Der 85-jährige Francis Ford Coppola hat es nach Jahrzehnten wieder in den Wettbewerb von Cannes geschafft, wo er sein Langzeitprojekt „Megalopolis“ vorstellt. Daneben präsentiert das Filmfestival in seiner 77. Ausgabe (15.-24.5.2024) neue Werke von Yorgos Lanthimos, Jacques Audiard, David Cronenberg, Andrea Arnold und Kevin Costner. Es dominieren englischsprachige und französische Arbeiten, für Filme aus Deutschland und Österreich ist auch dieses Jahr wieder kein Platz.
Viel war im Vorfeld nicht über die Wettbewerbsauswahl 2024 in Cannes durchgesickert. Bis am Tag vor Bekanntgabe der Filme verstärkt dann der Name Francis Ford Coppola fiel, der mit seinem Langzeitprojekt „Megalopolis“ wohl der berühmteste Name im Wettbewerb ist. Der neue dystopische Science-Fiction-Film des zweifachen „Goldenen Palme“-Gewinners spielt in einem zerstörten New York der Zukunft. Ein idealistischer Architekt namens Caesar, verkörpert von Adam Driver, möchte die Metropole nachhaltig wieder aufbauen und gerät so in einen Interessenskonflikt zum korrupten Bürgermeister Frank Cicero.
In den letzten Jahren fiel Coppola eigentlich nur dadurch auf, dass er seine Klassiker wie „Apocalypse Now“ oder „Der Pate III“ permanent neu schnitt und in neuen „Director’s“ oder „Final Cuts“ verschlimmbesserte. Über seine letzten Spielfilme wie „Jugend ohne Jugend“ (2007) oder „Twixt“ (2011) sollte man lieber nicht zu viele Worte verlieren. Ob man also Coppola wirklich einen Gefallen tut, seinen Film in den Wettbewerb aufgenommen zu haben, muss sich zeigen.
Als schillerndster Name im Wettbewerb fällt hingegen der des griechischen Regisseurs Yorgos Lanthimos auf. Nachdem er mit „Poor Things“ 2023 in Venedig den „Goldenen Löwen“ gewann, präsentiert er sein neues Werk „Kinds of Kindness“, erneut mit Emma Stone und Willem Dafoe, in Cannes.
Fünfmal Frankreich im Wettbewerb
Frankreich ist mit fünf Werken im Wettbewerb vertreten. Christophe Honoré wartet bei seinem Drama „Marcello Mio“ handelt laut der ersten, noch etwas lapidaren Inhaltsbeschreibung von Abstammung und Selbstbildern und wartet mit einer Starbesetzung auf, darunter Chiara Mastroianni, die ihren Vater Marcello Mastroianni spielt. Jacques Audiard hat für „Emilia Perez“ Mexiko in Studios der Pariser Banlieue aufbauen lassen und einen spanischsprachigen Thriller gedreht, der auch Komödie und Musical sein soll. Die Hauptrolle verkörpert die Spanierin Karla Sofia Gascón, in Nebenrollen sieht man Selena Gomez, Zoe Saldaña und Édgar Ramírez. Es geht um einen Kartell-Chef, der sich einer geschlechtsangleichenden Operation unterziehen will, um unterzutauchen. Auf eine Mischung aus Musical und Liebesgeschichte setzt auch der französische Schauspieler Gilles Lellouche mit „L’amour Ouf“, der nach seiner hocherfolgreichen Regiearbeit mit „Ein Becken voller Männer“ wieder hinter die Kamera wechselt. In den Hauptrollen sieht man Adèle Exarchopoulos und François Civil als leidenschaftliches Liebespaar. In ersten Statements erfährt man zur Handlung: „Die 1980er-Jahre in Nordfrankreich. Jackie und Clotaire wachsen zwischen den Schulbänken und den Docks des Hafens auf. Sie studiert, er hängt ab. Dann kreuzen sich ihre Schicksale und es ist Liebe auf den ersten Blick“. Der aufwändige, über drei Stunden lange Film spielt auf mehreren Zeitebenen, Malik Frikah und Mallory Waneccque verkörpern die jungen Clotaire und Jackie.
Als feministischer Body-Horror wird die US-amerikanische Produktion „The Substance“ der Französin Coralie Fargeat angekündigt, mit Demi Moore und Margaret Qualley in den Hauptrollen. Für echten Horror steht David Cronenberg mit seinem neuen Film „The Shrouds“, den er als autobiografisch und sehr persönlich bezeichnet. Vincent Cassel und Diane Kruger spielen die Hauptrollen.
Horror in all seinen Facetten scheint in diesem Jahr sehr angesagt, auch wenn es die zweite Regiearbeit der französischen Schauspielerin Noémie Merlant nicht in den Wettbewerb schaffte, sondern nur in die Nebensektion „Midnight Screenings“. Ihre Horrorkomödie „Les femmes au balcon“ soll in einem Blutbad in Marseille enden. Das Drehbuch verfasste sie zusammen mit Céline Sciamma.
Frauen und Hollywood-Regisseure in der Minderheit
Die zweite französische Regisseurin im Wettbewerb ist stattdessen die Spielfilm-Debütantin Agathe Riedinger mit dem Coming-of-Age-Film „Diamant Brut“ um eine 19-Jährige aus Fréjus, die zu einem Casting der Show „Miracle Island“ eingeladen wird. Insgesamt finden sich nur vier Werke von Frauen bei den 19 Wettbewerbsfilmen. In Andrea Arnolds „Bird“ spielen Barry Keoghan und Franz Rogowski die Hauptrollen. Das Debüt der indischen Regisseurin Payal Kapadia „All We Imagine as Light“ wird der erste indische Spielfilm im Wettbewerb in Cannes seit über dreißig Jahren sein.
Nach drei Filmen im Vorjahr ist Italien diesmal nur mit Paolo Sorrentino vertreten. Seinen 10. Spielfilm „Parthenope“ hat er wieder in seiner Heimatstadt Neapel gedreht. Unter den Cannes-Wiederkehrern finden sich auch das neue Werk „The Apprentice“ des iranisch-dänischen Filmemachers Ali Abbasi über den jungen Donald Trump sowie neue Filme von Sean Baker und Karim Aïnouz.
Renommierte Hollywood-Regisseure findet man nur außerhalb des Wettbewerbs. Kevin Costner hat mit „Horizon – An American Saga“ gleich einen Zweiteiler gedreht, der am 28. Juni und 16. August in die US-Kinos kommt. Der erste Teil wird in Cannes seine Weltpremiere erleben. Costner selbst spielt in diesem Western ebenso mit wie Sienna Miller, Sam Worthington und Jena Malone. Auch der Australier George Miller präsentiert „Furiosa: A Mad Max Saga“ in dieser Sektion, in der es um gehobenen Mainstream und Hollywoodfilme geht, die nicht um die „Goldene Palme“ konkurrieren. Auffallend viele große Namen hat man in die Sektion „Cannes Premiere“ ausgegliedert. Dort laufen neue Filme von Léos Carax, Rithy Panh oder Nabil Ayouch.
Deutschland und Österreich bleiben zuhause
Zu guter Letzt fällt natürlich auf, dass nach dem doppelten Wim Wenders in 2023 wieder kein einziger deutscher Film im Wettbewerb oder anderen Sektionen zu sehen sein wird. Schwacher Trost aus deutscher Sicht: Auch aus dem in anderen Jahren gefühlt immer vertretenen Österreich kommt diesmal kein Film.
Die Filme im Wettbewerb
LE DEUXIÈME ACTE (Eröffnungsfilm)
Frankreich 2024 | Regie: Quentin Dupieux
Kanada/USA 2024 | Regie: Ali Abbasi
Brasilien 2024 | Regie: Karim Aïnouz
Großbritannien/Frankreich 2024 | Regie: Andrea Arnold
Frankreich/USA/Mexiko 2024 Regie: Jacques Audiard
USA 2024 | Regie: Sean Baker
USA 2024 | Regie: Francis Ford Coppola
Frankreich 2024 | Regie: David Cronenberg
Großbritannien/USA 2024 | Regie: Coralie Fargeat
Portugal/Italien 2024 | Regie: Miguel Gomes
LA PLUS PRÉCIEUSE DES MARCHANDISES
Frankreich 2024 | Regie: Michel Hazanavicius
Frankreich 2024 | Regie: Christophe Honoré
China 2024 | Regie: Jia Zhang-Ke
Frankreich/Niederlande 2024 | Regie: Payal Kapadia
Großbritannien/Irland 2024 | Regie: Yorgos Lanthimos
Frankreich/Belgien 2024 | Regie: Gilles Lellouche
TREI KILOMETRI PANA LA CAPATUL LUMII
Rumänien 2024 | Regie: Emanuel Parvu
THE SEED OF THE SACRED FIG
Iran 2024 | Regie: Mohammad Rasoulof
Frankreich 2024 | Regie: Agathe Riedinger
USA 2024 | Regie: Paul Schrader
Italien/Frankreich 2024 | Regie: Kirill Serebrennikow
Italien/Frankreich 2024 | Regie: Paolo Sorrentino
Dänemark 2024 | Regie: Magnus von Horn
Un Certain Regard
Saudi-Arabien 2024 | Regie: Tawfik Alzaidi
Frankreich/Bulgarien 2024 | Regie: Konstantin Bojanov
Frankreich 2024 | Regie: Julien Colonna
Frankreich 2024 | Regie: Louise Courvoisier
LE PROCÈS DU CHIEN (WHO LET THE DOG BITE?)
Frankreich 2024 | Regie: Laetitia Dosch
GOU ZHEN (BLACK DOG)
China 2024 | Regie: Guan Hu
Frankreich 2024 | Regie: Mo Harawe
SEPTEMBER SAYS
Frankreich 2024 | Regie: Ariane Labed
Frankreich 2024 | Regie: Boris Lojkine
Italien/Belgien 2024 | Regie: Roberto Minervini
Großbritannien/Sambia 2024 | Regie: Rungano Nyoni
Japan 2024 | Regie: Hiroshi Okuyama
WHEN THE LIGHT BREAKS
Island 2024 | Regie: Rúnar Rúnarsson
NIKI
Frankreich 2024 | Regie: Céline Sallette
Großbritannien 2024 | Regie: Sandhya Suri
Philippinen 2024 | Regie: Truong Minh Quý
Norwegen 2024 | Regie: Halfdan Ullmann Tøndel
FLOW
Lettland 2024 | Regie: Gints Zilbalodis
Außer Konkurrenz
SHE’S GOT NO NAME
USA 2024 | Regie: Chan Peter Ho-Sun
HORIZON, AN AMERICAN SAGA
USA 2024 | Regie: Kevin Costner
RUMOURS
USA 2024 | Regie: Evan Johnson, Galen Johnson & Guy Maddin
FURIOSA: A MAD MAX SAGA
USA 2024 | Regie: George Miller
LE COMTE DE MONTE-CRISTO
Frankreich 2024 | Regie: Alexandre De La Patellière & Matthieu Delaporte
Midnight Screenings
TWILIGHT OF THE WARRIOR WALLED IN
USA 2024 | Regie: Soi Cheang
THE SURFER
USA 2024 | Regie: Lorcan Finnegan
LES FEMMES AU BALCON
USA 2024 | Regie: Noémie Merlant
I, THE EXECUTIONER
USA 2024 | Regie: Ryoo Seung Wan
Cannes Première
EVERYBODY LOVES TOUDA
Marokko 2024 | Regie: Nabil Ayouch
C’EST PAS MOI
Frankreich 2024 | Regie: Leos Carax
EN FANFARE
Frankreich 2024 | Regie: Emmanuel Courcol
MISÉRICORVON
Frankreich 2024 | Regie: Alain Guiraudie
LE ROMAN DE JIM
Frankreich 2024 | Regie: Arnaud Larrieu & Jean-Marie Larrieu
VIVRE, MOURIR, RENAITRE
Frankreich 2024 | Regie: Gaël Morel
MARIA
Frankreich 2024 | Regie: Jessica Palud
RENDEZ-VOUS AVEC POL POT
Kambodscha/Frankreich 2024 | Regie: Rithy Panh
Special-Screenings
LE FIL
Frankreich 2024 | Regie: Daniel Auteuil
ERNEST COLE, PHOTOGRAPHE
USA 2024 | Regie: Raoul Peck
L’INVASION
Ukraine 2024 | Regie: Sergei Loznitsa
APPRENDRE
Frankreich 2024 | Regie: Claire Simon
LA BELLE DE GAZA
Israel 2024 | Regie: Yolande Zauberman
SPECTATEURS
Frankreich 2024 | Regie: Arnaud Desplechin
NASTY
Rumänien 2024 | Regie: Tudor Giurgiu
LULA
USA 2024 | Regie: Oliver Stone
AN UNFINISHED FILM
China 2024 | Regie: Lou Ye