100 Tage, Genosse Soldat

Dokumentarfilm | UdSSR 1990 | 70 Minuten

Regie: Hussein Erkenow

Eine Kaserne irgendwo in der ehemaligen Sowjetunion: Die jungen Rekruten werden für ihren Kriegseinsatz gedrillt, einige von ihnen werden die Tortur nicht überleben. Eine schonungslose Anklage der militärischen Ausbildung, die auf die Zerstörung der Persönlichkeit und soldatische Konditionierung abgestellt ist; ebenso irritierend wie faszinierend. Die ausgeklügelte Farbdramaturgie korrespondiert mit dem Geschehen auf der Leinwand. - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
STO DNEJ DO PRIKAZA
Produktionsland
UdSSR
Produktionsjahr
1990
Produktionsfirma
Gorki Studio
Regie
Hussein Erkenow
Buch
Juri Poljakow · Wladimir Cholodow
Kamera
Wladislaw Menschikow
Musik
Jogan Bak
Schnitt
Ljubow Kusina
Darsteller
Armen Dshigarchanjan · Oleg Vasilkow · Jelena Kondulaeinen · Alexander Tschislow · Wladimir Samanski
Länge
70 Minuten
Kinostart
28.05.2020
Fsk
ab 16;f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Dokumentarfilm | Literaturverfilmung
Externe Links
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Heimkino

Die Extras umfassen u.a. den Kurzfilm "Birch" von Steve Kokker.

Verleih DVD
Salzgeber (FF, DD2.0 russ.)
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Junge russische Rekruten werden 100 Tage lang auf den Kriegseinsatz vorbereitet. Nicht jeder überlebt diese Zeit. Eine eindringliche, semidokumentarische Studie über die Konditionierung junger Menschen zur anonymen Masse aus lauter Soldaten.

Diskussion

Eine Kaserne irgendwo in der ehemaligen Sowjetunion. Soldaten bei der Vorbereitung auf einen Kriegseinsatz, der in drei Monaten beginnen soll. Ein Krieg, den viele von ihnen wahrscheinlich nicht überleben werden. Einige werden ihn nicht einmal erleben. Sie sterben schon während der Vorbereitungen. Bleiben bei einem Gewaltmarsch irgendwann einfach liegen oder sterben anderweitig einen gänzlich banalen Tod.

Die Konditionierung des Menschen

Um welchen Krieg es hier geht, bleibt - wie die Zeit des Geschehens - unbestimmt. Desgleichen ist der Ort letztlich ein namenloses Nirgendwo. In seinem ersten Spielfilm entwirft der usbekische Regisseurs Hussein Erkenow (Jahrgang 1960) ein irritierendes und höchst eigenwilliges Szenario der Konditionierung von Menschen im Rahmen eines militärischen Systems. Von dem sporadischen Auftreten brüllender und prügelnder Offiziere einmal abgesehen, bleiben die identifizierbaren Ausformungen dieser organisierten Entpersönlichung meist unsichtbar, scheinen aber dennoch ständig präsent zu sein. Ein Mechanismus, in dem es weder (eindeutige) Täter noch (eindeutige) Opfer gibt. Und an eine Möglichkeit, dem Ganzen zu entkommen, scheint erst gar nicht zu denken zu sein.

So wie sich aus der anonymen Masse der Soldaten kaum Hauptfiguren herauskristallisieren, verzichtet Erkenow auch auf eine konventionelle erzählerische Struktur. Der Film erzählt keine Geschichte, sondern reiht 70 Minuten lang Momentaufnahmen einer Existenzform aneinander, aus der alles Leben gewichen zu sein scheint. Lange Kamerafahrten entlang endloser Reihen von ausdruckslosen Gesichtern, spartanische Schlafsäle, trostlose Gänge. Dazwischen immer wieder groteske Rituale. Männer beim Wettschwimmen in voller Montur und mit geschultertem Gewehr oder zwei Soldaten, die auf einem weitläufigen, ansonsten menschenleeren Platz unter Marschmusik im Stechschritt aufeinander zuschreiten. Absurde Inszenierungen, die der Film mit spärlich eingesetzten Dialogen, vielfach semidokumentarisch protokolliert.

Das Wasser erstarrt zu Eis

Doch dann sind da auch immer wieder Sequenzen, in denen die Grenzen zwischen Realität und (Wunsch-)Fantasie aufgehoben scheinen. Gänzlich unvermittelt taucht beispielsweise eine nackte Schönheit durch ein Schwimmbecken, als wäre es ein Beitrag für Playboy-TV. (Später sieht man sie in Militäruniform beim Kontrollgang.) Kurz nachdem sie dem Pool entstiegen ist, erstarrt das Wasser zu einer Eisfläche; die Markierungen der Startblöcke mutieren zu schwarzen Kreuzen.

Doch das prägnanteste Stilmittel ist die hochgradig stilisierte Farbgebung. Die meisten Außenaufnahmen tauchen das Geschehen in ein bizarres Orange, das der Szenerie seltsam apokalyptische Züge verleiht. Demgegenüber sind die Bilder aus dem Inneren der Kaserne (vielfach die allgegenwärtiger Überwachungskameras) in ihrer grünblauen Einfärbung von einer undurchdringlichen Kälte und Distanz.

Die Mechanismen des Militärs

Allein die wenigen Szenen der Zärtlichkeit und (angedeuteten) Sexualität unter den Soldaten sind in warme Brauntöne getaucht. Auch wenn Hussein Erkenow diese Farbdramturgie gelegentlich überstrapaziert, bleibt „100 Tage, Genosse Soldat“ ein ebenso irritierender wie faszinierender Versuch, dem Mechanismus einer militärischen Konditionierung mit dezidiert filmischen Mitteln Ausdruck zu verleihen.

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