Ein junger indischer Adeliger verläßt auf der Suche nach dem Sinn des Lebens sein Elternhaus. Sein Weg führt ihn über eine Asketenschule und die Begegnung mit Buddha in die Arme einer Kurtisane. Doch weder Wohlstand noch sinnliche Leidenschaft stillen seine Sehnsucht, in die sich tiefer Schmerz mischt, als sich sein Sohn von ihm abwendet. Erst als Fährmann findet er Ruhe und inneren Frieden. Werkgetreue Adaption von Hermann Hesses Roman "Siddhartha", der die spirituelle Ich-Suche in kunstvoll komponierte Bilder übersetzt und seelische Zustände primär atmosphärisch widerspiegelt. Obwohl erst 1972 fertiggestellt, reflektiert der Film Stimmungen und Gedanken der amerikanischen Protestbewegung.
Siddhartha
- | USA 1972 | 88 Minuten
Regie: Conrad Rooks
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Filmdaten
- Originaltitel
- SIDDHARTHA
- Produktionsland
- USA
- Produktionsjahr
- 1972
- Produktionsfirma
- Lotus-Rooks
- Regie
- Conrad Rooks
- Buch
- Conrad Rooks
- Kamera
- Sven Nykvist
- Musik
- Hemant Kumar
- Schnitt
- Willy Kemplen
- Darsteller
- Shashi Kapoor (Siddhartha) · Simi Garewal (Kamala) · Romesh Sharma (Govinda) · Pincho Kapoor (Kamaswami) · Zul Vellani (Vasudeva)
- Länge
- 88 Minuten
- Kinostart
- -
- Fsk
- ab 6; f
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- IMDb | TMDB
Heimkino
Diskussion
Hermann Hesses Roman "Siddhartha" zählt zu dm meistgelesenen Werken des 20. Jahrhunderts. Ihre Popularität verdankt die 1922 erschienene Erzählung hauptsächlich der Wiederentdeckung des Autors durch die Jugend- und Protestbewegungen der 60er Jahre, die in Hesses romantischem Subjektivismus einen Spiegel ihres Unbehagens an der Moderne fand. Neben "Steppenwoli"" avancierte vor allem die religiös-psychologische Entwicklungsgeschichte Siddharthas zum Kultbuch einer Generation, die das Recht auf Freiheit und persönliche Erfahrung gegen jeden zivilisatorischen Zwang emphatisch einklagte. Der Zwiespalt zwischen Geist und Sinnlichkeit, gesellschaftlichen Normen und schöpferischer Selbstbestimmung sowie das Ringen um Überwindung dieser Gegensätze in einer mystisch verinnerlichten Lebensform sichert Hesse seither weltweit ein bleibendes Interesse an der Nahtstelle zwischen Pubertät und Adoleszenz.Auch die amirikanische Independent-Legende Conrad Rooks stieß in jungen Jahren auf die "indische Dichtung", als er in den Kreisen um die New Yorker Beat-Literaten Jack Kerouac und Allen Ginsberg verkehrte. In der verzweifelten Ich-Suche des Brahmanensohns erkannte Rooks die Folie seines eigenen Lebens. 1934 geboren, war er schon früh Alkohol und Drogen verfallen und pendelte zwischen Halluzinationen und Lebensekel, wie er es in dem stark autobiografisch geprägten Debütfilm "Chappaqua" thematisierte, der 1966 in Venedig mit dem "Silbernen Löwen" ausgezeichnet wurde. Mit der Idee, Hesses legendenhaften Roman zu verfilmen, trug er sich seit der Lektüre. Doch es dauerte viele Jahre, bis die Dreharbeiten in Indien beginnen konnten. Als der Film 1972 endlich fertig war und in Venedig erneut einen "Silbernen Löwen" erhielt, schien Rooks Karriere gesichert. Doch der 38jährige kehrte Amerika den Rücken, reiste nach Asien und ließ sich in Thailand nieder, wo er heute noch lebt. Die spirituelle Sehnsucht des Romanhelden, sein Streben nach Einsicht und Erleuchtung, scheint zum Vorbild von Rooks eigenem Leben geworden zu sein.Die Verehrung Hesses und seiner Erzählung ist auch dem Film anzumerken, der sich spürbar um große Werktreue bemüht. Siddharthas wechselvoller Weg wird in allen Phasen von der elterlichen Ablösung bis zur letzten Station als Fährmann am Fluß nachgezeichnet. Den jugendlichen Adeligen vermögen die überlieferten Lehren und Riten der Brahmanen nicht zufriedenzustellen. Zusammen mit seinem Freund Govinda schließt er sich einer Asketenschule an und übt sich im Fasten, Warten und Nachdenken. Zum Mann gereift, verspürt Siddharta noch immer eine innere Unruhe und erkennt, daß die gesuchte Erfüllung nicht das Resultat bloßer Willensanstrengung sein kann. Beide nehmen ihre Wanderschaft wieder auf und stoßen auf Buddha und seine Mönche. Govinda tritt ihnen bei, Siddhartha aber treibt es weiter, bis er der Kurtisane Kamala begegnet und sich bei einem Kaufmann verdingt, um die Ansprüche seiner Geliebten zu erfüllen. Der Kunst des Kamasutras aber mangelt die Liebe und die schwindende Distanz gegenüber der Welt des Handels öffnet der Habgier das Tor. Angewidert von sich selbst, sucht Siddhartha den Tod. Der Fluß aber wirft ihn wieder ans Land, wo er als Gehilfe Vasudevas das ewige Fließen des Wassers, das nie das gleiche und doch immer dasselbe ist, als wahren Meister verstehen lernt. Noch aber hat der Weisheitsschüler den Schmerz nicht kennengelernt, der in seiner Seele brennt, als die sterbende Kamala ihm seinen Sohn übergibt, dieser aber von Siddhartha nichts wissen will. Rooks Adaption teilt alle Stärken und Schwächen der Vorlage, weil er die Geschichte nicht interpretiert, sondern "lediglich" in sorgfältig komponierte Bilder übersetzt. Zusammen mit seinem Kameramann Sven Nykvist entwirft er einen meditativen Bilderbogen voller kunstvoll stilisierter Aufnahmen, in denen Farbe und Atmosphäre die wechselnden Seelenlagen der Figuren widerspiegeln. Über dem elterlichen Palast liegt ein Hauch von unbestimmtem Drang, die Liebesspiele sind in ein magisches Licht-und Schattenreich getaucht, Prunk und edle Stoffen glänzen in den Hallen des Reichtums, über die Feuerbestattung Kamalas legt sich ein grauer, schwerer Nebelschleier. Die Natur schimmert mal paradiesisch-üppig, mal düster-verhangen, am Ende steuert der zur Ruhe Gekommene sein Bambusfloß mit Govinda bescheiden und grauhaarig in glitzernd-sanfte Helligkeit. Der ruhige Rhythmus paßt sich der parabelhaften Konstruktion ebenso an wie die tableauartigen Einstellungen, in denen sich die literarischen Dialoge trotz ihres Sentenzencharakters fast wie normale Sätze ausnehmen. Wer sich auf diesen Ton einer Heiligenvita einzulassen vermag, wird nicht nur viele Details, sondern auch die Grundzüge der wichtigsten indischen Weisheitslehren entdecken und mit dem Helden den Pfad über Rituale, Askese, Genuß und Schmerz bis zum inneren Einklang in den Kreislauf von Werden und Vergehen durchschreiten. Nur auf eine im psychologischen Sinne skizzierte Entwicklung sollte man nicht warten, wie auch Hesses religionstheologisches Anliegen, einen Heilsweg mit und durch alle Religionen zu begründen, bloß am Rande gestreift wird. Aus dem Abstand von 25 Jahren wird freilich auch deutlich, wie sehr selbst eine werkimmanente Verfilmung den Moden ihrer Zeit verhaftet ist: Das Pathos, mit dem Siddhartha die Ablösung vom Elternhaus feiert und bekräftigt, daß er als freier Mensch geboren sei, ist einer Generation, die mit Dreißig nur widerstrebend den Titel der Jugend aufgibt, so fremd geworden wie die spirituelle Suche nach einem Sinn im Leben. Rooks "Siddhartha" speist sich, obwohl inhaltlich wie formal nur schwer zu vergleichen, aus demselben Geist, der Dennis Hoppers uramerikanisches Road Movie "Easy Rider" (fd 16 524) inspirierte.
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