Deckname Dennis

Dokumentarfilm | Deutschland 1997 | 101 Minuten

Regie: Thomas Frickel

Dennis R. D. Mascarenas wird als vorgeblicher Fernsehjournalist von den USA aus nach Deutschland geschickt, um hinter die elementaren Merkmale dieses Landes und seiner Bewohner zu kommen. Ist das deutsche Volk, so die Frage im Hintergrund, in der Lage, in einem vereinten Europa Führungspositionen einzunehmen? Dem fülligen Amerikaner und damit dem verblüfften Zuschauer offenbaren sich ungeahnte Perspektiven in aktuelle Befindlichkeiten. Eine gelungene Synthese aus Spiel- und Dokumentarfilm, die ihr brisantes Thema buchstäblich von der Straße holt. - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
1997
Produktionsfirma
HE-Film Rüsselsheim
Regie
Thomas Frickel
Buch
Thomas Frickel · Matthias Beltz
Kamera
Thomas Frickel · Dieter Matzka · Pavel Schnabel
Musik
Dietmar Staskowiak
Schnitt
Thomas Frickel
Darsteller
Dennis R. D. Mascarenas · Christian Doermer
Länge
101 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 6; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Dokumentarfilm
Externe Links
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Diskussion
Daß sich die Realität oft aberwitzig darstellt, als dies kühnste Fiktionen vermögen, kann als Binsenweisheit durchgehen. Angesichts dessen muten die Verrenkungen, die so mancher Drehbuchautor oder Autorenfilmer anstellt, um dem Zeitgeist auf die Schliche zu kommen, kurios an. Denn die besten Stoffe liegen im Wortsinne auf der Straße, warten vergeblich darauf, als solche erkannt zu werden. Thomas Frickel und sein Co-Autor Matthias Beltz haben sich dieses Umstands vergewissert und gleichzeitig zu einer gelungenen Synthese aus Dokumentarischem und Narra-tivem geführt. Ihre Methode ist dabei ebenso einfach wie wirksam: Die Kunstfigur Dennis wird von USA aus als Agent nach Deutschland geschickt, um dort hinter die Wesensmerkmale des deutschen Volkes zu kommen. Ist diese Nation, so wollen die Auftraggeber herausfinden, in der Lage, eine Führungsrolle im geeinten Europa zu übernehmen? Dennis soll seine Mission als vorgeblicher Fernsehreporter antreten: seine Fragen kann er auf diese Weise völlig offen stellen. Der Zuschauer, ausgestattet mit einem Wissensvorsprung gegenüber den realen Figuren des Films, begleitet den Amerikaner nun auf seine Odyssee durch unsere Heimat. Und da erwartet ihn so manches.

Dennis schlägt sich kreuz und quer durch das gesamtdeutsche Gemeinwesen, übernachtet in billigen Hotelzimmern, scheut keinen noch so anrüchigen Kontakt. Seine Erlebnisse und daraus folgenden Mutmaßungen spricht er pflichtbewußt auf ein Diktiergerät oder tippt sie mühselig in eine Schreibmaschine. Mal scheint er ganz dicht an der Essenz hiesiger Mentalität, mal resigniert er ob der offenkundlichen Widersprüche. Frau Elisabeth Noelle-Neumann empfiehlt ihrem Gast, am besten Jeans zu tragen, um in Deutschland nicht aufzufallen, aus gegebenem Anlaß hingegen unbedingt einen Schlips. Unauffälligkeit sei schließlich eine der Grundtugenden dieses Volkes. Der Betreiber eines Gartenzwergmuseums, preist seine Exponate als nationale Metapher, Sprecher der "Deutschen Autofahrerpartei" bezeichnen ihre Klientel als "Juden von heute", denn in Deutschland sei immer einer der Buhmann. Landsmann- und Burschenschaftler, Verschwörungstheoretiker diverser Coleur, NPD-Kader, Bundestagsabgeordnete usw. geben bereitwillig Auskunft über ihre Definition des deutschen Wesens. Dazu kommen noch zahllose marginale Begegnungen und Erlebnisse, die das Gesamtbild auf pittoreske Weise abrunden. So wird dem Amerikaner u.a. eine vier Meter lange Bratwurst mit Echtheitszertifikat serviert, er sieht sich gleich mit vier Ausgaben der "größten Kuckucksuhr der Welt" konfrontiert, ein verwirrter Erfurter Künstler versucht, seine eigene, ehrgeizige Skulptur zu deuten. (Mehr soll nun aber aus dem Füllhorn der Absonderlichkeiten nicht verraten sein!) Offensichtlich löst dieser füllige Amerikaner in Holzfällerhemd und Base-cap bei seinen Gesprächspartnern einen unterschwelligen Schutzimpuls aus - ihm als Ausländer versucht man, die jeweils bewegenden Umstände besonders eindringlich und elementar zu erläutern, idiotensicher sozusagen. Dadurch eröffnen sich auch dem Zuschauer ungeahnte Perspektiven in sonst eher verdeckt gehaltene Glaubensgrundsätze: undenkbar, daß einem "normalen" Aufnahmeteam dergleichen zu Ohren und Augen gekommen wäre. Natürlich beantwortet auch der Film nicht die vom Romancier Walter Abish mit "Wie deutsch ist es?" formulierte Frage, wie sollte er auch. Selten hat man jedoch auf hiesigen Leinwänden ein derart unverkrampftes und selbstironisches Porträt aktueller Befindlichkeit sehen können.
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