Großer Auftrieb in Paris. Die herbstlichen Prêt-à-Porter-Schauen stehen vor der Tür. Und alle sind sie wieder da. Die Edelschneider, die Top-Models, die unvermeindlichen Stars und Sternchen und natürlich die Journalistenmeute, deren Berichte dieses Ereignis selbst in die entlegensten Ecken der Welt tragen werden. Mitten im Trubel der Vorbereitungen begibt sich der Chef der Modewochen, Olivier de la Fontaine, zum Flughafen, um einen mysteriösen Sergej aus Moskau zu treffen, der ihm als Erkennungszeichen eine alberne Krawatte geschickt hat. In der Ankunftshalle ist Kitty Potter, Reporterin für eine amerikanische Fernsehstation längst bei der Arbeit, immer auf der Jagd nach irgendwelchen VIP, um sie für ein Interview vor die Kamera zu zerren. Auf der Fahrt vom Flughafen in die Stadt stirbt Monsieur de la Fontaine einen gänzlich banalen Tod: er erstickt an einem labbrigen Schinken-Sandwich. Von Panik erfaßt, flieht Sergej daraufhin aus dem Fond des Wagens, springt in die Seine und wird fortan als vermeintlicher Mörder gesucht. Während Isabella, die Frau des Modezaren. die Nachricht von dessen Ableben nur schulterzuckend zur Kenntnis nimmt ("Ach, schade"), ist seine Geliebte, die Star-Designerin Simone, durchaus geschockt. Doch für Trauer bleibt nunmal keine Zeit. Ihre Show steht vor der Tür. Derweil wird der
"Washington Post" -Reporter Joe Flynn, eigentlich für eine ganz andere Story in Paris, durch widrige Umstände unversehens in den Modetrubel gerissen. Erst ist sein Koffer weg, und dann nistet sich auch noch Anne Eisenhower, die fahrige Moderedakteurin eines texanischen Provinz-Blattes, in seinem Hotelzimmer ein. Je näher der Termin der ersten Laufsteg-Parade rückt, desto mehr scheint sich tout Paris in ein Tollhaus zu verwandeln.Kaum ein anderer Film von Robert Altman hat bereits im Vorfeld für soviel Aufregung gesorgt wie "Prêt-à-Porter". Während der Dreharbeiten im vergangenen Herbst schien die Präsentation der Edelfummel fast zur Nebensache zu werden. Die Branche war irritiert. Sollte der Altmeister des Kinos sich über sie lustig machen und ganze Gewerbe in den Schmutz ziehen wollen? Schneidermeister wie Valentino und Karl Lagerfeld lehnten ihre Mitarbeit ab. Sollte es aus Argwohn gewesen sein, sie hätten ruhig mittun können. Denn Altmans Blick auf die Designer und ihre Kreationen fällt keineswegs vernichtend aus. "Prêt-à-Porter" lebt eher von der Perspektive eines alten weisen Mannes, der das groteske Treiben mit schmunzelnder Gelassenheit beobachtet. Lediglich die blasierten Trittbrettfahrer, all die VIP, Sternchen und vor allem die Journaille, die sich da in sinnleeren Ritualen ergehen, bekommen ihr Fett weg. Das allerdings reichlich. Ob sich da drei Redakteurinnen mit letztem Körpereinsatz um einen Star-Fotografen (mit herrlichem Ennui: Stephen Rea) balgen oder die Fernsehreporterin Potter schon längst nicht mehr weiß, was sie da ständig von den Tafeln ihrer Assistentin abliest. Und wie Kim Basinger diese professionelle Plaudertasche verkörpert, mit nervtötender Kieksstimme und einem Zahnpasta-Lächeln, das sie auf Kommando an- und ausknipst, ist eine ihrer schauspielerisch brillantesten Leistungen. Überhaupt ist seine hochkarätige Darstellerriege wieder einmal ein Pfund, mit dem Altman brillant zu wuchern versteht. 35 Hauptfiguren bevölkern das Geschehen. Hinzu kommt eine Reihe von Cameo-Auftritten, in denen Prominente wie Harry Belafonte, Cher. Modeschöpfer wie Claude Montana, Thierry Mugler und last not least Top-Models wie Naomi Campbell. Helena Cristensen in kurzen Sequenzen sich selbst spielen. (Claudia Schifter mit ihrem magischen Copperfield ist natürlich auch mit von der Partie.)Und bei seiner inzwischen entwickelten Souveränität kann es sich Altman diesmal sogar leisten, bei manchen Sequenzen tief in die Mottenkiste der Boulevard-Komodie zu greifen, ohne daß es auch nur einen Moment albern würde. Da läßt er zwei Leute in einem Kleiderschrank zusammentreffen, weil sie beide in dem Zimmer eigentlich nichts zu suchen haben, aber plötzlich der Hausherr naht. Ein Mann, der (während der Modewoche!) auf der Suche nach Klamotten durchs Hotel schleicht, weil er seine beim Sprung in die Seine ruiniert hat; zwei Menschen, die sich unfreiwillig ein Hotelzimmer teilen müssen und daran zunehmend Gefallen finden - alles altbewährte Screwball-Standards. Als Running Gag tut's hier gemeiner Hundekot, in den ständig irgendwelche Edelschühchen tappen und dabei ein ausgesprochen unappetitliches Geräusch verursachen. Selbst an den Schuhen des Toten in der Leichenhalle klebt sie noch, und natürlich weiß Altman auch, daß solche Fehltritte auf weißem Marmor besonders gut kommen.Als hübsches Filmzitat darf Sophia Loren noch einmal jenen Strip hinlegen, mit dem sie Marcello Mastroianni (und das männliche Kinopublikum) 1965 in Vittorio de Sicas "Gestern, heute und morgen" betörte. Und siehe da, die Dame hat auch 30 Jahre später nichts von ihrer Magie verloren. Nur der ehemaligen Inkarnation des Latin Lover ergeht es diesmal ein bißchen anders.Erzähltechnisch an seinen legendären Film "Nashville"
(fd 19 724) angelehnt, in dem er 1975 diese Technik der Parallelmontage einer Vielzahl von gleichrangigen Handlungssträngen erstmals praktizierte, verbindet der inzwischen 70jährige Altman all diese Elemente zu einem äußerst vergnüglichen Spiel. "Prêt-à-porter" hat nicht den Biß von "The Player" oder "Short Cuts", in denen Altman so bitterböse den Hollywood-Betrieb bzw. den Konsumfetischismus sezierte, aber großes Kino ist es allemal. Und mit seinem Schlußakkord, der Laufsteg-Parade pudelnackter Models, gelingt Altman nicht nur eine geniale Bilanz seiner Sicht auf den Modezirkus, sondern obendrein auch eine seltsam magische Sequenz.