Keiner liebt mich

Komödie | Deutschland 1994 | 104 Minuten

Regie: Doris Dörrie

Eine 30jährige Flughafenangestellte ist von der fixen Idee besessen, daß keiner sie lieben würde, obwohl sie ständig einen Partner sucht. Schließlich entwickelt sich eine unerwartete Freundschaft mit einem Homosexuellen, die mit dessen Tod ein Ende findet. Eine heiter erzählte Komödie vor der Kulisse "zeitgeistiger" Szenen, die in ihrer Erzählweise verspielt von Episode zu Episode springt. Intensität erzielt sie vor allem durch die Ausstrahlung der beiden überzeugenden Hauptdarsteller. - Ab 16.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
1994
Produktionsfirma
Cobra/ZDF
Regie
Doris Dörrie
Buch
Doris Dörrie
Kamera
Helge Weindler
Musik
Niki Reiser
Schnitt
Inez Regnier
Darsteller
Maria Schrader (Fanny Fink) · Pierre Sanoussi-Bliss (Orfeo de Altamar) · Michael von Au (Lothar Sticker) · Elisabeth Trissenaar (Madeleine) · Ingo Naujoks (Lasse Längsfeld)
Länge
104 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Komödie | Literaturverfilmung
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
EuroVideo (1.85:1, DD5.1 dt.)
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Diskussion
Der Anfang ist verheißungsvoll: Eine junge Frau, 30 Jahre alt, spricht in die Kamera, um sich selbst vorzustellen. Sie will nicht mehr länger ein Single sein und sucht einen Partner. Je länger sie sich selbst charakterisiert, desto resignierter erscheint sie. Am Ende meint sie, sie fände sich selbst so wenig interessant, daß sie möglichen Interessenten abrate, die Bekanntschaft mit ihr zu suchen. Sie arbeitet am Flughafen als eine der jungen Damen, die die Passagiere danach abtasten, ob sie Messer oder Revolver im Gewand mit sich tragen. Zu Hause ist sie in einem großen, von außen unpersönlich wirkenden Appartementhaus, das zumindest auf ihrer Etage eine Reihe kurioser Mitbewohner beherbergt: Personen, die den Weltuntergang oder die Begegnung mit Außerirdischen erwarten, und einen Afrikaner von schöner Statur, der sich als Wahrsager betätigt, sich indes selbst nicht helfen kann. Er leidet unter argem Mangel an Geld und liebt einen Fernsehansager, der seine Neigung aber bald einem anderen Mann zuwendet. Diese Verbindung erlaubt Blicke in ein zweites exotisches Milieu: das der Homosexuellenkneipe mit all den bizarren Typen (ähnlich in Söhnke Wortmanns "Der bewegte Mann"). Die junge Heldin verliebt sich, vom Wahrsager angefeuert und wie eine Eliza Doolittle (aus Shaws "Pygmalion") zur attraktiven Frau verwandelt, in den neuen Hausverwalter, einen smarten Träger von Armani-Anzügen und Fahrer eines Jaguars. Der falsche Mann, erkennt man, erkennt sie leider etwas später. Also muß sie getröstet werden - und der inzwischen aus der Wohnung hinausgeworfene Wahrsager wird zu ihrem wahren Freund. Da Sexualität kaum im Spiel ist, kann sich eine offenbar herzliche und ungetrübte Zuneigung zwischen beiden entwickeln. Am Ende hustet sich der schöne, dunkelhäutige Freund seinem Ende entgegen und wird bei viel Licht und Lärm irgendwohin entrückt (es ist leider zuviel fauler Zauber im Spiel), während die zurückgebliebene junge Frau endlich einen Mann entdeckt, der ihr wirklicher Partner werden könnte. Den hat sie bisher nur nicht wahrgenommen, obwohl er mit ihr zusammen in einer Erfahrungsgruppe übte, das Sterben zu lernen: die dritte Außenseiter-Szene.

Die Geschichte der unerwarteten Freundschaft zwischen der Frau und dem Homosexuellen wird heiter erzählt, mit vielen Einfällen durchsetzt, angefangen vom Exerzitium, mit dem Po zu wackeln, bis zur Suppe, in der das Foto des falschen Geliebten zerrissen herumschwimmt: man muß das aufessen, um es hinter sich zu bringen (Aberglauben solcher Art kann immer wieder einleuchten). Viele kleine Szenen, Ausschnitte aus einem sonderbaren Alltag, keine großen Auftritte oder Auseinandersetzungen, vielfach Schnipselbilder, kurze Einstellungen, ästhetisch dekorative Bewegungen vor der Kamera, schnelle Auf- und ebenso rasche Abschwünge der Spannungsbögen. Daß bei solch verspielt hüpfender Erzählweise dennoch Intensität entsteht, ist vor allem den Schauspielern zu verdanken: Maria Schrader, nach "I was on Mars" (fd 30 224) oder "Magic Müller" langsam als Star des jungen deutschen Kinos der Gegenwart entdeckt, hat eine sehr liebenswürdige Ausstrahlung; sie wirkt weder vertrackt noch anrüchig, vielmehr fröhlich, auch unschuldig bei allem, was sie tut, die sympathische junge Frau aus der Nachbarschaft. Ihr fehlt alles Aufdringliche oder Auftrumpfende, so daß die Zuschauer mit leisem Staunen, aber auch Anteilnahme verfolgen, wie diese Figur nicht von ihrer fixen Idee lassen will, keiner würde sie lieben. Dabei kann Schrader den Liebeskummer, den sie nach ihrer Enttäuschung mit dem falschen Mann erfährt, durchaus überzeugend spielen, ihr Schluchzen erzeugt Rührung und freundschaftliche Gefühle. Die feine Asymmetrie der Gesichtszüge, die Beweglichkeit eines nicht provokant inszenierten und ausgestellten Körpers verleihen ihr zusätzlich mädchenhaften Charme, betonen das Lebensoffene, Unverstellte, Unkorrumpierte ihrer Rollenfigur. Als Gegenspieler kann Pierre Sanoussi-Bliss durch unerwartete Reaktionen verblüffen: zeremoniöses Bohei und ungenierte Geldbeschaffung, mysteriöse Schreie und nüchterne Kommentare folgen bei ihm unmittelbar aufeinander. Er macht aus sich einen großen Zauberer, kann aber dank der ungünstigen Verhältnisse diese Maskerade nicht lange aufrechterhalten. Etwas Armes, manchmal Traurig-Armseliges verbirgt sich unter der dekorativ geschminkten Haut und Oberfläche: Bewohner eines schäbigen Appartements, der vielleicht durch Schamanenschreie einen steckengebliebenen Fahrstuhl wieder in Bewegung setzen, sich aber nicht gegen den Rauswurf wehren kann, der mit dem Gedanken an Selbstmord spielt, wenn er auf dem Dach des Wohnhauses steht, ein Kranker schließlich, der dunkel ahnt, daß er bald sterben werde.

Mit wenigen Strichen skizzierte Nebenfiguren: Elisabeth Trissenaar als geltungsbedürftige Mutter und Autorin offenbar gewagter Romane, Michael von Au als Hausverwalter, der sich in der Nacht durch kindliche Riten trösten muß (zur Verwunderung seiner Bettgenossinnen), nicht zuletzt Joachim Król als Kollege bei der Sicherheitsüberprüfung auf dem Düsseldorfer Flughafen: unflätig daherredend und ziemlich aufdringlich, müßte dieser Mann eigentlich abstoßend wirken, wenn Król ihm nicht lakonische Präzision verleihen und das Schmierige durch ironische Brechungen und komödiantische Akzente aufheben würde. Zu Beginn des Films ist Edith Piafs wunderbares Lied "Non, je ne regrette rien" zu hören. Die Suggestivität dieser Melodie, das leidenschaftliche Pathos der Stimme von Piaf setzen ein hohes "Erregungsniveau". Es ist gefährlich, sich in den Dunstkreis solch großer Kunst zu begeben, da die im Vergleich dazu kleinere Dimension der eigenen Bemühung plötzlich so sichtbar wird. Von der wilden, sehnsuchtsstarken, auch tragischen Welt der Piaf ist Dörries Film weit entfernt, eher Konstruktion eines künstlichen Biotops im Mietshaus, das nur in Punkten Berührung mit unserer Realität hat, ein apartes, unterhaltsames Spielwerk, in dessen Sphäre selbst dem Tod die schärfsten Stacheln genommen werden.
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