Der "Geist in der Muschel", von dem der Titel spricht, ist allgegenwärtig. Es ist die alte Frage des "Blade Runner" und jener kulturellen Strömung in Literatur, Comic, Film und Computerkunst, für die sich der Begriff "Cyberpunk" etabliert hat: Träumen Androiden von künstlichen Schafen? Von einer rhetorischen Frage aber ist sie hier zu einer seinsphilosophischen Fragestellung gereift. Die tragischen Helden dieses Zeichentrickfilms aus einer asiatischen Fantasie-Metropole sind Suchende in einem Zwischenreich, aus dem es keinen Ausweg gibt. Die verschachtelte, kaum auf eine klare Erzähllinie reduzierbare Geschichte um eine junge Frau, die inzwischen genug künstliche Körperpartien besitzt, um als halbe Androidin zu gelten, ist kaum das eigentliche Ereignis des Films; es ist die hochstilisierte Bildgestaltung, die sich in ihrer Kompromißlosigkeit auf westlichen Kinoleinwänden höchst eigenständig ausnimmt und auch für die in Japan überaus populäre Manga-Gattung einen Meilenstein darstellt. Wenn die Heldin versucht, gegen einen Puppenspieler anzukämpfen, der gleich einem modernen Dr. Mabuse die Gehirne der Bewohner eines dekonstruierten Metropolis kontrolliert, und sich dazu schließlich mit ihrem künstlich generierten Gegenspieler vereinigt, verhält sich auch die Struktur des Films gleichsam "halbandroid": ein Amalgam aus Fragmenten verwandter Stoffe, mythologischer Anspielungen und Verweisen auf die jüngsten Skandale japanischer Gegenwartspolitik.Die Breitwandbilder mit ihren asymetrischen Kompositionen, den ungewohnten Perspektiven und einer unermüdlichen Vorliebe für alle Schattierungen von Blau führen in eine Welt, die gleichermaßen fremd und vertraut ist. Der Film scheint sich in einem langsamen Fluß zu befinden, so wie das trübe Kanalwasser zu Beginn des Films die Fähre, auf der sich die Protagonistin befindet, nur langsam vorwärtsgleiten läßt. Dabei ist "Ghost in the Shell" alles andere als ein rasanter Actionfilm. Sein meditativer Erzählstil erinnert eher an die Animationsfilme, die Karel Zeman nach den Werken Jules Vernes geschaffen hat. Den ganzen Film über ist eine unausgesprochene Melancholie zu spüren, die nicht, nur an der Sinnsuche der unglücklichen Androiden teilhaben läßt, sondern deren Sehnsucht in eine allgemeinmenschliche Ebene hebt. Die Langsamkeit des Erzähltempos verbindet sich dabei mit der reduzierten Bildgestaltung zu einer selten erlebten Askese im Erzählkino, die an die große Zeit japanischer Filmkunst erinnert. Für den westlichen Animationsfilm gibt es den Begriff "limited animation" für reduzierte Bewegungsphasen, doch selten erwuchs diese Reduktion aus ästhetischer Motivation. Im japanischen Manga folgen vier gleiche Einzelbilder aufeinander, was einer Bildfrequenz von sechs Bildern pro Sekunde entspricht. Daß schon die Brüder Lumière immerhin 16 Einzelbilder für notwendig hielten, bestätigt einmal mehr, daß es dieser Animation nicht mehr darum geht, in Konkurrenz zum Leben zu treten. Angestrebt ist eine Filmkunst, die sich parallel zum Realfilm behauptet, gerade so, wie sich Kunst nach Cezanne parallel zum Leben verhalten sollte oder in der Welt des Cyberpunk die virtuelle Realität zu der bestehenden. Wer von diesem Film rasantes Effekt-Kino erwartet, erlebt also eine denkwürdige Überraschung. "Ghost in the Shell" besitzt eine Harmonie, die in sich selbst ruht.