Der fantastische Mr. Fox

Kinderfilm | USA 2009 | 87 Minuten

Regie: Wes Anderson

Ein kapriziöser Fuchs ist mit seinem Leben als gutbürgerlicher Familienvater nicht mehr zufrieden und stürzt sich und andere in diverse Abenteuer. Der in Stop Motion gefertigte Trickfilm adaptiert fantasievoll den Kinderbuchklassiker von Roald Dahl und bezaubert durch die sorgfältige Animation und Ausstattung. Zugleich ist er Ehe- und Typenkomödie, Coming-of-Age-Geschichte, Gangster- und Kriegsdrama und feiert das Recht auf Individualität. Ebenso mitreißend wie aktionsreich wird Dahls Vorlage in den filmischen Kosmos von Regisseur Wes Anderson übersetzt, der stets skurril-melancholisch um dysfunktionale Familien kreist. - Sehenswert ab 10.
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Filmdaten

Originaltitel
FANTASTIC MR. FOX
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2009
Produktionsfirma
Twentieth Century Fox/American Empirical Pic.
Regie
Wes Anderson
Buch
Wes Anderson · Noah Baumbach
Kamera
Tristan Oliver
Musik
Alexandre Desplat
Schnitt
Andrew Weisblum
Länge
87 Minuten
Kinostart
13.05.2010
Fsk
ab 6; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 10.
Genre
Kinderfilm | Animation | Literaturverfilmung
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
Fox (16:9, 1.85:1, DD5.1 engl./dt.)
Verleih Blu-ray
Fox (16:9, 1.85:1, dts-HDMA engl., dts dt.)
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Diskussion
Es ist wirklich erstaunlich. Da wird einem fortwährend erzählt, dass das 3D-Kino aktuell und wohl auch künftig eine ganz heiße Sache und wahrscheinlich die Zukunft des Kinos ist – und dann kommt der verschrobene Autorenfilmer Wes Anderson mit einem Trickfilm um die Ecke, der mit seinem altmodischen Stop-Motion-Verfahren noch einmal erzählt, worum es bei Animation eigentlich geht: die Dinge zu beseelen, sie in Bewegung zu setzen und damit unserer Fantasie auf die Sprünge zu helfen, aber gleichzeitig noch etwas Distanz zum Vorgeführten zu bewahren. „Der fantastische Mr. Fox“ ist der Gegenentwurf des zum Abtauchen einladenden „Avatar“ (fd 39 663). „Der fantastische Mr. Fox“ ist eine mal mehr, mal weniger werkgetreue, ergänzte und erweiterte Verfilmung eines Kinderbuch-Klassikers des großen Roald Dahl, durchaus aber auch ein Gangsterfilm, ein Kriegsfilm, ein Coming-of-Age-Film, eine Typen- und Ehekomödie. Als der extravagante und vor Selbstbewusstsein strotzende Dandy Mr. Fox eines Tages einen Ausflug mit seiner geliebten Mrs. Fox unternimmt – natürlich nicht die konventionelle Route, etwas Abenteuer gehört schon in den Alltag eines Fuchses von Welt –, sitzen die beiden plötzlich in der Falle. Mrs. Fox ist schwanger, und so leistet Mr. Fox einen Schwur: Sofern man dieses Abenteuer überlebe, werde er ein bürgerliches Leben führen. Jahre später, Sohn Ash ist gerade in der Pubertät, ist Mr. Fox ein angesehener, aber wenig gelesener Kolumnist – und schrecklich gelangweilt von diesem bürgerlichen Leben. Gemäß einem Motto von Oscar Wilde („Ich habe einen ganz einfachen Geschmack. Nur das Beste!“) will er nicht länger im Fuchsbau leben, sondern entscheidet sich für ein attraktives Baumhaus. Es ist ein wunderschönes Haus, nur liegt die Wohngegend genau in dem Tal, wo die Grundstücke der drei Bauern Grob, Grimm und Greulich zusammenlaufen. Auf gute Nachbarschaft? Denkste, denn dieses Trio trägt seine Namen zu Recht! Mr. Fox entschließt sich, es des Nachts noch mal so richtig krachen zu lassen, just like in the old days: im Hühnerstall, im Vorratskeller, beim spielerischen Übertölpeln der in Blaubeeren vernarrten, paranoiden Wachhunde. Wes Anderson, dem so liebevoll verzweifelte und immer auf dem schmalen Grad des Skurrilen und des Melancholischen balancierende Filme über dysfunktionale Familien wie „Rushmore“ (fd 34 741), „The Royal Tenenbaums“ (fd 35 300), „Die Tiefseetaucher“ (fd 36 967) und „Darjeeling Limited“ (fd 38 525) zu verdanken sind, ist es gelungen, die sehr überschaubare Story des Kinderbuch-Klassikers auf eine Art anzureichern, dass sich auch dieser Trickfilm nahtlos in sein Œuvre fügt. Besser noch: Hatte er zuvor seinen Spielfilmen durch vielfältige Tricks und Ticks, Ornamente und Überdeterminierungen eine forcierte Künstlichkeit verpasst, kann er diesmal gewissermaßen ungebremst aus dem Vollen schöpfen – in der Stop-Motion-Animation ist alles reine Kunst, autonom und idiosynkratisch. Anderson entwirft in „Der fantastische Mr. Fox“ mit Verve, Liebe und Kunstsinn einen Kosmos, der als Pop-Märchen einen ernsten Kern und zugleich einen ganz erstaunlichen Sinn-Überschuss aufweist, weil Ausflüge in und Referenzen an die Film- und Musikgeschichte gewissermaßen im Preis enthalten sind. Mr. Fox beispielsweise ist ein toller Hecht, ein ausgefuchster Fuchs, der für jede Lebenslage einen Plan auszuhecken versteht, aber er ist auch ein eitler Kerl, der sich permanent überschätzt und andere in Gefahr bringt. Dass sein bürgerliches Leben ihm nicht genügt, darunter leidet Sohn Ash, der den hochfahrenden Ansprüchen des Vaters nie genügen kann – und doch gerne etwas Anerkennung erhalten würde. Prekär wird die Situation für Ash, als Neffe Kristofferson anreist, der sich unfreiwillig als der ideale Sohn erweist. Für Ärger ist gesorgt. Anderson erzählt vom Leben im Fuchsbau, so wie er vom Leben der „Tiefseetaucher“ oder von der Indien-Reise der drei Brüder Francis, Peter und Jack Whitman („Darjeeling Limited“) erzählt hat. Es alles ist nicht unproblematisch, doch wenn man das Hohelied des Individualismus und des Carpe Diem singen will, muss man das wohl in Kauf nehmen. Jedes Tier, das man in „Der fantastische Mr. Fox“ kennen lernt, hat nicht nur einen tollen lateinischen Namen, sondern auch besondere Fähigkeiten, für die es im Kampf gegen die bösen Bauern sicherlich Verwendung gibt. Und sei es noch fürs Zaudern und Nachdenken. Das ist die humanistische Botschaft des Films, aber Anderson ruft immer wieder in Erinnerung, dass wir es hier mit wilden, nicht-domestizierten Tieren zu tun haben. Mr. Fox mag ein spleeniger Dandy mit individuellem Markenzeichen sein, doch wenn es ans Essen geht, stillt er schlicht seinen Appetit. Auch dies ist ein Leitmotiv dieses Films, der sich zwischen den Wachhunden der Bauern und der wilden, aber durchaus schon in Kulturnähe lebenden Tier-Community von Mr. Fox bewegt, deren Mitglieder eben auch Makler oder Rechtsanwalt sind – und dem Wolf, der spät im Film wie sein eigener Mythos erscheint und den Mr. Fox bewundert und fürchtet. Der Wolf bleibt stumm, aber zum Abschied ballt er die Faust zum revolutionären Gruß: Venceremos! Und Mr. Fox erwidert den Gruß mit dem Bewusstsein: Okay, ich bin zwar aktuell ein Kolumnist und Familienvater, aber in mir wohnt auch ein wildes Tier. Ansonsten wird in „Der fantastische Mr. Fox“ gekämpft, gefangen genommen, befreit, verfolgt, geflohen und gerauft, dass es eine Freude ist. In diesem Actionfilm ist immer etwas los, müssen Pläne geschmiedet und gezeichnet, Fluchten oder Einbrüche geplant werden. Wenn der Überlebenskampf tatsächlich mal etwas Freizeit lässt, dann werden Spiele mit so komplizierten Regeln wie das Schmetter-Krachen gespielt, wofür man den Film wohl dreimal sehen muss, um ansatzweise zu verstehen, worum es da gehen könnte. Dazu erklingt Musik von den Beach Boys, von den Rolling Stones, von Burl Ives und Georges Delerue, die das Leben als einziges Fest und Abenteuer erscheinen lässt, das in jedem Moment genossen sein will. Der Film – ganz und gar Westcoast-Baroque – verströmt konsequent die Liebe, Hingabe und den Respekt, die in seine Herstellung eingeflossen sind. Die Nagelprobe? Im Original werden die Figuren von all den Stars gesprochen, die mittlerweile enger oder weniger eng zur Anderson-Clique gehören (Clooney, Schwartzman, Owen Wilson, Roman Coppola, Adrien Brody, Meryl Streep, Bill Murray, Willem Dafoe). Die deutsche Synchronfassung ist derart liebevoll gemacht, dass sie den Charme des Originals nicht beschädigt. So einem Kunststück nähert man sich nämlich auch mit Respekt – ob man will oder nicht. Ein gelungenes Kunstwerk strahlt diese schöne Autorität aus.
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