Der
Caligari-Filmpreis für einen herausfordernden Beitrag aus dem Forums-Programm
der Berlinale hat 2023 einen würdigen Preisträger gefunden: „De Facto“ von
Selma Doborac. Darin geht es mit großer dokumentarischer Strenge um ein
tieferes Verständnis individueller wie kollektiver Gewaltverbrechen.
Annäherungen an einen konzeptionell kühnen Film, der neue Möglichkeiten im
Umgang mit historischem Material eröffnet.
Ein
jüngerer Mann (Christoph Bach) sitzt der Kamera gegenüber an
einem Tisch. Doch die Erwartungen an eine Standardsituation des
Dokumentarischen, das Interview, werden vom ersten Satz an irritiert. Das
Gespräch scheint dem Inhalt nach schon längst im Gange zu sein; die Zuschauer scheinen
zu spät zu kommen und die Vorstellung des filmischen Gegenübers verpasst zu
haben. Durch die fehlende diskursive Rahmung treffen die Worte des Mannes in
ihrer unmittelbaren Kraft umso härter. In einer schnellen, unablässigen Rede
schildert er seine eigene Beteiligung an schweren Verbrechen gegen die Menschlichkeit.