Public Enemy (2000)

- | Deutschland/USA/Großbritannien/Frankreich/Belgien/Finnland 2000 | 88 Minuten

Regie: Jens Meurer

Vier exponierte Vertreter der "Black Panther Party" geben Auskunft über ihre militanten Aktivitäten, mit denen sie in den 60er-Jahren für die Verwirklichung der Bürgerrechte schwarzer Amerikaner eintraten. Im Spannungsfeld zwischen Geschichte und Gegenwart werden die Früchte dieses Engagements ebenso dargestellt, wie Porträts von Menschen gezeichnet werden, die ihr eigenes Leben kritisch reflektieren. Verbunden mit einer gehörigen Portion an selbstironischem Humor, bringt der vielschichtige Dokumentarfilm schwarzes Selbstbewusstsein eindrucksvoll zur Geltung. (O.m.d.U.) - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
PUBLIC ENEMY
Produktionsland
Deutschland/USA/Großbritannien/Frankreich/Belgien/Finnland
Produktionsjahr
2000
Produktionsfirma
Archipel 33/Avek/Egoli Films/Entre Chien et Loup/Kinotar Oy/NDR/La Sept Arte/RTBF/Yie TV1/Channel Four
Regie
Jens Meurer
Buch
Jens Meurer
Kamera
Torsten Lippstock
Musik
Nile Rodgers
Schnitt
Anne Weil
Länge
88 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.

Diskussion
Mitte der 60er-Jahre befand sich die USA in einem Zweifrontenkrieg: In Vietnam wollte sich der Vietcong der Supermacht nicht beugen, an der Heimatfront lehnten sich die Schwarzen gegen Rassentrennung und Benachteiligung auf; diesmal freilich nicht in verhuschter „Onkel Tom“-Attitüde, sondern selbstbewusst ihre Rechte notfalls mit Gewalt fordernd. Militante Speerspitze der Bewegung war die „Black Panther Party“, deren Mitglieder durch ihr martialisches Auftreten – schwarze Lederjacken, Baretts, dunkle Sonnenbrillen, Afrofrisuren und grimmige, zu allem entschlossene Mienen – allein der weißen Mehrheit das Fürchten lehrten. Hinzu kam die offen zur Schau getragene Bewaffung, die wegen der Waffengesetze in den USA nicht gegen geltendes Recht verstieß. Der in Deutschland geborene, im Apartheids-Staat Südafrika aufgewachsene Dokumentarfilmer Jens Meurer rekapitiliert die Geschichte dieser Bewegung, wobei er sich nicht damit begnügt, historische Fakten und politische Statements aneinanderzureihen, um einen exakten geschichtlichen Abriss wiederzugeben; vielmehr wählt er einen äußerst sinnlichen Zugang, indem er vier überlebende Panther, zwei in der Führungsspitze der Party tätig, in Amerika aufsucht und sie ihren Kampf rekapitulieren lässt. Dadurch entsteht nicht nur ein gewollt subjektives Geschichtsbild, sondern zugleich wird deutlich, wie sich das Leben der aktiv Beteiligten verändert hat, wie sich ihre Lebenswege entwickelten und welche (mehr oder weniger öffentlichen) Stellungen sie in den USA am Ende der 90er-Jahre innehaben. Durch dieses Spannungsfeld zwischen Geschichte und Gegenwart wird auf einer kaum sichtbaren Metaebene erkennbar, wie sehr ihr Kampf gegen Rassismus das Leben aller Schwarzen in den Staaten verändert hat; eine Leistung, auf die sie stolz sein können, auch wenn nicht alle Ziele der „Panther“ in ihrer Radikalität erreicht wurden. Mit Bobby Seale und Kathleen Cleaver konnten zwei der bedeutendsten Aktivisten der Bewegung zur Mitarbeit gewonnen werden. Seale war Gründer und Vorsitzender der „Black Panther“, Kathleen Cleaver ranghöchstes weibliches Mitglied und Frau des radikalen Wortführers Eldridge Cleaver. Heute ist sie Universitätsdozentin, immer noch politisch aktiv, doch wesentlich gemäßigter. Ein Wandel, der sich auch in ihrer Haartracht ausdrückt: Gingen Fotos von ihr im Afro-Look in den 60er-Jahren um die Welt, so hat sie die krausen Haare nun glätten lassen und zu Zöpfchen geflochten: eine attraktive Frau, die sich feminin zur Geltung bringt. Anders verhält es sich mit Seale, dem einzigen Überlebenden der Panther-Führungsriege. Der revolutionäre Elan von einst ist einer Ironie gewichen, mit der er sich über politische Aktivitäten und die Zustände im Lande auslässt. Mit unterhaltsamen Vorträgen über die „bewegte Zeit“ und als Autor von Kochbüchern verdient er seinen Lebensunterhalt. Ein wieder ganz anderes Schicksal bietet Jamal Joseph, der wegen Panther-Verbrechen zehn Jahre lang im Gefängnis saß und 1988 frei kam. Während seiner Haft avancierte er zum gefeierten Theaterautor, heute lebt er in Harlem, hat sich in einem typisch amerikanischen Leben eingerichtet und betreut Schauspielkurse Jugendlicher. Shooting-Star der ehemaligen Panther ist Nile Rodgers, der mit seiner Musik zum erfolgreichsten Schwarzen der Staaten wurde. Er komponierte u.a. die Bewegungshymne „We are Family“, gilt als Erfinder des Rap und ist einer der erfolgreichsten Plattenproduzenten der Welt. Rodgers stellt sich und seinen Luxus nicht ganz ohne Eitelkeit vor, erinnert sich aber gerne an die alten Zeiten. Aus der Mischung aus Historie und Gegenwart ist ein ebenso faszinierender wie erhellender Dokumentarfilm entstanden, der unmerklich in Kapitel eingeteilt ist, die über die Oganisationsform der Panther Aufschluss geben. So war das bewusst „coole“ Auftreten der Aktivisten von Anfang an als Marketing-Strategie konzipiert, war das Frühstücksprogramm für Schulkinder („Essen, um lernen zu können“) nicht nur aktive Hilfe, sondern Synergieeffekt im bewaffneten Kampf. Indem diese Verästlungen dargestellt werden, entsteht das Bild einer extrem durchdachten Aktion, die nicht auf Tageserfolge ausgerichtet war, sondern Fernziele verfolgte. Der Film verdichtet diesen Eindruck durch Archivmaterial, dessen geschickt ausgewählte Dokumente den Eindruck der Bedrohung verdeutlichen, der sich weiße Amerikaner in den 60er-Jahren ausgesetzt sahen. Durch die schwarz gekleideten Schwarzen werden nicht nur die historischen Eckdaten unterstrichen, sondern diese Bilder verdeutlichen den großen psychologischen Druck, dem sich das weiße Establishment und seine Regierung ausgesetzt sahen: „Power to the People!“ Doch Meurers Film leistet noch mehr: Neben der Erinnerungsarbeit und der Trauerarbeit um die vielen Toten stellt er erkämpftes schwarzes Selbstbewusstsein in einen recht humorvollen Kontext. Etwa wenn Bobby Seale ein Feuergefecht mit weißen Polizisten schildert und die Rollen der fünf beteiligten Kombattanten gleichzeitig übernimmt; oder die Bar-Szene mit den in die Jahre gekommenen Kämpen, die sich halb tot lachen, als sie sich an ihren Plan zur Befreiung Südafrikas erinnern. Während sie sich zuprosten und kichern, steht ein weiterer Schwarzen neben ihnen. Damals als FBI-Spitzel in die Panther eingeschleust, ist er nun einer von ihnen in einer neuen Community und wird ins Gespräch einbezogen. Eine Szene, die vor drei Jahrzehnten undenkbar gewesen wäre und die damaliges wie heutiges Bewusstsein belegt: „We are Family!“. Ein Blick zurück, nicht im Zorn, sondern im Zeichen der Tatsache, dass revolutionäre Veränderungen möglich sind und sich die Opfer gelohnt haben.
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