Regisseur Anders Thomas Jensen (geb. 1973, u.a. „Dänische Delikatessen“, fd 36 640) liefert mit dieser ebenso bitterbösen wie tiefgründigen Komödie, die zugleich eine theologisch-philosophisch fundierte Parabel ist, sein bisher bestes Werk ab. Erneut lässt er Gegensätze aufeinander treffen, die in ihrer Unvereinbarkeit für eine gehörige Portion Irritation sorgen. Heiter und düster zugleich geht es in der mit biblischen Verweisen spielenden Fabel zu, realistisch und märchenhaft gibt sich die Inszenierung, bis zum Schluss schwankt die Botschaft zwischen banal und hoch komplex. Die an Karikaturen grenzenden Figuren sind bis ins Detail perfekt ausgearbeitet und überraschen durch ihre Wandlungsfähigkeit, die ihnen mehr Tiefe verleiht, als es das satirisch geerdete, auf politische Unkorrektheit setzende Drehbuch vermuten lässt.
Über der Welt, in der sich die Geschichte zuträgt, hängt ein verwunschener Zauber. Sonnendurchflutete Wiesen umgeben das Refugium, mitten drin thront eine Dorfkirche, umgeben von einem gepflegten Garten, der an mittelalterliche Paradiesdarstellungen denken lässt. Neo-Nazi Adam verschlägt es aus dem Gefängnis in die abgelegene Idylle, um während seiner Bewährungszeit an einem Resozialisierungsprogramm teilzunehmen. Der unbeherrschte Schläger trifft auf ein Panoptikum sonderbarer Gestalten: den übergewichtigen Gunnar, Kleptomane und mehrfacher Vergewaltiger mit Alkoholproblemen, den Saudi Khalid, einen Tankstellenräuber ohne Hemmungen beim Gebrauch von Schusswaffen, zu guter Letzt eine verantwortungslose schwangere Alkoholikerin. Geleitet wird diese Straftäterkommune von Pfarrer Ivan, dessen missionarischer Eifer zwischen Realitätsverlust und Fanatismus changiert. Die Lügen und Provokationen seiner Schützlinge nimmt der Gutmensch als Herausforderungen an, hinter denen er das Wirken des Bösen verortet. Sein unerschütterliches Verständnis für die Sündhaftigkeit der menschlichen Natur macht ihn zu einem entfernten Verwandten von Dostojewskis „Idiot“ oder Voltaires „Candide“, der trotz aller Übel in der Welt nicht von seinem Optimismus ablassen will. Auf Ivans pädagogische Frage, welches Ziel sich Adam im Verlauf seines Aufenthalts setzen möchte, antwortet der bullige Skinhead sarkastisch, einen Apfelkuchen backen zu wollen. Der Geistliche nimmt ihn begeistert beim Wort und führt ihn zum pfarreigenen Apfelbaum, der urplötzlich von einer Schar schwarzer Raben und Würmer heimgesucht wird. Spätestens mit diesen Unheil verkündenden Bildern begibt sich Jensen auf ein Terrain, das eigentlich dem Mystery-Genre zugehört. Immer wieder spielt er auf der tradierten Klaviatur des Horrors, zitiert die Filmmusik aus Hitchcocks „Vertigo“ (fd 7835) oder die biblische Hiob-Erzählung, um mit dem Einbruch allzu menschlicher Schwächen und Unzulänglichkeiten den Ton ins komische Fach zu wechseln. Während die Natur dämonische Züge annimmt, ein Blitz den Apfelbaum zerstört und sich der Himmel verdunkelt, liefern sich Adam und Ivan ein unnachgiebiges Duell um die Wahrheit hinter der Heile-Welt-Fassade, die der Pfarrer nach einer Reihe traumatischer Schicksalsschläge notorisch ausblendet. Weder nimmt er die Rückfälle oder seelischen Notlagen seiner Schützlinge wahr noch seine eigene Neigung zur Schönfärberei und tyrannischer Disziplinierung. Selbst seinen gelähmten und geistig behinderten Sohn fantasiert er sich kerngesund.
Der prinzipienfeste Adam nimmt Anstoß an der Unordnung, die der Pfarrer mit seinem unorthodoxen Verhalten verursacht. Statt Apfelkuchen backen will er den Kirchenmann aus seinen Illusionen reißen, sei es mit Gewalt oder der Erschütterung dessen Glaubens. Als der Plan aufgeht und er zudem von Ivans zynischem Arzt erfährt, dass Ivan an einem Gehirntumor leidet und nur noch wenige Wochen zu leben hat, zeigt Adam erste zaghafte Anzeichen von Reue und Mitgefühl. Entsetzt über die Auswirkungen, die Ivans depressive Selbstaufgabe zeitigt, übernimmt er sogar die Verantwortung für seine verwahrlosenden Mitbewohner. Die Hinwendung zum Guten stößt bei seinen Nazi-Freunden, die das Kirchengelände unangekündigt heimsuchen, auf eindeutige Drohgebärden, und nur Khaleds respektlose Schießfreude bewahrt Adam vor deren Übergriffen. Gewalt und Wahn sind Elemente eines vor schwarzhumorigen Einfällen überbordenden grotesken Geschehens, in dem die unwahrscheinlichsten Wendungen irgendwann nicht mehr als unerhört wahrgenommen werden. Die Zuweisungen von Gut und Böse halten der harten Realität nicht stand, und die Sehnsucht nach dem Absoluten erweist sich in einer ausdifferenzierten Welt als nicht lebensfähig. Der geläuterte Adam bekehrt am Ende nicht nur Ivan, sondern auch sich selbst. Gemeinsam finden sie eine Schnittmenge des möglichen Zusammenlebens und nehmen selbst Ivans wundersame Heilung ohne Fragen an ihren göttlichen Ursprung zur Kenntnis. Ein postmodernes, gegen den Strich gebürstetes Verwirrspiel voller absurder Überraschungen, das eindimensionale Weltbilder hinterfragt und für Vielfalt und Menschlichkeit gegen alle Widerstände und Vorurteile plädiert.