Die Maus Feivel ist ein Auswanderer. Das war schon im ersten Teil von Steven Spielbergs "American Tail" so ("Feivel, der Mauswanderer", fd 26 220), und weil es der Kalauer so will, ist er der "Mauswanderer" geblieben. Jetzt geht die Wanderschaft gen Westen, wohin sich die Familie Mouskewitz leichtfertig vom ruchlosen Kater Waul locken läßt. Im goldenen Westen sei, so läßt er durch eine Mäuse-Marionette verlauten, der Frieden zwischen Katz' und Maus schon Wirklichkeit. Und wer wollte in der allgemeinen Aufbruchs-Euphorie schon auf die Kassandra-Rufe des kleinen Feivel hören, der ein konspiratives Katzentreffen belauscht hat - gilt der Junior doch als Träumer, der am liebsten ein so großer Sheriff wäre wie sein Vorbild, der legendäre "Wylie Burp".Nun wäre dies ein rassistischer Film, gäbe es nicht auch gute Katzen darin. "Tiger" zum Beispiel ist ein gutmütiger Straßenkater, der seiner angebeteten Katzendame in den Westen folgt, unterwegs aber - ebenso wie Feivel - verlorengeht. Gemeinsam erreicht man dann doch das Ziel, eine kleine Western-Stadt, in der die fleißigen Mäuse-Immigranten aus dem Osten bereits wertvolle Aufbauarbeit geleistet haben - unwissend, daß sie dabei nur ihre eigene Mausefalle errichteten. Einzig "Tiger" ließe sich gegen seine bösartigen Artgenossen ins Feld schicken, doch erst einmal muß aus dem faulen Kater ein richtiger Westmann werden. Das gelingt mit Hilfe eines unverhofften Lehrmeisters, denn auch den alten Hundesheriff "Wylie Burp" hat es an diesen Ort verschlagen. An seinem legendären Ruf ist nicht zu zweifeln, denn seine Stimme gehört im Original keinem geringeren als James Stewart (in der deutschen Fassung ist Stewarts alter Sprecher Siegmar Schneider zu hören). Wenn schließlich nach spannendem Showdown den bösen Kater Waul das verhaßte Leben als Schoßkater einer Bardame erwartet, ist das nicht allein das Verdienst von Burps "großem Bluff sondern auch das des kleinen Feivel, der sich seinen Sheriff-Stern redlich verdient hat.Spielbergs Filme hatten schon immer eine große Affinität zum Zeichentrickfilm Disneyscher Prägung, und sichtlich gefällt sich Spielberg in der Rolle des Trickfilmproduzenten. Tatsächlich geht die Renaissance des großen Zeichentrickfilms in den Kinos zu einem guten Teil auf Spielbergs Konto, hatte er doch mit "Falsches Spiel für Roger Rabbit"
(fd 27 150) eindrücklich die Nostalgie beschworen, die noch immer von der goldenen Zeit des Mediums in den 30er bis 50er Jahren ausgeht. Ebenso plant Spielberg seine Filme weniger durch wortreiche Drehbücher als durch bildkräftige Storyboards; seine Methode, alle Einstellungen vorher aufzuzeichnen - eine Erfindung Disneys - ist für den Trickfilm ideal, braucht doch diesen Bildentwürfen "nur" noch Leben eingehaucht zu werden. Auch "Feivel, der Mauswanderer im Wilden Westen" ist mit großer Sorgfalt animiert, wobei traditionellen Techniken der Vorrang vor aufwendiger Computer-Animation gegeben wurde (eine imposante Ausnahme ist die Flugaufnahme der letzten Einstellung). Die dramatische Hintergrundgestaltung persifliert liebevoll die Landschaftsfotografie klassischer Western mit dramatischem Wolkenhimmel über der Wüste. Im ästhetischen Gesamtbild standen erneut Filme Disneys Pate, diesmal die hierzulande fast unbekannten Anthologien amerikanischer Fabeln aus den 40er Jahren: vor allem in "Melody Time" finden sich die glühenden Farben, die Spielberg jetzt wieder anrühren ließ. In einem Punkt aber wurde bewußt mit dem Disney-Vorbild gebrochen: es fehlen alle Grausamkeiten, geschossen wird schlimmstenfalls mit Korken. So entstand ein sehenswerter Film für die ganze Familie.