© Clemens Porikys/Deutscher Filmpreis

Reif für die Lola: Nominierungen zum 73. Deutschen Filmpreis

Am 24. März 2023 wurden die Nominierungen für den 73. Deutschen Filmpreis bekanntgegeben

Veröffentlicht am
27. September 2023
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Am 24. März 2023 sind die Nominierungen für den 73. Deutschen Filmpreis bekannt gegeben worden. Mit 12 Nennungen ist der bereits „Oscar“-gekrönte Antikriegsfilm „Im Westen nichts Neues“ der große Favorit, Gefallen fand die Deutsche Filmakademie aber auch an „Das Lehrerzimmer“, „Sonne und Beton“, „Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war“ und dem von deutscher Seite coproduzierten Iran-Thriller „Holy Spider“.


So einig waren sich Deutsche und Briten selten. Jedenfalls, was den Filmgeschmack im Jahr 2023 angeht: War Edward Bergers Neuverfilmung von „Im Westen nichts Neues“ bei den britischen Filmpreisen im Januar noch zur großen internationalen Überraschung mit 14 Nennungen an die Spitze der Nominierungen gestürmt, ist der Antikriegsfilm nun auch beim 73. Deutschen Filmpreis der klare Favorit. 12 Nominierungen holte „Im Westen nichts Neues“; von den BAFTA Awards unterschied sich die Verkündigung für die „Lola“-Kandidaten am 24. März nur in den fehlenden Nominierungen als bester internationaler Film (logischerweise), fürs Casting (das der Deutsche Filmpreis nicht auszeichnet) und fürs Drehbuch, dafür geht der bei den Briten unberücksichtigte Hauptdarsteller Felix Kammerer mit ins Rennen. Damit hat sich der Erfolg der Netflix-Produktion nun auch im Herkunftsland des Films fortgesetzt. Und es spricht einiges dafür, dass die Teammitglieder von „Im Westen nichts Neues“ nach den sieben BAFTA-Auszeichnungen und den vier „Oscars“ auch bei den „Lolas“ eine Feierstunde erleben werden.

In der Kategorie des „Besten Spielfilms“ nimmt „Im Westen nichts Neues“ es mit zwei weiteren Literaturverfilmungen in Gestalt von „Sonne und Beton“ und „Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war“ auf und würdigt damit einen besonders im Adaptionsbereich beachtlich starken deutschen Filmjahrgang, von dem auch die Vorauswahl bereits gekündet hatte. Ebenfalls nominiert wurde der bei der Berlinale mehrfach ausgezeichnete Schulthriller „Das Lehrerzimmer“. Hinzu kommen zwei unerwartete Kandidaten: Fatih Akins Filmbiografie „Rheingold“ über den Rapper Xatar, bei der sich die Mitglieder der Deutschen Filmakademie offensichtlich nicht von den durchwachsenen Kritiken zu dem Film abschrecken ließen (allerdings kommt „Rheingold“ in keiner anderen Kategorie zum Zug), sowie „Holy Spider“ des gebürtigen Iraners Ali Abbasi.


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41,36 Prozent deutsch: Wie „Holy Spider“ ins Rennen kommt

„Holy Spider“ fand zudem auch bei den Regisseuren sowie für die Hauptdarsteller Zar Amir Ebrahimi und Mehdi Bajestani Berücksichtigung, was bei aller Intensität und Vielstimmigkeit des Thrillers um einen aus religiös verbrämtem Frauenhass handelnden Prostituierten-Serienmörder zwiespältig zu werten ist. Die Qualitäten des Films sind immens und u.a. durch den Darstellerinnen-Preis in Cannes und vier Nominierungen für den Europäischen Filmpreis schon mehrfach anerkannt worden, zudem hat er durch die Frauenrecht-Proteste im Iran zusätzliche Brisanz erhalten. Doch letztlich handelt es sich eben um einen im Iran spielenden, in Jordanien gedrehten Film eines Regisseurs, der in Dänemark ausgebildet wurde und arbeitet. Wie bei „Spencer“ im letzten Jahr lassen sich die „Lola“-Nominierungen für „Holy Spider“ nur durch die Beteiligung einer deutschen Produktionsfirma (in diesem Fall One Two Films) verstehen, deren exakt berechneter Anteil an dem Film 41,36 Prozent betragen soll – und damit mehr als die 31,05 Prozent aus Dänemark (für das „Holy Spider“ u.a. ins „Oscar“-Rennen ging) und die kleineren Anteile aus Schweden und Frankreich.

Felix Kammerer und Albrecht Schuch in „Im Westen nichts Neues“ (© Netflix/Reiner Bajo)
Felix Kammerer und Albrecht Schuch in „Im Westen nichts Neues“ (© Netflix/Reiner Bajo)

Zwischen „Im Westen nichts Neues“ und „Holy Spider“ hat sich mit insgesamt sieben Nominierungen Ilker Çataks „Das Lehrerzimmer“ als möglicher Geheimtipp in Stellung gebracht. Çatak ist auch als Regisseur nominiert sowie zusammen mit Johannes Duncker als Drehbuchautor, außerdem ging neben einer weiteren Nominierung für die verdiente (und immer noch „Lola“-lose!) Kamerafrau Judith Kaufmann eine an Hauptdarstellerin Leonie Benesch, die mit ihrer furiosen Interpretation einer an ihren moralischen Maßstäben zu scheitern drohenden Lehrerin die Favoritin für den Darstellerinnen-Preis sein dürfte. Neben der Iranerin Ebrahimi bekommt Benesch es mit Sandra Hüller zu tun, die für ihre Rolle als Hofdame in Frauke Finsterwalders aktualisierter „Sissi“-Variante „Sisi & Ich“ die bereits siebte „Lola“-Nominierung ihrer Karriere erhielt.


Zum vierten Mal nominiert: Albrecht Schuch

Noch nicht ganz so weit wie Hüller, aber immerhin schon bei der vierten Nominierung ist Albrecht Schuch, der den Preis bislang bereits dreimal gewinnen konnte und als erfahrener Soldat in „Im Westen nichts Neues“ erneut Kandidat ist. Mit ihm in der Nebendarsteller-Kategorie dabei sind Karl Markovics für seinen exzentrischen Optiker in „Was man von hier aus sehen kann“ und Clemens Schicks Interpretation von Otto Mühl in „Servus Papa, See you in Hell“.

Bei den Hauptdarstellern ist neben Kammerer und Bajestani auch Charly Hübner für seinen in die plattdeutsche Heimat zurückkehrenden Akademiker in „Mittagsstunde“ dabei, ebenso wie seine Filmmutter Hildegard Schmahl bei den Nebendarstellerinnen. Ihre Konkurrentinnen dort sind Ulrike Kriener als Mutter dreier nach Beziehungsstabilität suchender Schwestern für „Einfach mal Schönes“ und Jördis Triebel als Brigadeleiterin im DDR-Drama „In einem Land, das es nicht mehr gibt“.

Zar Amir Ebrahimi in „Holy Spider“ (© Cannes 2022/Profile Pict./ONE TWO Films/Nordisk Film Prod./Wild Bunch)
Zar Amir Ebrahimi in „Holy Spider“ (© Profile Pict./ONE TWO Films/Nordisk Film Prod./Wild Bunch)


Blinde Flecken

Offensichtlich war die Filmakademie bemüht, ihre Nominierungen etwas zu streuen, sodass sich auch herausragende Werke wie Hans-Christian Schmids „Wir sind dann wohl die Angehörigen“ (für die Musik), Sophie Linnenbaums fantasievoller Hochschul-Abschlussfilm „The Ordinaries“ über eine in Hauptrollen und Statisten geteilte Welt (für Szenenbild und visuelle Effekte) oder Claudia Müllers Dokumentar-Porträt „Elfriede Jelinek – Die Sprache von der Leine lassen“ (für den Schnitt) in der Liste der Nominierten finden. Speziell die Werke von Schmid und Linnenbaum, aber auch „Sisi & Ich“ (insgesamt vier Nominierungen) oder gänzlich ohne „Lola“-Chance gebliebene Filme wie Thomas Stubers „Die stillen Trabanten“ und die Sozialdystopie „Wir könnten genauso gut tot sein“ wären auch würdige Anwärter auf den Hauptpreis gewesen, wo mit „Rheingold“, David Wnendts hochgetuntem Kiezdrama „Sonne und Beton“ und der soliden Joachim-Meyerhoff-Adaption von Sonja Heiss eher dem Populären der Vorzug vor der Komplexität gegeben wurde. Für die Regie-Kategorie wurde Heiss ebenfalls nominiert, neben Abbasi, Berger und Çatak, bei den Drehbüchern taucht mit „Meinen Hass bekommt ihr nicht“ neben „Das Lehrerzimmer“ und „Sonne und Beton“ immerhin ein unerwarteter Bewerber auf.

Eine Überschneidung der Deutschen Filmpreise mit dem im Februar verliehenen Preis der deutschen Filmkritik könnte sich in der Dokumentarfilm-Auswahl ergeben, wo der Filmkritik-Preisträger „Liebe, D-Mark und Tod - Aşk, Mark ve Ölüm“ gegen das Jelinek-Porträt und „Kalle Kosmonaut“ antritt. Bei den Kinderfilmen wurde das Road Movie „Mission Ulja Funk“ neben der Neuverfilmung von „Der Räuber Hotzenplotz“ nominiert. Nicht dabei ist der zweite Teil von „Die Schule der magischen Tiere“, der sich aber mit dem Preis für den besucherstärksten Film 2022 trösten kann. Dieser steht bereits fest, wie auch der Ehrenpreis für Volker Schlöndorff, der nach knapp 60 Jahren im Filmgeschäft wahrlich überfällig ist. Vergeben werden alle „Lolas“ am 12. Mai in Berlin, wie üblich zeitversetzt überträgt das ZDF die Gala in derselben Nacht.

Die Schauspieler Lucas Reiber und Lea van Acken, Kultur-Staatsministerin Claudia Roth und die Präsidenten der Filmakademie, Alexandra Maria Lara und Florian Gallenberger, bei der Präsentation der Nominierungen (© Eventpress/Deutscher Filmpreis)
Lucas Reiber, Lea van Acken, Kultur-Staatsministerin Claudia Roth und die Präsidenten der Filmakademie, Alexandra Maria Lara und Florian Gallenberger, bei der Präsentation der Nominierungen (© Eventpress/Deutscher Filmpreis)


Die Nominierungen für den Deutschen Filmpreis 2023


Bester Spielfilm

Holy Spider

Im Westen nichts Neues

Das Lehrerzimmer

Rheingold

Sonne und Beton

Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war


Bester Dokumentarfilm

Elfriede Jelinek – Die Sprache von der Leine lassen

Kalle Kosmonaut

Liebe, D-Mark und Tod - Aşk, Mark ve Ölüm


Bester Kinderfilm

Mission Ulja Funk

Der Räuber Hotzenplotz


Beste Regie

Ali Abbasi für „Holy Spider“

Edward Berger für „Im Westen nichts Neues“

Ilker Çatak für „Das Lehrerzimmer“

Sonja Heiss für „Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war“


Beste weibliche Hauptrolle

Zar Amir Ebrahimi in „Holy Spider“

Leonie Benesch in „Das Lehrerzimmer“

Sandra Hüller in „Sisi & Ich“

Leonie Benesch in „Das Lehrerzimmer“ (© Alamode Film)
Leonie Benesch in „Das Lehrerzimmer“ (© Alamode Film)


Beste männliche Hauptrolle

Mehdi Bajestani in „Holy Spider“

Felix Kammerer in „Im Westen nichts Neues“

Charly Hübner in „Mittagsstunde“


Beste weibliche Nebenrolle

Ulrike Kriener in „Einfach mal was Schönes“

Jördis Triebel in „In einem Land, das es nicht mehr gibt“

Hildegard Schmahl in „Mittagsstunde“


Beste männliche Nebenrolle

Albrecht Schuch in „Im Westen nichts Neues“

Clemens Schick in „Servus Papa, See you in Hell“

Karl Markovics in „Was man von hier aus sehen kann“


Bestes Drehbuch

Johannes Duncker, Ilker Çatak für „Das Lehrerzimmer“

Jan Braren, Marc Blöbaum, Kilian Riedhof für „Meinen Hass bekommt ihr nicht“

David Wnendt, Felix Lobrecht für „Sonne und Beton“


Beste Kamera / Bildgestaltung

James Friend für „Im Westen nichts Neues“

Judith Kaufmann für „Das Lehrerzimmer“

Thomas W. Kiennast für „Sisi & Ich“

U.a. nominiert für die Bildgestaltung: „Sisi & Ich“ (© Bernd Spauke/DCM Film)
U.a. nominiert für die Bildgestaltung: „Sisi & Ich“ (© Bernd Spauke/DCM Film)


Bester Schnitt

Mechthild Barth für „Elfriede Jelinek – Die Sprache von der Leine lassen“

Sven Budelmann für „Im Westen nichts Neues“

Gesa Jäger für „Das Lehrerzimmer“

Andreas Wodraschke für „Sonne und Beton“


Bestes Szenenbild

Christian M. Goldbeck für „Im Westen nichts Neues“

Josefine Lindner, Max-Josef Schönborn für „The Ordinaries“

Sebastian Soukup für „Der vermessene Mensch“


Bestes Kostümbild

Lisy Christl für „Im Westen nichts Neues“

Regina Tiedeken für „In einem Land, das es nicht mehr gibt“

Tanja Hausner für „Sisi & Ich“


Bestes Maskenbild

Heike Merker für „Im Westen nichts Neues“

Annett Schulze, Dorit Jur, Ines Ransch für „In einem Land, das es nicht mehr gibt“

Julia Böhm, Friederike Schäfer für „Seneca“

„The Ordinaries“ wurde für Szenenbild und Visuelle Effekte nominiert (© Bandenfilm)
„The Ordinaries“ wurde für Szenenbild und Visuelle Effekte nominiert (© Bandenfilm)


Beste Filmmusik

Volker Bertelmann für „Im Westen nichts Neues“

Marvin Miller für „Das Lehrerzimmer“

Ralf Wengenmayr für „Tausend Zeilen“

The Notwist für „Wir sind dann wohl die Angehörigen“


Beste Tongestaltung

Frank Kruse, Markus Stemler, Viktor Prášil, Lars Ginzel, Alexander Buck für „Im Westen nichts Neues“

Marco Teufen, Paul Rischer, Gregor Bonse für „Sisi & Ich“

Paul Rischer, Jan Petzold für „Sonne und Beton“


Beste visuelle Effekte

Frank Petzold, Viktor Müller, Markus Frank für „Im Westen nichts Neues“

Dennis Rettkowski, Tomer Eshed, Markus Frank für „Die Schule der magischen Tiere 2“

Johannes Blech für „The Ordinaries“


Ehrenpreis des Deutschen Filmpreises für herausragende Verdienste um den deutschen Film

Volker Schlöndorff


Besucherstärkster Film

Die Schule der magischen Tiere 2“ von Sven Unterwaldt

Publikumsfavorit „Die Schule der magischen Tiere 2“ steht bereits als Preisträger fest (© Leonine)
Publikumsfavorit „Die Schule der magischen Tiere 2“ steht bereits als Preisträger fest (© Leonine)

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