Jane Austens Verführung (1995)

Literaturverfilmung | Großbritannien 1995 | 107 Minuten

Regie: Roger Michell

Die Verfilmung von Jane Austens letztem Roman: Eine junge Frau setzt sich über den Standesdünkel ihrer Familie hinweg und heiratet einen Seefahrer, den sie einst der Konventionen wegen verschmähte. Feinsinnig und mit Geduld stellt der Film die Ambivalenz einer heiklen Beziehung dar, die von äußeren und inneren Zwängen belastet wird. In sich stimmig und unspektakulär, vertraut er ganz der Leistung seiner Darsteller. Gesten und Blicke verraten mehr als Worte, vermitteln aber auch treffend die tastende Suche nach der ersehnten Gewißheit. - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
PERSUASION
Produktionsland
Großbritannien
Produktionsjahr
1995
Produktionsfirma
BBC Films/WGBH Mobil Masterpiece Theatre Boston/Millesime Prod.
Regie
Roger Michell
Buch
Nick Dear
Kamera
John Daly
Musik
Jeremy Sams
Schnitt
Kate Evans
Darsteller
Amanda Root (Anne Elliot) · Ciaran Hinds (Captain Wentworth) · Susan Fleetwood (Lady Russell) · Corin Redgrave (Sir Walter Elliot) · Fiona Shaw (Mrs. Croft)
Länge
107 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 6; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Literaturverfilmung
Externe Links
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Diskussion
Die Production Values dieser Jane-Austen-Adaption beruhen ganz auf der Theatererfahrung der Beteiligten vor und hinter der Kamera. Beide Hauptdarsteller, Regisseur und Drehbuchautor kommen aus dem Umfeld der Royal Shakespeare Company. Theaterbühnen sind ihnen, den Biografien nach zu urteilen, vertrauter als das Filmstudio. Doch dem von der BBC produzierten Fernsehfilm, dem erst das Engagement von Sony Pictures Classics in den USA (und in der Folge auch in Europa) zu Leinwandehren verhalf, kommt dies nur zugute. "Verführung" ist zwar kein ureigenes "cineastisches" Erlebnis aktuellen Zuschnitts: keine Aufmerksamkeit heischenden Kamerabewegungen, keine gewagten Schnittfolgen, kein hitverdächtiger vordergründiger Soundtrack stürzen auf den Zuschauer ein. Aber in sich ist der Film, auf das Wesentliche reduziert, stimmig und aufmerksam inszeniert (unauffällige Montage, subtile Beleuchtung). Und er wird von hervorragenden, zurückhaltend agierenden Darstellern getragen. Das macht ihn allemal sehenswert und hebt ihn vom lärmenden Kinoalltag auf angenehme Weise ab.

Familiäres Miteinander und gesellschaftliche Treffen bilden den Rahmen der Ereignisse. Nach dem Tod ihrer Mutter hat die zurückhaltende Anne Elliot einen schweren Stand gegen ihren Vater und ihre beiden Schwestern. Sir Walter Elliot verkörpert auf groteske Weise Standesdünkel und Verantwortungslosigkeit. Als die finanzielle Lage der Familie gänzlich zu kippen droht, bleibt nur noch die Vermietung des Familienbesitzes Kellynch Hall und der Umzug ins standesgemäße, aber günstigere Bath. Über den Mieter von Kellynch Hall, einen sich zur Ruhe setzenden Admiral, wird Anne an ihre frühere Liebe zu Frederick Wentworth erinnert. Den jungen, damals mittellosen Marineoffizier hatte sie vor acht Jahren verschmäht, weil sie dem Standesdenken ihrer Verwandten mehr Wert beimaß als ihren eigenen Gefühlen. Natürlich bleibt es nicht nur bei den Erinnerungen - schon bald kreuzen sich die Wege der beiden von neuem.

Aus der kaum noch sichtbaren Glut dieser früheren Beziehung entfachen Jane Austen und auf kongeniale Weise auch der Film ein in äußerster Zeitlupe sich entwickelndes neues Feuer, das lange Zeit, kaum daß es sichtbar wird, zwischen mehr oder weniger sublimen Zwängen und verinnerlichten Konventionen zu ersticken droht. Überall, in der eigenen Familie und in der vornehmen Gesellschaft, begegnet Anne dem Egoismus der anderen. Charmante Schmeicheleien oder harsche Direktheit - jedes zweite Wort dient dem eigenen Vorteil. Von ganz anderem Charakter sind nur die Unterhaltungen zwischen Anne und einem literarisch versierten Seefahrer, der seine Frau verloren hat. Fast meint man, diese beiden könnten sich kriegen, da erfährt man, daß ein Wirbelwind von Mädchen, das vorher Wentworth naiv schöne Augen machte, den Seefahrer von seiner Trauer befreit hat. Wo die Liebe hinfällt.

Überhaupt spielen Konversationen eine hervorragende Rolle im Film. Da aber den Worten nicht zu trauen ist, beobachtet die Kamera um so aufmerksamer Gesten und Blicke der Figuren. Ihnen, das suggeriert der Film (und das macht ihn so anziehend sympathisch), ist noch zu trauen - zumindest in entscheidenden Momenten. Und die zwingt "Verführung" dem Zuschauer nicht auf, sondern läßt sie langsam und in all ihrer Ambiguität geschehen: In Szene gesetzt nicht als Triumph der Sinnlichkeit, wie der deutsche Titel nahelegen könnte, sondern als heikler Balanceakt zwischen Gefühl und Verstand. Lange bleibt Wentworth Haltung gegenüber Anne im dunkeln: Ist sein kühles Verhalten ihr gegenüber in erster Linie purer Selbstschutz oder sinnt er sogar auf Rache für die frühere Zurückweisung? Schön ist, daß das Rätsel gelöst wird; noch schöner ist, daß der Film die letztlich einfache Lösung in ihrer ganzen Kompliziertheit vorstellt.
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