Der auf einem Schrottplatz lebende „Beatnik“ Dean, der sich mit Hogarth anfreundet und hilft, den eisernen Giganten zu verstecken, ist kein netter Mann von nebenan, sondern eine skurrile Randgruppen-Existenz. Die allein erziehende Mutter wird nicht nur deshalb etabliert, um am Ende den Idealzustand einer heilen Komplettfamilie zu erzeugen, sie repräsentiert vielmehr eine allzu oft verschwiegene gesellschaftliche Realität. Schließlich ist der Bösewicht in Form des Regierungsbeamten kein dumpfer Trottel, sondern eine echte Gefahr, die die gesamte Stadt in Todesgefahr stürzt. Sämtliche Anlagen der Rollen dienen dem Ziel, die Story trotz ihres fantastischen Potenzials ernst zu nehmen. Das verleiht der Geschichte jenseits des Schau- und Unterhaltungswertes eine fesselnde, realistische Ebene. Da „Der Gigant aus dem All“ nicht nur, aber auch ein Abenteuer- und Kinderfilm ist, nehmen die komödiantischen, temporeichen und melodramatischen Elemente einen breiten Raum ein. Der Weg von der ersten Begegnung Hogarths mit dem Außerirdischen über die langsame Annäherung und den Freundschaftsschluss, das gegenseitige Lernen bis hin zum dramatischen Showdown und dem Abschied besitzt Qualitäten, wie sie sonst nur in Spielbergs „E.T. – Der Außerirdische“
(fd 23 743) zu sehen waren. So ist es kein Wunder, wenn die emotionale Beteiligung des jungen wie des erwachsenen Publikums eine vergleichbare Intensität erreicht.Den älteren Zuschauern vorbehalten bleibt die politische Dimension der Geschichte: In die Ära des Kalten Krieges, der Glorifizierung der Atombombe und der Kommunistenhatz McCarthys verlegt, verteufelt „Der Gigant aus dem All“ die uramerikanische Panik vor allem Unamerikanischen; die Schizophrenie eines sich liberal gebenden Landes, in dem Fremdes mit aller Unverhältnismäßigkeit bekämpft wird, ohne die Chance einer Bewährung zu erhalten. Die Botschaft von Hogarth und dem eisernen Roboter lässt zumindest hoffen, dass die Ignoranz nicht über Toleranz und der Affekt nicht endgültig über den Geist siegt. Egal, welche der perfekt komponierten Ebenen den Zuschauer am meisten ansprechen: „Der Gigant aus dem All“ funktioniert als Parabel und als fantastischer Abenteuerfilm gleichermaßen. Das macht in einzigartig in der aktuellen amerikanischen Zeichentricklandschaft.