Plastic Planet

Dokumentarfilm | Österreich/Deutschland 2007 | 99 Minuten

Regie: Werner Boote

Dokumentarfilm über Herstellung, Verbreitung und Nutzung von Plastik. Der Filmemacher agiert als aktionistischer investigativer Reporter vor der Kamera, reist rund um den Globus und befragt diverse Gesprächspartner aus Industrie und Wissenschaft zu Fluch und Segen des Kunststoffs. Dabei werden humorvoll teils kuriose Fakten und Facetten rund um die Rolle, die Plastik seit seiner Entwicklung vor über 100 Jahren international spielt, zusammengetragen; ebenso unterhaltsam wie nachdenklich stimmend, wird die Umwelt- und Gesundheitsschädlichkeit von Plastik aufgedeckt und das kritische Bewusstsein von Verbrauchern geschärft. - Ab 12.
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Filmdaten

Originaltitel
PLASTIC PLANET
Produktionsland
Österreich/Deutschland
Produktionsjahr
2007
Produktionsfirma
Daniel Zuta Filmprod./Neue Sentimental Film Austria/Brandstorm Ent./Cine cartoon Filmprod.
Regie
Werner Boote
Buch
Werner Boote
Kamera
Thomas Kirschner
Musik
The Orb
Schnitt
Ilana Goldschmidt · Cordula Werner · Tom Pohanka
Länge
99 Minuten
Kinostart
18.02.2010
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 12.
Genre
Dokumentarfilm
Externe Links
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Heimkino

Die Extras umfassen u.a. ein Feature mit im Film nicht verwendeten Szenen.

Verleih DVD
EuroVideo (16:9, 1.78:1, DD5.1 engl./dt.)
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Diskussion
Im Jahr 1905 machte der belgische Chemiker Leo Hendrik Baekeland eine Entdeckung, die nicht nur den Alltag revolutionierte: Bakelit. In seiner Bakelite GmbH in Erkner bei Berlin wurde ab 1909 der erste vollsynthetische Kunststoff industriell gefertigt. Seitdem, seit rund einem Jahrhundert also, leben wir im Plastikzeitalter – konstatiert Werner Boote, der Regisseur von „Plastic Planet“. Dass wir erst am Anfang dieses Zeitalters stehen und ein Ende nicht absehbar ist, wird exemplarisch an der Vergänglichkeit einer Plastikwindel vorgerechnet. Auch der Scherz eines Interviewpartners, der als plastischer Chirurg arbeitet, legt dies nahe: Wenn Außerirdische eines Tages unsere Gräber öffneten, würden sie sich über die seltsamen Grabbeigaben in den Gesichtern wundern. Boote geht nicht systematisch oder analytisch, sondern intuitiv vor. Er reist unter anderem nach Italien, Japan, China, Indien, Amerika, Marokko, er springt von der Windel zur plastischen Chirurgie zum „Plastinator“ Gunter von Hagens. Auch unfruchtbare Labormäuse und Zwitterfische, erste Skandale in der Plastikindustrie, der Müllstrudel in den Weltmeeren und natürlich Kritiker wie Befürworter finden ihren Platz. Verknüpft wird das recht willkürliche Sammelsurium durch die Person des Regisseurs, der als österreichischer Michael Moore nach dem Prinzip agiert: Die Kamera läuft, Boote verfolgt den Lobbyisten auf der Plastikmesse mit einem Rollkoffer voller beweisträchtiger Unterlagen, der Lobbyist scheucht ihn weg. Zum Trost schickt der Präsident von PlasticsEurope dem Regisseur dann einen Zukunftsforscher im Dienste der Industrie nach Hause. Der Großvater des Regisseurs war Geschäftsführer der deutschen Interplastic-Werke. Die persönliche Verbindung zum Kunststoff nutzt der Regisseur als Gesprächseinstieg mit Vertretern der Industrie – auch wenn das an der Haltung der Interviewpartner im Wesentlichen nichts ändert. In PR-Phrasen werden die Segnungen des Materials gepriesen, Nachfragen werden gekontert mit Verweisen auf industriefinanzierte Studien. Boote stellt naive, simple Fragen im Dienste des „kleinen Mannes“, des ahnungslosen Verbrauchers. Er kauft in Wien einen aufblasbaren, als Globus bedruckten Wasserball und reist nach China zu den Ursprüngen des Plastikplaneten. Dort werden ihm die genauen Herstellungsprozesse nicht gezeigt, die Zusammensetzung des Erdballs wird als „Betriebsgeheimnis“ gehütet. Das ist die übliche Handhabung, Boote stößt immer wieder auf „Betriebsgeheimnisse“. Der Endverbraucher soll im Einzelnen offenbar gar nicht wissen, mit welchen Stoffen er es zu tun hat. Ein Test beweist: Der Ball dürfte gar nicht im Handel sein, die Konzentration an Weichmachern ist viel zu hoch. „Plastic Planet“ steht in der neueren Tradition österreichischer Aufklärungsdokumentarfilme, die erfolgreich auf Festivals und in den Kinos laufen. Kritisch beschäftigen sie sich mit der Globalisierung, mit Alltagsgütern, Grundnahrungsmitteln, scheinbaren zivilisatorischen Selbstverständlichkeiten und den globalen Mechanismen dahinter: „Über Wasser“ (fd 38 784) von Udo Maurer, Michael Glawoggers „Megacities“ (fd 33 726) und „Workingman’s Death“ (fd 37 581), Erwin Wagenhofers „We Feed the World“ (fd 37 595) oder Nikolaus Geyrhalters „Unser täglich Brot“ (fd 37 987), der die serielle Nahrungsmittelproduktion wie am Fließband in durchkomponierten Bildern kommentarlos ablaufen lässt. Im Gegensatz zur Reduktion, Ernsthaftigkeit und zum Stilwillen der genannten Filme begegnet Boote seinem Sujet mit Humor, aktionistischem Eifer und einem hohen Selbsterfahrungspotenzial. Bei dem Konzept, selbst vor der Kamera zu agieren, lassen sich ein gewisses Maß an Egozentrik und Narzissmus kaum vermeiden. Dem sind dann einige Verirrungen und Längen geschuldet, die angesichts des spannenden Themas aber nicht entscheidend ins Gewicht fallen. Lösungsvorschläge für das Plastik-Problem werden nicht präsentiert; wie auch? Plastik ist einfach schon überall, nicht nur in Häusern, Flüssen, Meeren, sondern auch in unserem Blut. In Bootes Blut wird bei einem Test eine erhöhte Konzentration von Bisphenol A nachgewiesen, ein Ausgangsstoff der Kunststoffherstellung, der im Verdacht steht, bei Menschen wie ein Hormon zu wirken. Es bleibt die Macht des Verbrauchers, an die der Film letztlich appelliert: Nur das verantwortungsbewusste Handeln des Einzelnen kann die Industrie zum Umdenken zwingen.
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