Anna Karenina (1996)

- | Großbritannien 1996 | 108 Minuten

Regie: Bernard Rose

Erneute Verfilmung von Tolstois Roman um den Ehebruch einer Dame im Rußland des 19. Jahrhunderts. Eng an die Vorlage angelehnt, zeigt der Film mit aufwendiger Ausstattung und Detailtreue das Leben der feinen Gesellschaft, konzentriert sich aber immer auf deren Psychologie. Hervorragend fotografiert und gespielt. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
ANNA KARENINA
Produktionsland
Großbritannien
Produktionsjahr
1996
Produktionsfirma
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Regie
Bernard Rose
Buch
Bernard Rose
Kamera
Daryn Okada
Musik
Georg Solti
Schnitt
Victor Dubois
Darsteller
Sophie Marceau (Anna Karenina) · Sean Bean (Graf Wronskij) · Alfred Molina (Konstantin D. Lewin) · Mia Kirshner (Kitty) · James Fox (Alexej A. Karenin)
Länge
108 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
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Diskussion
Fünf Filmversionen des Romans von Leo Tolstoi lagen bisher vor, darunter ein Ballettfilm. Die erste und wohl beständigste zeichnete vor allem die auratische Präsenz von Greta Garbo in der Titelrolle aus. Weder Jaqueline Bisset (1985) noch, wie in dieser jüngsten Verfilmung, Sophie Marceau befinden sich in der Position, allein durch ihre Präsenz die Tragik der Karenina abbilden zu können. Sophie Marceau setzt an die Stulle inszenierter Göttlichkeit eine nuancenreiche Schauspielkunst, mit der sie die Figur als durchaus menschliches Wesen darstellt, ohne je profan zu wirken. Immerhin gehört Anna Karenina, die sich weder mit aller Macht den Konventionen ihres Standes anpaßt noch sich in rebellischer Pose gefällt, sondern nur das Glück in der Liebe sucht - zum Liebhaber wie zum kleinen Sohn -, ieit jeher zu den faszinierendsten Frauenfiguren der Romanliteratur, vergleichbar vielleicht noch mit Emma Bovary.

Bernard Rose ("Ludwig van B.", fd 31 550) nahm Anna Karenina darüber hinaus die Last einer Zentralfigur und verlagerte den Schwerpunkt des Films auf den Landsherren Lewin, der die Karenina kaum je zu Gesicht und mit den Ereignissen um ihren Ehebruch nur sporadisch zu tun bekommt. Lewin erhält eine moralische Schlüsselfunktion: Rose läßt ihn die Geschichte erzählen, nicht als allwissender Autor wie Tolstoi selbst, der sich in die Gedanken aller seiner Figuren zu vertiefen pflegte, sondern als neugieriger, vorurteilsfreier Beobachter. Auch Lewin sind Konventionen gleichgültig, auch er glaubt an wenig mehr als an die Liebe, und auch er liebt nur eine einzige - von der er allerdings glaubt, daß sie gerade den Offizier liebt, mit dem sich die verheiratete Anna Karenina auf eine Liebesaffäre einläßt. Der kurze Epilog identifiziert Lewin mit Tolstoi selbst, was sicher nicht allzu weit hergeholt ist. Aber Lewin verkörpert ebensogut die Haltung des Regisseurs: Rose ist wie Lewin ein Beobachter, dem die Adelsgesellschaft in Moskau und St. Petersburg am Ende des 19. Jahrhunderts wie ein bunter, glitzernder Zirkus vorkommt, weswegen er sie aber nicht verhöhnt. Immer wieder sind aurwendige Szenen protziger Machtentfaltung zu sehen, Bälle, Bankette und Turniere, doch Rose verliert dabei nie den Seelenzustand seiner Protagonisten aus den Augen. Und keinen Moment zu lang gibt er die oberflächlichen Dialoge wieder, die diese Gesellschaft fordert und über die man so genüßlich spotten könnte. Lieber hält er sich an die Vorlage und weiß die darin beschriebenen minimalen Verstimmungen, die ein falsches Wort, ja ein falscher Ton auslösen kann, mittels eines stummen Blickes seiner Darsteller zu vermitteln.

Alfred Molina als wenig selbstbewußter Außenseiter, der seine Seelenverwandtschaft zu Anna nicht leugnet, ist brillant, auch wenn er ebenso wie James Fox als Annas betrogener Ehemann beinahe in die Kategorie "Typecasting" fällt. Auch Sean Bean hat die Rolle von Annas Liebhaber sicher nicht zuletzt wegen des schneidigen Aussehens bekommen, von dem Tolstoi immer wieder spricht. Aber so unzugänglich sein Charakter bleibt, so bleibt er auch für Anna ein Geheimnis, was nicht zuletzt an ihrer tiefen Verzweiflung schuld ist. Ausgesuchte Schauplätze und eine ebenso präzise wie variantenreiche Fotografie kennzeichnen den optischen Eindruck, den der Film hinterläßt. Rose drehte in Rußland und nutzte die eindrucksvollen Kulissen der beiden Herrscherstädte für seine Zwecke. Den Stadt- wie den Landszenen ist das rein Illustratorische fremd; wie "location shots" mischen sie sich zwar unter die intimen Großaufnahmen, die die nicht minder intimen psychologischen Kämpfe seiner Figuren zeigen, aber die Balance und Kalkuliertheit der Aufnahmen will auf behutsame Weise Seelenlandschaften abbilden oder wenigstens Stimmungen vermitteln, nachwirken lassen oder auch vorwegnehmen. Musikalische Unterstützung erhielt Rose von Sir Georg Solti, der für den Film die St. Petersburger Philharmoniker dirigierte. Viel Tschaikowskij, weniger Rachmaninoff und ein wenig Prokofjew ist zu hören, wobei der Soundtrack vielleicht einige Male zu oft Tschaikowskijs allzu strapazierten "Eugen Onegin" bemüht; dennoch ergibt sich ein beeindruckendes Klangbild, ebenso unvergänglich wie die Geschichte der Anna Karenina und ebenso von beständiger Schönheit wie die Bilder des Films.
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