Rien sur Robert

- | Frankreich 1998 | 107 Minuten

Regie: Pascal Bonitzer

Ein Filmkritiker, der ohne Skrupel über einen Film schreibt, den er nicht gesehen hat, wird zum Gespött der intellektuellen Kreise. Zudem fühlt er sich von einem Schriftsteller verfolgt, den er für sein Alter ego hält, und wird von seiner Geliebten verlassen, die mit Männern und deren Gefühlen genauso sorglos umgeht wie er mit Fakten. Komödie über eine moderne Gesellschaft voller egoistischer und oberflächlicher Menschen, die nicht wissen, was sie wollen, und die niemanden an sich heranlassen. Ein dialogbetonter Film voller philosophischer Gedanken, getragen von amüsanter Situationskomik und glänzenden Darstellern. - Sehenswert.
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Filmdaten

Originaltitel
RIEN SUR ROBERT
Produktionsland
Frankreich
Produktionsjahr
1998
Produktionsfirma
Rezo Films/Assise Prod./France 2 Cinéma
Regie
Pascal Bonitzer
Buch
Pascal Bonitzer
Kamera
Christophe Pollock
Musik
Bruno Fontaine
Schnitt
Suzanne Koch
Darsteller
Fabrice Luchini (Didier Temple) · Sandrine Kiberlain (Juliette Sauvage) · Valentina Cervi (Aurélie Coquille) · Michel Piccoli (Ariel Chatwick-West) · Bernadette Lafont (Mme Sauvage)
Länge
107 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert.
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Diskussion
Didier, der Filmkritiker, ist eine wahrhaft tragische Figur: Er hat nicht nur über einen Film geschrieben, den er nicht gesehen hat, sondern ihn auch noch als „faschistisch“ bezeichnet. Die Sache fliegt auf, Didier ärgert sich - nicht über seinen unverzeihlichen Fehler, den er als solchen gar nicht erkennt, er weiß nicht einmal, ob der Film ein bosnischer oder ein serbischer war, und es ist ihm auch egal; er ärgert sich darüber, dass er zum Gesprächsthema der intellektuellen Kreise geworden ist, um deren Anerkennung er buhlt und von denen er nun gnadenlos verspottet wird. Außerdem ärgert er sich, weil seine Geliebte Juliette ihm gestern noch sagte, dass sie ihn liebe, und heute genauso locker und unbeteiligt erwähnt, dass sie auch mit dem Fernsehproduzenten schläft, den sie gerade kennen gelernt hat, obwohl sie ihn gar nicht mag, und dass das alles nichts zu bedeuten habe.

Anfangs lacht man über alle diese kaputten, bemitleidenswerten Typen, denn die, die über Didier reden, sind auch nicht besser. Um ihre Langeweile und Bedeutungslosigkeit zu überspielen, palavern sie wortreich über Literatur und Lebensphilosophie, ohne etwas zu sagen oder wenigstens zu versuchen, auf den anderen einzugehen, denn dazu sind alle viel zu egoistisch. Das deutet der Filmtitel „Nichts über Robert“ schon an: Es gibt keine Figur namens Robert. Allerdings hat Pascal Bonitzer eine kleine Szene in einer Buchhandlung eingefügt, in der er als Kunde nach einem Buch fragt, und Juliette, die Aushilfsverkäuferin, ihm die Antwort gibt: „Nein, wir haben nichts über Robert Desnos“. Bonitzers Film ist - wie alle Autorenfilme - autobiografisch: Der Autor und Regisseur war früher Filmkritiker der „Cahiers du Cinéma“, Robert ist der wirkliche Vorname von Fabrice Luchini, der die Hauptrolle spielt. „Nichts über Robert“ kokettiert mit einem bekannten Titelmuster, das Thema des Films mit anderen Sozialstudien, die in Frankreich ein eigenes Genre bilden, Luchini mit sich selbst als sich um alle Chancen redende Nervensäge, und Bonitzer kokettiert durch seinen Kurzauftritt mit Hitchcock und Woody Allen. Auch ohne diese Anspielungen amüsiert man sich über diese unverfrorenen Intellektuellen, ihre verlogenen Gesten und scharfen Dialoge - bis man merkt, wie erschreckend gründlich diese subtile Komödie die oberflächliche Gesellschafts- und Medienwelt der jüngeren und mittleren Generation widerspiegelt. Dabei muss man weniger an schwarze journalistische Schafe mit gefälschten Interviews denken als an die zahlreichen Eiferer, die lautstark öffentlich und mit medienwirksamen Aktionen gegen Kinofilme protestieren und sie verdammen, ohne sie gesehen haben; und an junge Leute, die ihre Sexualpartner permanent wechseln, allein schon, weil das „in“ und das andere Geschlecht verachtenswert ist.

Didier und Juliette (hinreißend trocken gespielt von Fabrice Luchini und Sandrine Kiberlain) sind nicht die einzigen bemitleidenswerten Geschöpfe. Da gibt es noch den sarkastischen Professor und die Gäste seiner Tafelrunde, die ungeniert weiter über Didier herziehen, als er sich aufgrund eines Missverständnisses als eingeladen betrachtet und sich zu ihnen an den Tisch setzt. Erst nach einer Weile merkt Didier, dass sie über ihn herziehen. Gedemütigt rennt er weg und trifft in dem fremden Haus die hübsche, seltsame Aurélie, die sich meistens einschließt, und Jerôme, den jungen erfolgreichen Schriftsteller, den er beneidet (auch Didier wäre lieber ein Schriftsteller, weil das mehr Prestige hat) und von dem er sich verfolgt fühlt. So leben alle in ihrer eigenen Welt und merken gar nicht, wie sehr sie die anderen verletzen. Anders als bei Eric Rohmer wird bei Bonitzer jedoch nicht nur geredet. Juliette verlässt Didier schließlich doch, und Didier verliebt sich in die geheimnisvolle Aurélie. Aber man spürt, dass die beiden auch mit ihren neuen Partnern nicht glücklich sein können, so langweilig und selbstzerstörerisch, wie sie daher reden. Trotz der hervorragenden Darsteller, die mal theatralisch, mal erschreckend natürlich wirken: Bonitzers Film lebt vor allem von den witzigen Dialogen und der neuen Form einer Situationskomik der Gleichgültigkeit. Wegen seiner starken Wortlastigkeit erscheint der Film zwar eher wie eine Folge von plakativen Theaterszenen mit philosophischen Gedanken, auch wenn er eine durchlaufende Handlung hat, am Ende aber, wenn Didier einsichtig wird und mit Aurélie allein in der weiten Hügellandschaft steht, findet er doch noch eindrucksvolle Bilder und kippt ins Poetisch-Romantische. Aber selbst dann noch filmt die Kamera aus der Distanz, als hätte auch sie Angst, den Figuren zu nahe zu kommen.
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