An dem Tag, an dem Anna 17 Jahre alt wird, wird ein Foto arrangiert, das die Freude des Geburtstagskindes ebenso wie die Harmonie der kleinen Familie zum Ausdruck bringen soll. Immerhin will der Vater das Bild als Wahlkampfpropaganda einsetzen, ist er doch auf Stimmenfang für das Bürgermeisteramt. Doch während der Kinozuschauer durch den Sucher des Fotoapparates blicken darf, bröckelt das Idyll, spürt man Spannungen, vor allem zwischen dem Vater und Anna. Wenig später wird Annas Schwester, die elfjährige Clara, in ihr Tagebuch schreiben: "23. Juli. Wir sagen vier mal 'Happy Birthday', weil wir nicht glücklich genug waren."Anna hat es nicht leicht in ihrer Familie. Während sich die Eltern in ihrer bürgerlichen Welt eingerichtet haben, und vor allem Vater Wolfgang seine Ungeduld und sein Unverständnis gegenüber Anna zunehmend mit Strenge und Autorität kompensiert, ist Anna auf der Suche nach einem eigenen Weg, einer Identität außerhalb der Familie. Ihre Geburtstagsparty soll ein erstes "Freischwimmen" werden, doch die Eltern verstehen sie eher als Nagelprobe für das Verantwortungsbewußtsein der Tochter; als alles aus dem Ruder läuft, zugekiffte Partygäste den Wohnzimmer-Teppich ruinieren und obendrein noch Wolfgangs Lieblingsplatte zu Bruch geht, kommt es zum heftigen Streit zwischen Vater und Tochter. Anna packt ihre Tasche und fährt ohne Einwilligung der Eltern nach München, um dort für einen Werbespot vorzusingen. Zwar fällt ihre Interpretation eines Janis-Joplin-Songs mit Pauken und Trompeten durch, immerhin aber lernt sie junge und "coole" Städter kennen, schnuppert die alternative Luft von Wohngemeinschaften, Musikkellern und Szenekneipen. Eine zunächst aufregende, zunehmend aber frustrierende Nacht in der großen Stadt erwartet Anna, die erkennen muß, daß sich mit einem einfachen Ortswechsel ihre Träume von einem "anderen" Leben noch längst nicht erfüllen lassen.Die Stadt ist voller Selbstdarsteller, vereinsamter Aussteiger und Anmacher, die glauben, das Mädchen aus der Provinz en passant verführen zu können. "Du hast wunderschöne Augen", heißt es dann, doch Anna kontert:"Meine Augen sind ganz normal!" Solch entwaffnende Natürlichkeit zeichnet nicht nur die im Grunde sehr selbstbewußte Anna, sondern auch den Film aus, der eigentlich auch "ganz normal" ist: ohne effektvolle Politur, ohne grelle Überzeichnung und polternde Komik. Auch die Handlung ist so "normal", wie es eigentlich der Sache entspricht, und dennoch entwickelt Hans-Christian Schmid sie so behutsam, charmant und mit solch subtiler Konsequenz, daß der eigentlich alltägliche Ablösungsprozeß der 17jährigen zu einer ganz eigenen Art von Sensation wird. Der Kniff liegt auch darin, daß Schmid zwei Handlungen parallel setzt, um sie ineinander zu spiegeln und zu brechen: Während Anna ihre Erfahrungen in der Großstadt sammelt, begegnen ihre Eltern einem gleichaltrigen Ehepaar, das seinen ebenfalls verschwundenen Sohn Simon sucht. Niemand weiß zu diesem Zeitpunkt, daß der schüchterne Simon in Anna verliebt ist und sie im väterlichen Auto nach München chauffiert hat. Die Sorgen der Erwachsenen um ihre Kinder werden in dieser Nacht in Alkohol und Erinnerungen an die eigene Jugend getränkt, und als die vier Enddreißiger ihre damaligen Haschisch-Erfahrungen praktisch aufleben lassen, wird die Nacht auch für sie zu einer Art "reinigender" Standortbestimmung. Der Blick auf die Probleme relativiert sich, und als am frühen Morgen Anna von Simon wieder nach Hause gebracht wird und der Zuschauer erneut durch den Sucher eines Fotoapparates auf die Familie blicken darf, da hat sich das erzwungene Arrangement vom Anfang in Wohlgefallen aufgelöst. Und zugleich hält die Kamera das offene, ebenso selbstbewußte wie erlöste Lachen Annas fest, das vor allem auch ihrem Vater gilt.Nach fünf soll man nicht in den Urwald gehen, weil dann die Elefanten Fallschirmspringen üben; manchmal aber tut es Jugendlichen und Erwachsenen gleichermaßen gut, diesen Ausflug auf jeweils eigene Faust dennoch zu unternehmen - auch wenn sich der eine oder andere eine platte Schnauze holt, wie es den um diese Zeit im Urwald spazierengehenden Krokodilen widerfährt. Spielerisch leicht, mal melancholisch, mal sprühend witzig erzählt Hans-Christian Schmid von einer möglichen Verständigung der Generationen, einer Verständigung, die auf Zuneigung und Verständnisbereitschaft basiert. Nie klingt dies verklärend oder gar harmoniesüchtig, dafür inszeniert Schmid zu präzise, unterstützt von hervorragenden Darstellern - allen voran Axel Milberg als Vater Wolfgang und Franka Potente, die "ihre" Anna ernsthaft und charmant, weit entfernt von gängiger Kino-Teenager-Fastfood-Belanglosigkeit zeichnet.