Ein Schwimmlehrer freundet sich in Calais mit einem Immigranten an, der vor dem Krieg im Irak geflohen ist, weiter nach England möchte und nun Schwimmen trainiert, um den Ärmelkanal durchqueren zu können. Das Migrationsdrama entwirft das Porträt einer sich langsam entwickelnden Freundschaft, die sich in einem gesellschaftlichen Klima der Ausgrenzung und Angst behaupten muss. Mit ironischen Spitzen, aber ohne Zynismus entsteht ein berührender Blick auf persönliche Schicksale in einer Welt, in der das Wort "Willkommen" angesichts immer größerer Unterschiede zwischen Arm und Reich zur inhaltslosen Floskel zu werden droht. (TV-Titel: "Welcome - Grenze der Hoffnung")
- Sehenswert ab 14.
Welcome
Drama | Frankreich 2009 | 109 Minuten
Regie: Philippe Lioret
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Filmdaten
- Originaltitel
- WELCOME
- Produktionsland
- Frankreich
- Produktionsjahr
- 2009
- Produktionsfirma
- Nord-Ouest Prod./Studio 37/France 3 Cinéma/Mars Distribution/Fin Août Prod.
- Regie
- Philippe Lioret
- Buch
- Olivier Adam · Emmanuel Courcol · Philippe Lioret
- Kamera
- Laurent Dailland
- Musik
- Nicola Piovani
- Schnitt
- Andrea Sedlácková
- Darsteller
- Vincent Lindon (Simon) · Firat Ayverdi (Bilal) · Audrey Dana (Marion) · Derya Ayverdi (Mina) · Thierry Godard (Bruno)
- Länge
- 109 Minuten
- Kinostart
- -
- Fsk
- ab 12; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Sehenswert ab 14.
- Genre
- Drama
- Externe Links
- IMDb | TMDB
Heimkino
Diskussion
„Welcome!“, steht auf der Fußmatte vor der Tür, die Simons Nachbar zuschlägt. Der regt sich über das „Gesindel“ im Hausflur auf und verpfeift Simons privates „Asylantenheim“ bei der Polizei. Gastfreundschaft gerne – aber bitte nicht in der direkten Nachbarschaft. Es ist ein inhaltsloses „Willkommen“, das man gerne ausspricht, steht der „bedrohlich“ aussehende Empfänger nicht vor der eigenen Tür. In Philippe Liorets Frankreich scheint dieses „Willkommen“ sogar eine ironische Mesalliance mit Fußabtretern einzugehen. Mit seinem Einwandererdrama packt Lioret ein heißes Eisen an, das sich mitten ins Herz der französischen Gesetzgebung und der ihr gehorchenden Bevölkerung brennt. Hier geht es nicht nur um die Tragik einer ungerechten Wohlstandsverteilung und ihre Auswirkungen, nicht um die untragbare Situation von Auffanglagern und tödlich endenden Einreiseversuchen. „Welcome“ ist der fast schon sarkastische Kommentar auf eine Staatspolitik, die die Hilfestellung ihrer Bürger für Einwanderer unter Strafe stellt.
Unterkunft und Verpflegung, Unterricht zur Flucht – der Schwimmlehrer Simon wird sich bald gleich mehrerer Verbrechen schuldig machen, als er den jungen Kurden Bilal im Schwimmbasin verbissen und ineffektiv seine Runden drehen sieht. So wie er früher „der Läufer“ gerufen wurde, will Bilal nun „der Schwimmer“ werden, um den Ärmelkanal bis nach England zu durchqueren. Drei Monate brauchte er vom Irak bis nach Frankreich, nun sitzt Bilal im ungastlichen Calais fest, das den Kriegsflüchtling rechtlich nicht ausweisen, nur vergraulen kann. In London droht seiner mit ihrer Familie ausgewanderten Freundin die Verheiratung mit einem Geschäftsmann. Bilal rennt die Zeit davon; die Überlebenswahrscheinlichkeit einer Kanaldurchquerung läuft ohnehin gegen Null: Nach Ansicht des Kraul-Champions Simon bedeutet die 32 Kilometer lange Tortur im eiskalten Wasser mit Strömung und ohne Beiboot den sicheren Tod.
Doch die Risiken verschieben sich je nach den Optionen. Was ist dieser „Wellengang“ schon gegen die Plastiktüte, mit der das Trauma-Opfer Bilal zu Beginn in einem mit Sensoren kontrollierten LKW seinen CO2-Ausstoß reduzieren sollte und unter der er fast erstickte? Jetzt steht er verhasst neben seinen in Panik verratenen Mitflüchtlingen beim Suppenausschank von Simons Exfreundin Marion. Diese engagiert sich empört, als ein paar Immigranten aus dem Einkaufszentrum verwiesen werden. Als sie Bilal und seinen Freund in Simons Wohnung entdeckt, versucht sie hingegen besorgt, ihm die illegale Unterstützung auszureden. Marion bewegt sich stellvertretend und so signifikant fürs eigene Gewissen im System, mokiert sich gegen die ungerechte Ausgrenzung und beugt sich dann doch furchtsam den Gesetzen, die dieser zugrunde liegen. Auch Simon hilft Bilal zunächst nur, um Marion mit seinem spät erwachten Engagement zu beeindrucken. Europa wird hier zu einer kalten Welt, die mit einer finanziell bedingten Ungeheuerlichkeit lebt: Lieber ein billiger toter Flüchtling als ein lebendiger neuer Mitbürger.
Als „Welcome“ in Frankreich anlief, wirbelte der Film erneut die politische Diskussion über illegale Migration auf. Dabei kommt Liorets engagierte Anklage eigentlich ein paar Jahre zu spät. Die Nachrichten über Flüchtlingswellen wurden durch die über richtige Wellen abgelöst, über Tsunamis und den Klima bedingt ansteigenden Meeresspiegel. Obwohl in Zukunft direkt voneinander abhängig, sind erstere schon länger kein großes Thema mehr, auch wenn sie immer noch beständig gegen die europäischen Küsten oder besser Klippen anbranden. Die ungewöhnliche Freundschaft zwischen Bilal und Simon ist in ihrem Gefälle eine Sozialstudie; nicht so düster wie bei dem auf der anderen Seite des Ärmelkanals operierenden Ken Loach, aber ähnlich berührend ob der Unmenschlichkeit eines Systems, das versucht, durch Ausschluss nicht selbst auf internationalem Parkett außen vor zu bleiben. Lioret erzählt von unmenschlichen Praktiken der Behörden und der Polizei und von den erfinderischen und tödlichen Umwegen, die die Flüchtlinge gehen (müssen). Es ist ein Wunder, auf das das von dem etablierten Schauspieler Vincent Lindon und dem Laien Firat Ayverdi verkörperte Duo hofft, während beide sich in einem System der Abhängigkeit und Angst einander annähern. Zusammengeschweißt in einer emotionalen Symbiose, die eine räumliche Trennung wieder auseinander reißt. Lioret packt diese unaufgeregte und ganz und gar nicht polemische Geschichte feinfühlig in Bilder des Elends, die an ihren Rändern doch noch genug Raum für Nächstenliebe, Freundschaft und Hoffnung lassen.
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