In der Umgebung immer gewalttätigerer, immer spekulativerer Filme muß man sich schon etwas einfallen lassen, um das einschlägige Publikum anzulocken und. nicht zu enttäuschen. "Seven" kann für sich in Anspruch nehmen, den bisherigen Gipfel krankhafter Fantasie erklommen zu haben, was ihm an amerikanischen Kinokassen mit hohen Umsätzen gedankt wird. Auf der Ekel-Skala zeitgenössischer Actionfilme erreicht "Seven" mühelos eine Zehn. Man staune, was sich der damals kaum dreißigjährige Autor Andrew Kevin Walker ausgedacht hat: In einer unidentifizierten amerikanischen Großstadt beginnt eine Serie von Mordfällen, die Polizei zu irritieren. Die Opfer haben offensichtlich in der Reihenfolge der sieben Todsünden ihr Leben lassen müssen. Da mästet der psychopathische Täter zum Beispiel einen Fettleibigen so lange, bis ihm der Magen platzt und die Adern aus der Haut hervorquellen, oder er zwingt einen Star-Juristen, sich selbst ein Pfund Fleisch aus dem Körper zu schneiden, auf daß er anschließend langsam verblute. Genug der Kostproben?, Wem beim Lesen vielleicht schon unwohl wird, der verzichte besser auf einen Kinobesuch, denn das alles wird nicht nur in wiederholten Großaufnahmen ausgebreitet, sondern es kommt auch durchaus noch schlimmer.Der Commercial-erprobte Regisseur David Fincher ("Alien 3", fd 29 804) rafft sein ganzes Talent zusammen, um aus der unappetitlichen Story einen Kultfilm zu ¡machen. Sein Hang zu pittoresker, unheilgeschwängerter Dunkelheit geht so weit, daß er seinen Protagonisten nicht einmal gestattet, irgendwo das Licht einzuschalten. Im diffusen Schein von Taschenlampen kann man sich so schön gruseln! Draußen gießt es unaufhörlich in Strömen ("Blade Runner" läßt grüßen), und abgesehen von der Schlußszene wird es eigentlich nie richtig hell. In diesem artifiziellen Zwielicht tappen die beiden Hauptfiguren wortwörtlich im Dunkeln und dürfen froh sein, wenn sie durch Zufall gelegentlich auf ein Indiz stoßen. Der kurz vor der Pensionierung stehende Polizeileutnant Sommerset und der junge Import-Detektiv Mills debattieren denn auch mehr über Dante und Chaucer und versuchten, den kranken Eingebungen des Täters in (ebenfalls wieder schön schummerigen) Bibliotheken auf die Spur zu kommen. Die Darsteller tun ihr Bestes, die finstere Geschichte interessant zu machen, und Fincher gelingt auch schon mal eine optisch! virtuose Verfolgungsjagd, der man den Beifall nicht versagen kann. Doch ob dieser sadistische Voyeurismus dem entspricht, was man von Kinounterhaltung erwarten sollte, steht doch erheblich in Zweifel. Auch das kleine Meisterwerk eines originellen Titelvorspanns rechtfertigt kaum die von Küchenschaben, abgetrennten Körperteilen und verrottenden Stadtwohnungen geprägte Handlung als Vorwand für "ein paar schöne Stunden". Vielleicht i aber werden Autor und Regisseur ja einwenden, das Ganze sei als Allegorie auf den allmählichen Ruin menschlicher Zivilisation gemeint.