Ein junger Mann, der sich in Los Angeles als Schauspieler durchzuschlagen versucht, kommt nach dem Tod der Mutter in seine verschlafene Heimatstadt in New Jersey zurück, die sich bei näherem Hinsehen als verzauberter Garten voller Wunderlichkeiten zu erkennen gibt. Eine Komödie voller Skurrilitäten, in deren Verlauf der Protagonist seine Vergangenheit erkundet und mit einer Reihe merkwürdiger Typen konfrontiert wird. Der originelle Debütfilm erzählt seine Geschichte in gemächlichem, dem Thema angemessenem Tempo.
- Sehenswert ab 16.
Garden State
Komödie | USA 2004 | 102 Minuten
Regie: Zach Braff
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Filmdaten
- Originaltitel
- GARDEN STATE
- Produktionsland
- USA
- Produktionsjahr
- 2004
- Produktionsfirma
- Large's Ark Prod./Jersey Films/Camelot Pic./Double Feature Films
- Regie
- Zach Braff
- Buch
- Zach Braff
- Kamera
- Lawrence Sher
- Musik
- Chad Fisher · Nick Drake
- Schnitt
- Myron I. Kerstein
- Darsteller
- Zach Braff (Andrew Largeman) · Ian Holm (Gideon Largeman) · Ron Leibman (Dr. Cohen) · Method Man (Diego) · Natalie Portman (Sam)
- Länge
- 102 Minuten
- Kinostart
- -
- Fsk
- ab 12; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Sehenswert ab 16.
- Genre
- Komödie
- Externe Links
- IMDb | TMDB | JustWatch
Heimkino
Die Extras umfassen u.a. einen dt. untertitelbaren Audiokommentar des Regisseurs und der Hauptdarstellerin Natalie Portman, einen dt. untertitelbaren Audiokommentar des Regisseurs, des Kameramanns, der Cutterin Myrun Kerstein und der Produktionsdesignerin Judy Becker sowie ein kommentiertes Feature mit 15 im Film nicht verwendeten Szenen (30 Min.).
Diskussion
Wenn die exzentrische Sam der Verdacht beschleicht, unoriginell zu sein, macht sie einfach irgend etwas, wofür es nach ihrer Meinung kein Vorbild gibt. Um ihrer neuen Bekanntschaft Andrew ein Beispiel dafür zu geben, vollführt die junge Frau schnell eine eigenwillige Verrenkung – und fühlt sich sogleich einzigartig. Danach drängt sie den schüchternen Andrew dazu, seine Individualität gleichfalls mit einer spontanen Geste zu demonstrieren. Doch der bringt nur eine verkrampfte Handbewegung zustande, der Sam lachend jede Originalität abspricht. Vom Wert der Individualität und jedes einzelnen Augenblicks handelt „Garden State“. Ganz ohne Vorbild ist die Independent-Produktion freilich nicht. Debütregisseur Zach Braff, der auch die Hauptrolle spielt und das Drehbuch verfasste, ist vor allem als Hauptdarsteller der Fernsehserie „Scrubs“ bekannt, die ihre Situationskomik aus den Fehltritten junger Ärzte inmitten eines chaotischen Krankenhausalltags bezieht. Vom ebenso stoischen wie leichthändigen Humor dieser Sitcom sind offenkundig einige Gags inspiriert. Noch mehr erinnert „Garden State“ aber an ein berühmtes Vorbild, und der Gedanke an „Die Reifeprüfung“ (fd 15 718) läge auch nahe, wenn nicht eigens ein Song von Simon & Garfunkel eingespielt würde. Wie Mike Nichols’ Klassiker handelt auch Braffs Film von der Entfremdung, die ein introvertierter junger Erwachsener, der seinen Platz im Leben sucht, angesichts eines Besuchs im Heimatort empfindet. Dabei wird er zwar nicht von einer verheirateten Dame mittleren Alters verführt, aber eine ironische Anspielung auf Mrs. Robinson darf nicht fehlen: In einer wunderbar getimten Szene erschließt sich beiläufig, dass die ausgeflippte Frau, die mit ihrem erwachsenen Sohn sowie zwei von dessen ehemaligen Mitschülern am Frühstückstisch sitzt, mit einem der Letztgenannten liiert ist. Unterdessen findet Andrew, wie einst Dustin Hoffman, die Liebe seines Lebens – zumindest die erste Liebe.
Mit quirliger Exzentrik lockt Sam Andrew aus seinem Schneckenhaus. Dass er umgekehrt nicht gerade zu Nonkonformismus neigt, wird gleich zu Beginn vor Augen geführt: Da scheint er, reglos im Bett liegend, im anonymen Ambiente seines in aseptischem Weiß erstrahlenden Zimmers völlig aufzugehen. Als Schauspieler mit bislang einer einzigen Hauptrolle in einem TV-Movie schlägt er sich in Los Angeles als Kellner durch, als ihn die Nachricht vom Tod seiner Mutter veranlasst, in seine Heimatstadt in New Jersey zurückzukehren. Das gemächliche Mäandern der Handlung entspricht dem Gang der Dinge an diesem verschlafenen Ort, suggeriert aber auch die Betäubung, mit der Andrew die ihm fremd gewordene Umgebung wahrnimmt. Seit früher Jugend ist er mit Psychopharmaka ruhig gestellt worden, die ihm sein Vater, ein Psychiater, verordnet hat, nachdem sich eine Familientragödie zugetragen hatte. Dass in der Familie Emotionen stets unterdrückt wurden, spiegelt sich in der Einrichtung des Elternhauses. Hier lässt Braff seine Figur denn auch ein zweites Mal mit seiner Umwelt verschmelzen. Wenn Andrew in einem Hemd im Badezimmer steht, das eine Freundin der Mutter aus Tapetenstoff geschneidert hat, der bei der Renovierung des Bades übrig geblieben ist, dann zeichnet sich freilich ein Widerspruch ab: Es ist kein tristes Grau-in-Grau, in dem der Protagonist im Bildhintergrund aufgeht, vielmehr ziert ein extravagantes Pflanzenmuster Hemd und Tapete.
Das ist der originellste Aspekt des Films, dass die Vorstadtprovinz nicht als seelenloses Niemandsland dargestellt wird. New Jersey, das sich mit dem Beinamen „Garden State“ schmückt, erscheint als verzauberter Garten. Zwar nennt Braff „Safe“ (1995) als Einfluss, doch anders als in Todd Haynes’ Film wirkt die Umgebung hier belebend. Von seinem ehemaligen Schulfreund, dem Totengräber Mark, wird Andrew in die Geheimnisse seines Heimatortes eingeführt. Da verwandelt sich ein Hotel in eine frivole Camera Obscura, und gleich hinter dem Ortsrand liegt ein rätselhafter Ableger des Grand Canyon. Das gesamte Personal ist kaum weniger überspannt als Sam. Wenn Wes Andersons „Royal Tenenbaums“ (fd 35 300) in der Provinz arme Verwandte hätten, müsste man sie sich so vorstellen. Hier hat jemand mit der Erfindung eines geräuschlosen Klettverschlusses Millionen gemacht, weshalb es gar nicht so abwegig scheint, dass Mark Sammelkarten mit den Porträts amerikanischer Golfkriegshelden als Geldanlage betrachtet. Angesichts von so viel Skurrilität ist Kitsch nicht fern, und gegen Ende nehmen die „Lektionen fürs Leben“ überhand. Aber die Botschaft des „Carpe diem“ wird mit ehrlich wirkender, entwaffnender Naivität unterbreitet – zumal schnoddrige Nonchalance für einen Ausgleich sorgt. Wenn Mark vom Tod von Andrews Mutter erfährt, antwortet er nicht etwa mit einer Beileidsfloskel, sondern mit einem schlichten: „Fuck“.
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