Unter allen filmischen Variationen des Spaniers Luis Buñuel zu seinen Lieblingsmotiven Obsessionen, Fetische und Träumen gehört „Belle de Jour“ zu den formvollendetsten. Ausgehend von einem Roman von Joseph Kessel über das Absinken einer Frau aus dem Bürgertum zur Prostituierten und ihre schlussendliche Rettung, macht sich Buñuel den Stoff auf seine spezifische Art zu eigen, wobei insbesondere der moralinsaure Ton der Vorlage über Bord geht. Durchaus lustvoll stellt er die erotischen und masochistischen Zwangsvorstellungen von Séverine (Catherine Deneuve) dar, die ihre großbürgerliche Ehe mit Pierre (Jean Sorel) nicht genießen kann. Über eine mitgehörte Bemerkung von Pierres zynischem Bekannten Husson (Michel Piccoli) gelangt sie in ein Edelbordell und beginnt, stundenweise dort zu arbeiten. Das Ausleben ihrer Neigungen zieht jedoch Gefahren nach sich, da nicht alle Kunden des Bordells den Kontakt auf dessen Räume beschränken wollen und Séverine in ihrer bürgerlichen Zufluchtswelt nachstellen.
Buñuel reizt die Gelegenheit nicht voyeuristisch aus und konzentriert sich auf einen weiteren pathologischen Befund von bürgerlicher Gesellschaft, Liebe und Ehe. Höchste Meisterschaft erreicht sein Film dabei in der Verschränkung von Realität und Traum, die der Surrealist Buñuel höchst kunstvoll aufeinanderfolgen lässt und immer undurchschaubarer macht, wie das Gesehene zu bewerten ist.