Nach 30 Jahren in New York wollen drei alte jüdische Emigranten ihren Lebensabend in Polen, ihrer alten Heimat verbringen. Während es dem Ehepaar gelingt, sich mit vielen Dollars einzurichten, auch wenn einige Illusionen geopfert werden müssen, kehrt der Freund nach Amerika zurück. Ein leicht melancholischer, von Märchenatmosphäre durchzogener Film über die Suche nach Heimat und die Schwierigkeiten, sich in dieser Welt heimisch zu fühlen. Die episodische Struktur und nüchterne Inszenierung verlangt vom Zuschauer genaue Beobachtung und erschwert die innere Anteilnahme.
- Ab 16.
Auf Wiedersehen Amerika
Drama | Deutschland/Polen 1993 | 86 Minuten
Regie: Jan Schütte
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Filmdaten
- Originaltitel
- DO WIDZIENAIA AMERICA
- Produktionsland
- Deutschland/Polen
- Produktionsjahr
- 1993
- Produktionsfirma
- Novoscop/Pandora/arte/Casting S.F./WDR
- Regie
- Jan Schütte
- Buch
- Thomas Strittmatter · Jan Schütte
- Kamera
- Thomas Mauch
- Musik
- Claus Bantzer
- Schnitt
- Renate Merck
- Darsteller
- Otto Tausig (Isaak Aufrichtig) · Jakov Bodo (Moshe Lustgarten) · Zofia Merle (Genoveva) · Christa Berndl (Zofia Steinmann) · Ben Lang (Perlmutter)
- Länge
- 86 Minuten
- Kinostart
- -
- Fsk
- ab 0; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 16.
- Genre
- Drama
- Externe Links
- IMDb | TMDB
Diskussion
Drei ältere Leute machen eine Reise: Isaak Aufrichtig, der Emigrant aus Wien, Moshe Lustgarten und seine Frau Genoveva. Es treibt sie aus Brooklyn, das zumindest den beiden Männern eine Art neues Stetl geworden ist, zurück nach Polen, wo Genoveva ihre wahre Heimat sucht. Daher hat sie auch während der 30 Jahre des Überlebens in New York kaum einen Satz Englisch sprechen gelernt. Das Schiff hat einen Motorschaden, muß in einem deutschen Hafen landen. Über Berlin - offenbar der unwirtlichste aller Örter auf Erden - kommen sie endlich in Polen an. Die Illusion Genovevas, in ihrem Heimatort wieder Wurzeln zu fassen, zerschlägt sich. Der Pfarrer, dem sie einst als Hausgehilfin diente und vermutlich auch in Liebe anhing, ist ein erschreckend alter Mann geworden, der sie freundlich beiläufig zum Makkaroni-Essen einlädt, auf ein anderes Mal, wenn er mehr Zeit habe. Der würdige Hagestolz Isaak findet plötzlich eine Frau (Christa Berndl, rührend und liebenswürdig), die mit ihm das weitere Leben verbringen will und ihm folgt, zurück nach Brooklyn. Das Paar indessen bleibt in Danzig; Genoveva holt aus einer Tasche, die sie vom Beginn des Films an begleitet hat, viele, viele Dollars und gründet in Polen eine neue Existenz. Am Ende telefonieren die Freunde, Isaak und Moshe, miteinander. Beide stehen auf einer Strandpromenade, das Meer unter jeweils diesigem Himmel ist einmal der Atlantische Ozean, zum anderen die Ostsee. Sie unterhalten sich über das Wetter und fragen danach, ob es dem anderen gut gehe. Wieder schwingt ein bißchen Sehnsucht in ihrer Stimme mit, das Gefühl, doch nicht ganz zu Hause zu sein, ohne deswegen schon dem Wahn anzuhängen, daß es überall besser sei, wo sie gerade nicht sind.Dieser Film zeigt sich verzaubert von den ein wenig skurrilen Helden. In deren Rede - und sie reden viel miteinander - mischen sich zwanglos die verschiedenen Sprachen: Deutsch, Englisch, Polnisch, Jiddisch. Sie sind Emigranten, doch haben sie ihre Identität bewahrt - anders, als ihre buntscheckige Sprache vermuten läßt. Isaak geht über die Straßen Brooklyns oder Danzigs mit der gelassenen Unbeirrbarkeit, mit der er sich vielleicht auch im Prater urnherbewegen würde. Moshe ist ein verschmitztes, lustiges, nicht zu entmutigendes Männlein an der Seite seiner massiven, ein wenig humorlosen "Dickmadam". Merkwürdig, die prägende Vergangenheit der Personen spielt in der Handlung keine große Rolle - mit Ausnahme der Tatsache, daß die einen aus Polen kommen und der andere offensichtlich aus Wien. Alle drei sind keine erfolgsverwöhnten Menschen, das Glück ist ihnen nicht zugeflogen. Es sind für Isaak außerordentliche Momente, als ihm sein Arbeitgeber, ebenfalls ein Emigrant, auf der Straße plötzlich das Geld zusteckt, das er ihm seit langem schuldig war, als er in Danzig an einer Straßenbahnhaltestelle plötzlich einer Frau gegenübersitzt, die seinen hilflosen Annäherungsversuch schüchtern-nett akzeptiert, und es ist zweifellos für Genoveva ein Triumph, als sie in Danzig den Hausbesitzer, der seine Mieter vertreiben will, mit aufgehäuften Dollarscheinen beeindrucken und umstimmen kann. Augenblicke des Glücks, der Wiedergutmachung, nach langen Zeiten der Entbehrung und des Abwartens, des reduzierten Lebens.Die Reise selbst ist für die Betreffenden kein Vergnügen. In Berlin kampieren sie in einer halbverlassenen Villa, George Tabori als alter, weiser jüdischer Händler hat sie dorthin eingeladen - nirgendwo ist die ortlose Existenz besser illustriert als in diesem Haus, das wie ein Durchgangslager genutzt wird. In Danzig: Industrieruinen, der allmähliche Verfall auf Schritt und Tritt. Die Innenräume in Polen sind ausgestattet mit Urväterhausrat. Man bekommt Sehnsucht nach dem Gewimmel in Brooklyn, wo es Diebe gab, aber auch viele vertraute Menschen, Lokale, Passagen. Wenn sich die drei und mit ihnen die Zuschauer von Brooklyn fortbewegen, ist dies wirklich ein Abschied von einer beinah heimisch wirkenden Umwelt. Europa zeigt sich vor allem unter dem Aspekt der Wüstenei, als traurige, verlassene Landschaft, als kalte und unfreundliche Welt.Schüttes Film ist nicht eigentlich spannend. Man wartet auf die verschiedenen Begebenheiten und Erlebnisse der Figuren. Ein paar Wendungen der Geschichte sind heiter - obwohl es wenig realistisch anmutet, über Nacht ein Schiff zu besteigen, das einen zurück nach New York bringt. Ein feiner Märchenton klingt durch das Ganze. Vielleicht ist die Geschichte und ihre Inszenierung, auch ihre visuelle Umsetzung, zu bescheiden, zu nüchtern, zu lapidar. Es gibt wenig Szenen, zu viele Episoden. Auch Nebengeschichten werden nur flüchtig angedeutet: Moshe hat offenbar in Brooklyn eine veritable Geliebte zurückgelassen. Die Begegnung Genovevas mit ihrem Pfarrer: ein Traum bricht zusammen. Aber sie verläßt, gefolgt von der Kamera, das Haus, geht die Stufen hinunter, die Straße entlang um die großen Pfützen herum auf die einsame kleine Wartehalle zu, wo sie vermutlich den nächsten Bus besteigen wird. Die Scheu, allzu aufdringlich zu werden und den Personen allzu nahe zu rücken, ist womöglich ein nobles Stilisierungsprinzip - hier aber gelingt es ihm nicht, starke Emotionen aufzubauen, intensivere Teilnahme, Mitleiden, Mitfreude. So sieht man sich als Zuschauer immer wieder in die Rolle dessen gedrängt, der zu gleichgültig konstatiert, was nun wieder geschehen sei. Und so herrscht der Eindruck vor, daß der Film zerbröckelt: in Einstellungen auf Personen, die feingemeißelte Sätze von sich geben. Haften bleibt zumal die Schilderung eines jüdischen Viertels in Brooklyn, das man am liebsten gar nicht verlassen möchte. Warum soll man diese Reise oder Flucht in die alte Welt mitmachen, nur weil die zänkisch trompetende Genoveva dorthin will und Isaak vermutlich irrtümlich glaubt, die Polizei sei hinter ihm her? "Die zweite Heimat wieder verlassen, tut dreimal weh" (Emigrantenweisheit).
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