Mark Twain hat gesagt, mit dem Rauchen aufzuhören sei die einfachste Sache der Welt, er selbst habe es schon mehrmals getan. Dieser heiter-melancholische Widerspruch muss auch dem Schweizer Filmemacher Peter Liechti in den Sinn gekommen sein, als er beschloss, sich durch Fußmärsche das Rauchen abzutrainieren. Es galt, die Hundert Kilometer zwischen seinem Wohnort Zürich und Liechtis Heimatstadt St. Gallen – der Geburtsstätte seiner Tabaksucht – ohne Glimmstängel zurück zu legen. Eine nicht in allen Details planbare Reise, die für den Reisenden mit einigen Überraschungen aufwartete. Schnell wird der Wanderer, dessen Füße man immer wieder im Bild sieht, von der Einsamkeit des Rauchers, der nicht raucht, eingeholt. Er sucht Ablenkung bei Begebenheiten am Rande. Sie sind es dann auch, die Liechtis Filmessay bei seiner Wanderung gen Nordost – im Laufe des Films werden es drei Fußmärsche – die Würze geben. Dabei bewegt sich der Filmemacher, dessen aus dem Off eingesprochene Überlegungen durchaus literarische Qualitäten haben und in ihren besten Momenten an die lakonische Prosa Urs Widmers erinnern, nicht nur auf den Ursprungsort seiner Sucht zu. Er konfrontiert sich mit seiner Vergangenheit, besucht die Eltern, in deren Wohnung der entwöhnte Raucher einmal mehr den alten Mief erschnuppern kann, eine Bekannte seiner Großmutter, die im Altersheim gefasst auf ihren Tod wartet, oder lungert an Bahnhöfen herum, auf denen partout kein Zug mehr kommen will.
Liechtis Film ist ein im besten Sinne permanentes „vor sich hin Schweizern“, eine Fülle von Binnengedanken, die für Ablenkung sorgen sollen und in sinnfällige Bilder gefasst werden. Immer wieder sieht man zufällig ausgesuchte Hotelzimmer, die unpersönlich-freundlich auf ihren Gast warten; der Schweizer Nationalfeiertag am 1. August spielt ebenso eine Rolle wie folkloristische Veranstaltungen, an denen der Möchtegern-Nichtraucher fast von einer Fahne erschlagen wird. Der Filmemacher macht sich seine Gedanken, Schritt für Schritt, gerät dabei in ein „gedankliches Hyperventilieren“, das den Betrachter trotz seiner spielerischen Beiläufigkeit in Anspruch nimmt. Mythen werden angesprochen und hinterfragt, der Säntis, der „Hausberg“ St. Gallens, wird erstiegen, nur um über den Berg zu kommen; das Rauchen als eine Krankheit zum (Krebs-)Tod spielt eine zentrale Rolle.
Dabei hat der 1951 geborene Filmautor, der sich im Juli 1999 den „Marschbefehl“ gab, trotz aller Ablenkungen immer wieder den „blauen Dunst“ vor Augen, und wird sich mit jedem seiner Schritte sicherer, wie schwer es ist, den eigenen Mief hinter sich zu lassen. Vielleicht ist Sepp, der in sich ruhende Bauer, der im Sommer mit seinem Lieblingsschwein spazieren geht und im Winter als Lagerarbeiter sein Zubrot verdient, ja in der Tat jener „Hans im Glück“, den Liechtis Filmessay beschwört. Kein Wanderer, kein Junkie, den hinterhältige Träume nach Marokko treiben, niemand, der in Appenzell über Antilopen nachdenken muss, sondern ein Mensch, der sich in seinem Leben eingerichtet hat. Dies ist auch Peter Liechti, rauchend oder nicht rauchend zu wünschen, der sich nach diesem wunderbaren Film und drei Wanderungen im Frühling nichts sehnlicher wünscht, als nach Zürich zurück zu kehren und eine lange Pause zu machen: wovon auch immer – vom Filmemachen (hat er nicht), vom Rauchen oder vom Gehen?